laut.de-Kritik
Die Marionette kappt ihre Fäden.
Review von Sven KabelitzMiley Cyrus pfeift auf jegliche Konventionen. Zu "Wrecking Ball"-Zeiten wirkte sie noch seltsam ferngesteuert und traurig, ging aber zunehmend in ihrer Rolle auf und fand in ihr ungeahntes Selbstbewusstsein. Ihrem kompromisslosen Auftreten lässt sie nun erstmals in ihrer Musik Taten folgen. Ihr fünftes Album könnte kaum unangepasster und konsequenter ausfallen. Zwischen "Bangerz", das man bis auf den lieblichen Radio-Pop von "We Can't Stop" nach wie vor getrost in die Tonne treten darf, und "Miley Cyrus And Her Dead Petz" fand eine atemberaubende künstlerische Weiterentwicklung statt, die man selbst als wohlwollender Smiler nicht für möglich gehalten hätte.
Enthemmt schwimmt Miley in der Anarchie des freien Streams. Sie befreit sich von den Zwängen des Marktes und Plattenfirmen und zeigt sich kreativ, innovativ und vulgär. Die Sängerin fordert festgefahrene Meinungen heraus, erschafft eine bizarre Welt, die keine Regeln kennt. Nach unzähligen Kostümwechseln auf der Bühne erfindet sie sich nicht etwa einfach als Musikerin neu. Nein, sie definiert sich erstmals als Künstlerin. Mit "Miley Cyrus And Her Dead Petz" gelingt ihr die Platte, die Lady Gaga mit ihrem überambitionierten "Artpop" gerne veröffentlicht hätte.
Spätestens mit der Zusammenarbeit auf "With A Little Help From My Fwends" gaben die Flaming Lips Miley den entscheidenden Stups in die richtige Richtung. Das danach nichts mehr wie vorher sein sollte, konnte man bereits erahnen. Zwar beteiligen sich die "Bangerz"-Produzenten Mike Will Made It und Oren Yoel an "Dead Petz", die deutlichsten Spuren hinterlässt aber Lips-Frontmann Wayne Coyne.
Er reicht Cyrus die Hand, führt sie in eine andere Welt, in der sie nicht einfach zu seinem Spielball verkommt, sondern deutlich Verantwortung über ihr Werk übernimmt. Während sie in den Kredits des letzten Longplayers noch unter ferner liefen stand, emanzipiert sich die Instagram-Ikone nun auch als ernstzunehmende erwachsene Songwriterin. Zehn der dreiundzwanzig Stücke gehen komplett auf ihr eigenes Konto, bei den restlichen reduziert sich die Unterstützung auf ein Minimum. Dabei pfeift sie auf jegliche Anbiederung an den Mainstream-Pop. Ein Schnitt, den ihre ehemaligen Konkurrentinnen Rihanna, Selena Gomez oder Katy Perry wohl niemals in dieser Radikalität schaffen.
Mileys bisheriger Erfolg kommt ihr dabei entgegen. "Ich kann einfach tun, was ich tun will, und die Musik machen, die ich machen will", erklärt sie in einem Interview mit der New York Time. "Ich habe mein Geld gemacht." Mit ihren Gästen Ariel Pink, Sarah Barthel (Phantogram), Big Sean und Daddy Billy Ray Cyrus betritt sie eine psychedelische Umgebung, die sich nie festnageln lässt. Zwischen Liebe, Tod, Freiheit, Drogen und Sex feiert sie die Extreme. Selbst in den süßesten Momenten wie der possierlichen Ballade "Pablow The Blowfish" bleibt sie herrlich beschwipst. "How can I love / Someone I never touched / You lived under the water / But I love you so much / You never been on land / And you never seen the sky / You don't know what a cloud is / Why does everything I love have to die?"
Das zornige "Dooo It!", das sich merklich an M.I.A. orientiert, bietet noch eine mit harten Steinen gepflasterte Brücke zu "Bangerz". "Yeah, I smoke pot / yeah, I love peace / but I don't give a fuck / I ain't no hippie", erklärt sich Miley in einer spröden Interpretation des Vorgängers. Ein lauter Opener voll rumpelnder Bässe, der nicht exemplarisch für das weitere Album steht. Gleich das darauf folgende melancholische "Karen Don't Be Sad" hätte man der Sängerin in dieser Schönheit und Zärtlichkeit noch vor zwei Jahren nicht einmal im Ansatz zugetraut. Großartiger nostalgischer Pop, den elektronische Schnörkel begleiten.
Das wenig subtile und dafür um so schamlosere "Bang Me Box" groovt zu einem herrlich rauem Bass. Ebenso derbe geht es zwischen strahlenden Synthesisern und harten Einschlägen in "Milky Milky Milk" zu. Dabei verliert Cyrus vor lauter Effekthascherei jedoch nie die Melodie aus den Augen. Im weiteren Höhepunkt, dem fast auf Stillstand stehendem Trip Hop "Cyrus Skies", zeigt sich die Sängerin ungewohnt schwermütig und düster. "I'm still standing here forever / Without sunshine in my mind / Yeah, I've been alive / But I've been a liar."
Das mit Ariel Pink eingespielte "Tiger Dreams" hält diese offene Atmosphäre aufrecht. "I keep searchin' for some meanin' in my dreams / And I'm dreamin' of bein' eaten by tigers / While the sparrows start to sing in a tree." Verschrobene Akustik-Gitarren und Synthpop-Glimmer begleiten "The Floyd Song (Sunrise)". In dem Stück, das Miley für ihren im April 2014 verstorbenen Hund komponierte und das den Grundstein für "Dead Petz" legte, wird die Anwesenheit der Flaming Lips am deutlichsten. Der von billig kitschigem Keyboardsound begleitete "Twinkle Song" startet mit der grandiosen Zeile "I had a dream / David Bowie taught us how to skateboard / But he was shaped like Gumby."
Mit "Dead Petz" stößt Miley Cyrus ihre Fans und Hater gleichermaßen vor den Kopf. Trotz des auf neunzig Minuten üblichen Füllmaterials gehört ihr fünftes Album zum Spannendsten, was eine Pop-Sängerin in diesem Jahrzehnt vollbracht hat. Die Marionette hat sich ihrer Fäden endgültig entledigt. Man muss sie nun nicht zwangsweise mögen, ihre Konsequenz nötigt aber Respekt ab. Wer sie jetzt noch unterschätzt, ist selbst daran schuld.
47 Kommentare mit 85 Antworten
Ungehört 5/5, weil sie am Wochenende ihre kleinen Titten gezeigt hat.
manchmal bin ich diesen sexistischen scheißdreck so wahnsinnig leid.
Bist du dann nicht von vornherein dem falschen Genre zugeteilt?
sag mir mal ein genre, wo es keine öööööööööööiiiiiiii-tittööööööööön-heinis gibt. ich nehm das sofort.
Black, Doom und Death Metal....weibliche Mitglieder halten sich in Grenzen
Hey, immerhin hab ich ihr 5 Punkte gegeben. Das entschuldigt Alles!
Und sie sind nunmal klein, was soll ich denn sonst sagen, Du Emanze?
Klein und knackig, aaaarrrrrr. Da geht mir einer Flitz, du!
Hi-NRG! (eher was für die Schwulen)
@Dani, Freejazz und Delta Blues sind vielleicht genau dein Ding.
@freddy:
Ich hab' gerade ein paar Schallplatten und CDs von christlichen Liedermachern reinbekommen - die würden sich über ein bißchen mehr Wahrnehmung im Internet sicherlich freuen ...
Gruß
Skywise
Dieser Kommentar wurde vor 9 Jahren durch den Autor entfernt.
Ich habe sowieso das Gefühl, dass sich einige hier als vulgäre Provokateure im Kampf gegen den vermeintlichen Mainstream sehen.
Da sich hier, aber meist niemand provozieren lässt, sondern sich eher einige zu jeder Rumpöbelei gegenseitig zujubeln hat das ganze mehr etwas von "Männerrechtsvereinen", oder von Pausenhof in der Mittelstufe.
Ziemlich peinlich eigentlich.
Der eigentliche Sexismus in unserem Land ist ja, dass Frauen nix zu gucken haben. Wohin man guckt Vollbärte und Bierbäuche.
Bei männlichen Musikern "geht es doch um die Musik, herrgott!!!" Und Schauspieler sind meist sogenannte "Charakterköpfe". Craze ist bestimmt auch ein Charakterkopf.
na, dann 1/5
Sven, du rüttelst gewaltig an der Ohrfeigenpalme. Nicht mal ironisch ist hier mehr als 1/5 drin.
Seit seinem Kommentar zur Culcha-Rezi glaube ich, dass er entweder eine Gehirnwäsche verpasst bekam oder so dermaßen von Mateo und seiner Sippe eingeschüchtert wurde (Fler-Style), dass er zur Untersteichung seines "Sinneswandels" einfach was Positives zur Miley-Platte schreiben musste :-/
Ich hab schon länger den Eindruck, dass er Miley gar nicht mal so beschissen findet. Und das bereitet mir Sorgen, weil unsere musikalische Schnittmenge ansonsten auffällig groß ist. Er hat mein ewiges #1 Shoegaze-Album rezensiert, fast wären wir zusammen auf eins der Reunionkonzerte von Ride gegangen (hat letztlich auch allein mein Leben bereichert). Ich weiß einfach nicht mehr, woran ich glauben soll. Ist Miley vielleicht doch toll? Oder hatte Baude gar recht und Loveless ist maßlos überschätzt?
Vielleicht muss ich ihm mal den Spielerkader des 1. FC Köln von 1997/98 vorbeischicken. Das war die erste Abstiegssaison, entsprechend wütend sind die Jungs noch heute.
Du bist halt auch ein Genrfremdi.
Gib wenigstens zu, dass ich nach Cyclonos dein Lieblingsgenrefremdi bin.
glaub ja eher, dass der sven frisch verliebt ist.da macht man(n) halt schon mal den ein oder anderen unsinn, der einem bei klarem verstand nicht in den sinn käme.
würde auch erklären, warum er die cc nicht machen durfte.
Du bist mir sogar lieber als Cyclonos, weil er ein Oesse ist und ich Oessen nicht mag.
Ich verstehe einfach eure Aufregung nicht. Ich glaube einfach, dass viele, die Miley Cyrus immernoch beschissen finden, nicht verstehen, was hier passiert und wie Pop Kultur funktioniert. Ja man muss nicht alles gut finden aber diese latente Ablehnung gegenüber die Art Pop Kultur, wie sie Miley Cyrus inszeniert, spricht übertrieben ausgedrückt aus einer konservativen Seele, die irgendwie noch in den 90ern festgehangen ist und sich neue Phänomene, beispielsweise Billie Eilish nicht recht erklären kann. Diese Ablehnung geht ja zum Teil soweit, dass die Leute an an Antifeministische Verschwörungstheorien glauben und jeder Frau im Pop Biz, die sich selbstbewusster als KKK (Kinder Kirche Küche) vorwerfen die Gesellschaft mit okkulten Tricks auf hinterlistige Art und Weise spalten zu wollen. Ich habe leider selbst so einen Rechtsesoteriker in der Familie.
Habe ich hier gerade eine Trollrezi gelesen oder ist das tatsächlich so gemeint ? Kann mich noch nicht so richtig entscheiden....
ich kann's einfach immer noch nicht glauben, dass ihr 4 sterne gegeben habt. das KANN eigentlich wirklich nicht sein
Zufällig bei yt auf dooo it geklickt. Fuck.."Yeah, I smoke pot / yeah, I love peace / but I don't give a fuck / I ain't no hippie"
Wahrscheinlich war das vierte Bier schlecht oder das Liberty Haze hat ungewünschte Nebenwirkungen, anders kann ich mir das jetzt nicht schön reden
Zufällig....ja ok, habe das Cover gesehen und habe drauf geklickt
prostmann
Prostman, hat nur eine Aufgabe! Er sagt: Prost!
Ihm wird geraten mal AndroIRC zu probieren, dann könnte er wieder öfter prosten
Prostauchhier
Prost, ja ich weiß...mein Handy hat kein Prost verdient, drecks Teil (Windows phone..keine Ahnung was mich damals kontrolliert hat)! Ändert sich bald und dann wird der Prostman wieder Prosten!
Und natürlich ein prostiges Prost @ corvo...sollte klar sein...
PROST auch vom alten Bolzi!
Es ist ja letztendlich ähnlich wie beim Phänomen Billie Eilish. Miley Cyrus stellt etwas in allerletzter Konsequenz da, was in die Zeit passt und das auch noch authentisch. Wenn man es versteht empfindet man tiefes Mitgefühl.