laut.de-Kritik
Karaoke mit einer guten Freundin.
Review von Sven KabelitzLust auf einen Karaoke-Abend mit einer guten Freundin mit einem leichten Faible für Miley Cyrus? Dann könnte die Playlist am Ende ziemlich genau so aussehen wie auf "ATTENTION". In den 16 Jahren nach dem Start von "Hannah Montana" mauserte sich Cyrus über sieben Studioalben und vier EPs Stück für Stück zu einem Teil unserer Popkultur und zunehmend angesehenen Künstlerin. Behält man dies im Hinterkopf, erscheint die Songauswahl ihres ersten, am 12.02.2022 in der Crypto.com Arena in Los Angeles aufgenommen Livealbums zumindest sonderbar.
Ja, wir können ihren Weg vom frühen "7 Years", über "Wrecking Ball" bis zu "Plastic Hearts" mitverfolgen. Aber in eine Liste von 20 Stücken, von denen mit der egalen Ouvertüre "Attention" bereits eines wegfällt, ganze acht Cover zu packen, erweist sich als eine eher zweifelhafte Entscheidung. Vor allem, da sie einem Malen nach Zahlen gleichen, bei dem genaustens darauf geachtet wird, nicht über die vorgegebenen Linien zu pinseln. Zeitweise kommt man sich vor wie auf dem Dorffest mit einer ausnahmsweise talentierten Coverband.
Aber wollen Smileys wirklich die Lieder ihrer Eltern hören, wenn sie Cyrus live sehen? Zumal sie mit "Malibu", "Karen Don't Be Sad" und allen voran "Mother's Daugther" einige Highlights zu bieten hätte, die so unter den Tisch fallen. Nichts gegen Coverversionen, aber wenn sie fast die Hälfte der Setlist ausmachen, stimmt vielleicht das Verhältnis nicht mehr. Dann wirkt Cyrus wie eine in einem Gefängnis aus Coverversionen Gefangene, der das Vertrauen in das eigene Material fehlt.
Machen wir es kurz: Einzeln oder in den Liedern versteckt befinden sich "Where Is My Mind?" von den Pixies, Blondies "Heart Of Glass", das unter anderen von den The Shangri Las und Janis Joplin bekannte "Maybe", Chers "Bang Bang (My Baby Shot Me Down)", Dolly Partons "Jolene", Madonnas "Like A Prayer", "Edge Of Seventeen" von Stevie Nicks und Sinéad O'Connor bzw. Princes "Nothing Compares 2 U". Eine Songauswahl, die auch nicht zwingend für ein Herz für unbekannte Außenseiter spricht.
Dabei steht der Livesound den meisten ihrer eigenen Songs wirklich gut, die deutlich mehr Leben erhalten. Auch die älteren Stücke werden dem rockigeren "Plastic Hearts"-Umfeld angepasst. Anstatt der im direkten Vergleich steril wirkenden Studioproduktionen steht nun eine klassische Band auf der Bühne. Cyrus' Stimme hat in der letzten Zeit noch mal einen Knacks mehr abbekommen, was sie zwar geschickt einsetzt, aber dadurch auch des Öfteren zum Schreien neigt. Tatsächlich kommt ein Livefeeling auf, das vielen anderen Veröffentlichungen dieser Art abgeht.
Zu Beginn verliert "We Can't Stop" in der Paarung mit "Where Is My Mind?" jedoch erst einmal seinen jugendlichen Charme. An dessen Stelle tritt das eher semikreative Achtelgeschrammele einer Gitarre. Der Pixies-Klassiker "Where Is My Mind?" hat sicher auch schon einfallsreichere Darbietungen erlebt. "Plastic Hearts" versöhnt mit Bläsern, Percussions und jeder Menge Energie jedoch schnell mit diesem misslungenen Start.
"4x4" beginnt mit Stacy Jones' kurzem Drumsolo. Insgesamt blüht der "Bangerz"-Song dank der vorzüglichen zusammengestellten Band wie so vieles auf "Attention: Miley Live" auf. Das wirre "(SMS) Bangerz" rettet diese aber auch nicht. Während viele Paarungen mit alten Tracks schnell einem festen und wenig überraschendem Schema folgen, funktioniert die Paarung von "Midnight Sky" und Stevie Nicks' "Edge Of Seventeen" blendend, mit "Edge Of Midnight" entsteht ein noch besseres Stück.
Die theatralische Klavierballade "You" sticht deutlich positiv heraus und erhält hoffentlich einen Platz auf dem nächsten Album, bevor das eins zu eins übernommene "Like A Prayer" wieder einmal die Frage nach dem Warum aufkommen lässt. Insgesamt bleibt Miley Cyrus' erstes Live-Album launisch und wird ihr dank der Setlist als Künstlerin nie gerecht.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Musik für Familie Pocher
Wundert mich, dass dieser Kommentar unter der Gürtellinie von laut noch nicht gelöscht wurde. Normalerweise sind die hier bei Hasskommentaren ziemlich streng.
Ungehört 5/5 und jetzt wird Best of Both Worlds aufgedreht.
https://i.redd.it/i27ihi30ltc81.jpg
Miley macht zu wenig Dead Petz.
Karen Don't Be Sad