laut.de-Kritik
Verspult, schrullig und voller Disco-Funk.
Review von Philipp Kause"I need to find some peace / I need to concentrate". Im Song "Whitsand Bay" stellt sich der Konzentration aber emotionale Aufgewühltheit in den Weg. Der Held des Songs sucht nach innerem Frieden. Denn: "She keeps on touching me and everyone looks at me / And everyone talks." Der Knatterbeat der Drums verkörpert die Gefühlslage dieses Mannes, der seiner Verflossenen wohl auf ewig nachhängen wird.
Metronomy bedeutet so viel wie rhythmische Exaktheit. Passend dazu dominieren Snaredrums und Drumloops das sechste Metronomy-Album. Zwischen die Schläge mischen sich viele Eindrücke. "Whitsand Bay" ist dafür ein gutes Beispiel. Der Song bietet phänomenale Spiele mit dem Raumklang, wenn Beats und Joseph Mounts Stimme einmal vom rechten Lautsprecher aus dem Mono-Off in den Vordergrund und zurück ins Off nach rechts gefadet werden. Zugleich vermittelt die belegte Stimme auf Bootsy Collins-Funk-getrimmter Gitarre eine tiefere Message. Androgynes, hallendes Dauerecho der Zeile "everyone talks" drückt aus, was im Kopf des besagten Leidgeplagten herumschwirrt - scheinbar jeder spricht über ihn, ihm bleibt nur der Rückzug in die einsame Natur: an Cornwalls Kliffküste Whitsand Bay.
Die Indiepop-Band aus Südwestengland lässt ihren Hang zu Melancholie und schnellen Songs wieder in eine stimmungsstarke Platte münden. Dabei sprechen sie Fans elektronischer Musik an, denen handgemachte Klänge und echte Instrumente trotzdem wichtig sind - Indietronic. Im Falle von "Metronomy Forever" müssen die Hörer zudem Sinn für Disco-Funk mitbringen.
Die meisten Tracks der Platte wirken verspult, schrullig und gleichermaßen sehr stringent. Etliche Instrumentals fordern mit vielen Wendungen vertieftes Hinhören ein. Metronomy packen selbst in Intros und Zwischenspielen wie dem 1:16 Minuten kurzen Fragment "Insecure" Substanz und formen so ein dynamisches Gesamtpaket. Bringt man die Bereitschaft auf, Instrumentals wie "Miracle Rooftop" die gleiche Beachtung zu schenken wie den Vocaltracks, dürfte man den stimmungsvollen, nächtlichen-Impressionen für immer verfallen sein.
Dieser Wechsel von kurzen oder sphärischen Sequenzen und vollständigen Songs macht den Clou der Platte aus. "Forever Is A Long Time" lässt vor dem inneren Auge einen sonnendurchfluteten Wald entstehen. Der Unterwasser-Pop "Lying Low" verzichtet von kurzen Voice-Samples abgesehen auf Text und stellt Synthies in den Vordergrund.
Bei den Vorabsingles "Wedding Bells", "Lately" und "Salted Caramel Ice Cream" wirkt dann vieles überladen. "Salted Caramel Ice Cream" klingt der Melodie nach wie ein Mash-Up aus T. Rex' "Hot Love" und Leonard Cohens' "Tower Of Song". Bezüge zur der französischen Big Beat-Funk-Fusion-Szene (Les Rhythmes Digitales, Étienne De Crecy etc.) finden sich. Und allgemein durchquert das Album synthetische Klanggefilde zuweilen dermaßen altbacken und mit solch anachronistischen Spieluhren-Sounds. Das irritiert und erinnert an frühen deutschen Synth-Wave. Mitunter fühlt man sich auf einer aus der Zeit gefallenen Minimal-Techno-/Ambient-Party gefangen.
Andererseits verleiht die spacige Gesamtattitüde dem Album eine zeitlose Note, etwa beim sportlich schnittigen "The Light", einem sauberen Synthie-Pop-Titel. Zum Ende hin fällt die Qualität dann wieder ab: Das etwas zu nölige "Upset My Girlfriend", das trashig abgemischte "Wedding Bells" und der belanglose 08/15-Indie-Pop "Lately (Going Spare)" trüben den eingangs bombastisch guten Eindruck.
Zu den besten Songs zählen aber neben "The Light" und dem luftig melodiösen "Whitsand Bay" auch das an Prince erinnernde "Sex Emoji" sowie das Instrumentalstück "Lying Low". Das wunderschöne, plötzlich abbrechende "Ur Mixtape" zeigt, wohin die Reise auf dem Album hätte gehen können und legt nahe, dass sich die Band demnächst selbst für das Mixtape als homogeneres Format entscheiden könnte. Mutigeres Abdriften ins Psychedelische, wie im Song "Driving" andeutet, hätte der Platte zudem noch einen dickeren Art Pop-Stempel aufgedrückt.
Auch wenn das Quintett sein bewiesenes Potential diesmal nicht ganz ausschöpft, ist "Forever Metronomy" eine gute Kombination aus Retroklängen und futuristischspaciger Atmosphäre geworden.
1 Kommentar
Ein poppiger Ohrwurm of Death und viel Dümpelndes