laut.de-Kritik
Trip mit Katze: Die spinnen, die Jazz-Pianisten!
Review von Sven KabelitzZu jeder Hochzeit gehört irgendwie der Scherz, die beiden Nachnamen der künftigen Eheleute zu einem zusammenzuschwurbeln. Kichernd freuen sich ihre Urheber über Verflechtungen wie Johannesweck, Langeberg oder Kubankelitz. Auch die Medien spielen dieses Spiel - Bennifer und Brangelina - nur all zu gerne mit. Für ihr gemeinsames Projekt nehmen der superbe Post-Bop-Jazz-Pianist Brad Mehldau und der von tiefsten elektronischen Groove durchtriebene Schlagzeuger Mark Guiliana den gleichen Weg und nennen sich Mehliana. Ein Schenkelklopfer vor dem Herren, der nun sein erstes Album "Taming The Dragon" veröffentlicht.
Um den Drachen zu bändigen, lässt Mehldau größtenteils von seinem Piano ab und erschafft an alten Synthesizern und einem Fender Rhodes melodiös rotierende Spiralgalaxien. Weit draußen im Weltall unterlegt, unterstützt und durchsticht Guiliana diese mit zerbrochenen Beats und Laptop-Effekten. Greg Koller (Kanye West, Afrika Bambaataa, Of Montreal) produziert diese vertrackte Jazz-Moon Safari glasklar und begibt sich mit den beiden auf eine unkonventionelle Reise "to boldly go where no man has gone before".
Im Titeltrack und Opener, der wie ein zweiter Teil von Daft Punks "Contact" wirkt, verweben sich Syntheziser-Rausch und Jazz-Rock-Eruption zu einer geheimnisvollen Melange. In trockenem Ton erzählt Mehldau von einem Traum, einem befremdlichen Trip samt Katze, Dennis Hopper und Joe Walsh. "I had this trippy dream where this cat was driving me around in an old covertible the whole time around L.A. / Later on it turned into a VW van and near the end it was more like this spaceship kind of thing." Die spinnen, die Jazz-Pianisten!
Im verzwickten Prog-Pomp "You Can't Go Back Now" stolpert Guiliana irrsinnig zwischen elektronischen Elementen und Live-Instrumenten hin und her. Mit detailverliebten Drum-Patterns und dem durchdachten und ebenso wirren Einsatz von Becken, Klicks und Bässen baut er eine atemberaubende Dynamik. "The Dreamer" lehnt sich zurück und stellt trotz aller krausen phonetischen Verrücktheiten erstmals wieder das Piano in den Mittelpunkt.
Das drängende "Just Call Me Nige" legt unbezähmbare Rhythmen und Captain Future-Funk übereinander, bis beide in einem schwärmerischen Outro verglühen. "Gainsbourg" erweitert das Klangkonzept mit Samples des französischen Großmeisters und verleiht "Taming The Dragon" so eine weitere feine Nuance.
Mit Mehliana scheitern Mehldau und Guiliana auf ganzer Linie. Anstatt den Drachen zu zähmen, lassen sie ihn frei und treiben ihn in seinen Untaten noch weiter voran. Offen für Experimente und manch eine künstlerische Umleitung entwickeln sie siedende Spannung. Zwei ideale Partner, die sich auf ihrem aufregenden Debüt abwechselnd ergänzen und bekriegen, bis sich die Bestie schließlich in die Höhe erhebt und sich über ihre Einöde hinweg in Richtung der Seestadt aufmacht. "Ich bin das Feuer. Ich bin der Tod."
2 Kommentare
Tolles Album.
spannend, groovend, inspirierend
Future Jazz der Extraklasse