laut.de-Kritik

Rohe Fleischknochen und Seefahrerschwermut auf zwei CDs.

Review von

Moonspell sind eine herausragende Band. Darin sind sich fast alle einig, die nicht Van Goghs Ohren für Musik haben. Ihre stilistische Vielseitigkeit von Gothic über Metal bis hin zu Elektropop-Elementen sorgt dagegen stets für Gemecker und Stirnrunzeln, selbst in Fankreisen. Umso erfreulicher, dass die neue Veröffentlichung "Alpha Noir/Omega White" solche Befindlichkeiten lässig atomisiert. Die Lösung: Zwei Platten!

"Alpha Noir" ist ein brutal roher Fleischknochen. Metal pur. So hart und derb wie allerhöchstens in fernen Zeiten der ersten Mini-LP anno 1994. Sogar der smarte Black Goth-Monolith "Night Eternal" von 2008 klingt in Produktion nebst Sound vergleichsweise fast wie ein zugängliches Kommerzalbum.

Jegliche bekannten Klangfarben aus dem Moonspell-Kosmos wurden eliminiert, es gibt keine weiblichen Backing Vocals und Fernando Ribeiro verzichtet komplett auf den angestammten "Opium"-Bariton. Sein angegrowlter Werwolfgesang passt sich – nicht nur bei "Lickanthrope" – perfekt den neuen Thrash-Elementen an. So frisch und innovativ wie auf "Versus" wären die Oldies Metallica/Megadeth und viele moderne Epigonen in ihrem Stammgenre wohl gerne. Die angemessene Dunkelheit, bei Moonspell ganz natürlich vorhanden, verleiht der Stilrichtung eine selten gehörte klangliche Anmut.

Zu Beginn schluckt man die ungewohnt schroffe Nacktheit der Songs nicht ganz so leicht. Doch selbst Hörer, die normalerweise eine Vorliebe für sanftere Klänge hegen, könnten hier auf ihre Metal-Kosten kommen. Der große Trumpf des Quintetts liegt seit jeher in ihrem Songwriting-Anspruch. "En Nome Do Medo", "Axis Mundi" oder das famose Titelstück haben bei aller Veränderung noch immer einen erstaunlich musikstrukturellen Wiedererkennungswert.

Auf "Omega White" folgt hernach die Versöhnung mit den Freunden der gothisch-psychedelischen Moonspell-Seite. Ein Album wie aus fernen Zeiten der heiligen Gothmetal-Dreifaltigkeit "Wildhoney", "Bloody Kisses" und "Irreligious". Die acht Lieder profitieren ihrerseits von der songwriterischen Lässigkeit der gereifteren Band. Produktion und Sound sind deutlich vielschichtiger geraten als damals. Sogar die gelegentlich eingestreuten Female Vocals à la Patricia Morrison (Sisters) dürfen nicht fehlen. Ribeiro lässt stimmlich einmal mehr den Schwermut des Fado durchschimmern.

All killer, no filler: Die Fans der eingängigen Rocker werden mit "White Skies" oder "Herdisiac" ihren Spaß haben. "Incantatrix" ist ein psychedelisches Biotop Floydscher Prägung. Mit dem noblen "A Greater Darkness" setzen sie dem majestätischen Zyklus die verdiente Krone auf: Ein siebenminütiger Hypnosestrudel voll gothischer Seefahrerschwermut. Bester Song seit jeher?

Hier bleibt keiner mit der eigenen Vorliebe im Regen stehen. Die Harten kommen mit der Alphascheibe in den Garten. Die Goths erhaltn ihr weißes (!) Necronomicon.

Trackliste

  1. 1. Axis Mundi
  2. 2. Lickanthrope
  3. 3. Versus
  4. 4. Alpha Noir
  5. 5. Em Nome Do Medo
  6. 6. Opera Carne
  7. 7. Love Is Blasphemy
  8. 8. Grandstand
  9. 9. Sine Missione
  10. 10. Whiteomega
  11. 11. White Skies
  12. 12. Fireseason
  13. 13. New Tears Eve
  14. 14. Herodisiac
  15. 15. Incantatrix
  16. 16. Sacrificial
  17. 17. A Greater Darkness

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