laut.de-Kritik

In der Ruhe liegt die Kraft.

Review von

Dass Sängerin Skye im Odysseus'schen Sinne verführerisch timbriert, garantierte auf Morcheeba-Alben stets ein Mindestmaß an Unterhaltsamkeit. Die neunte CD "Blackest Blue" schüttelt aber, über Skyes Seduktionskunst hinaus, noch weitere Asse aus dem Ärmel. Schiebende Beats im Opener "Cut My Heart Out", super-süße Melodien, die sofort ins Ohr gehen (z.B. "Falling Skies") und der versunkene Vortrag voll meditativer Majestätik in "Say It's Over" ergeben quasi ein Extrakt aller bisher bewiesenen Morcheeba-Qualitäten. "Sulphur Soul" ("Schwefelseele") weckt schnell und direkt Sympathie und Interesse, als waberndes Drum'n'Bass-Instrumental mit viel Charisma. Auch Dub-Kompetenz belegen Morcheeba 2021, mit Loop-Gezwitscher und Understatement im trickreich aufgebauten "Killed Our Love".

In "Falling Skies" packen die Indie-Elektroniker cinematoskopisches Pathos aus. Als dessen Gegenpol lassen sie dann leichtfüßig bounzende Electro-Vibes mit Bass-Erdung aufploppen ("Sounds Of Blue"). Selbstverständlich gehören zur Marke Morcheeba wieder gegen den Strich gebürstete Blue Notes ("Oh Oh Yeah") und ein bisschen Anspielung auf Hinduismus und Yoga ("Namaste"). Die Lieder nehmen sich Zeit, umgehen zugleich potenzielle Leerläufe und halten durchweg eine fantastisch gestrickte innere Spannung.

Es gilt das "Big Calm"-Prinzip des britischen Duos: In der Ruhe und Gelassenheit liegt die Kraft. Alle zehn Stücke platzen fast, vor lauten guten Momenten zum Bersten vollgepackt. Die gesamte Abhandlung "Blackest Blue" wirkt somit gut abgehangen und konzeptuell geschlossen, als schönes in sich rundes, harmonisches, stimmiges Album, das doch so viele Trademarks enthält, wie der Trip Hop als Genre sie je hatte. Die Pop-Phase von Morcheeba scheint vorbei zu sein.

Einzig: Die wirklich zu Herzen gehende Schwermut der ersten beiden Platten schlagen die Sound-Perfektionisten hier selten ein. Zum Milestone fehlt mancher überspringende Funke, das Mysterium. Nur zwei Mal blitzt da das Gründungs-Feeling von Morcheeba wieder auf, in den beiden aufeinander folgenden Tracks "Namaste" und "The Moon".

Viele Gesangsaufnahmen im Electro-Segment entstehen ja so, dass die Sängerin ihre Spur einsingt, ohne das gesamte Mastering zu hören. Dadurch wirken bei vielen Trip Hop-Produktionen, in denen zahlreiche Gast-Vokalist*innen vorkommen, die Gesänge nur drauf kopiert. Skye hingegen entwickelt die Songs als Ko-Autorin mit und denkt die Arrangements selbst mit. Dem Charakter der Aufnahmen tut das außerordentlich gut. Beispiel: Ihre charismatische Lead-Stimme federt etwa in "The Moon" so auf den pluckernden Beats und scheint von ihnen empor geworfen zu werden, wie ein*e Astronaut*in über den Mond hüpft. Hier herrscht also wirklich "The Moon"-Feeling und eine plastische, Raum füllende und atmosphärische Musik. Die gesammelten Sound-Zutaten bewegen sich dynamisch mit- und gegeneinander.

Ganz sicher steckt hier mehr Offbeat-Authentizität und klangliche Finesse drin, als etwa beim (sehr netten) letztjährigen Release der Groove Armada, und im Unterschied zu Trickys aktuellem Longplayer glitzern hier viel, viel mehr verschiedene Klangfarben und bunte Farbkleckser auf. Wo Tricky sich gar eine Cellistin einbestellte, setzen Skye und Ross auf ihre bewährten Moogs, Rhodes und Wurlitzers als tragende Grundierung. Echtes Schlagzeug und physischen Bass behalten sie ebenfalls bei. Alles in allem großes Tischtennis! Sämtliche 2604 Sekunden taugen als Anspieltipp(s).

Trackliste

  1. 1. Cut My Heart Out
  2. 2. Killed Our Love
  3. 3. Sounds Of Blue
  4. 4. Say It's Over
  5. 5. Sulphur Soul
  6. 6. Oh Oh Yeah
  7. 7. Namaste
  8. 8. The Moon
  9. 9. Falling Skies
  10. 10. The Edge Of The World

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LAUT.DE-PORTRÄT Morcheeba

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4 Kommentare mit 34 Antworten

  • Vor 3 Jahren

    Gespannte Vorfreude, auch wenn das außer Lauti niemand teilen wird :P Smoothe Sommermusik

  • Vor 3 Jahren

    Tolles Album; die Rezension wäre ohne die albernen Gendersternchen nicht nur lesbarer, man würde sie auch ernster nehmen.

    • Vor 3 Jahren

      Aber jemanden, der Schwierigkeiten hat, einen Text mit ein paar Gendersternchen zu lesen, soll man ernst nehmen oder wie? Merkste selber, oder? Naja, wahrscheinlich nicht. Immerhin tadelloser Musikgeschmack.

    • Vor 3 Jahren

      Oh, keine Sorge, ich komme mit den ** schon klar, da bin ich ganz andere Texte gewohnt. Trotzdem bleibe ich dabei: sieht sch… aus und bringt keinen in irgendeiner Hinsicht auch nur einen Zentimeter weiter.

    • Vor 3 Jahren

      "da bin ich ganz andere Texte gewohnt"

      Welche sind denn da außer "Post von Wagner" noch so dabei?

    • Vor 3 Jahren

      Sagen wir so: Texte von Zeitgenossen, die sich weder um Rechtschreibung noch um Grammatik scheren und von Groß- und Kleinschreibung allenfalls mal etwas gehört haben.

    • Vor 3 Jahren

      gymnasiallehrer?

    • Vor 3 Jahren

      Und schreibst Du das jetzt unter jeden gegenderten Text? Chapeau, das ist natürlich ein echt tolles Hobby!
      Und: bestimmt hören die dann wieder auf damit.

    • Vor 3 Jahren

      @Derwatt: Danke, hab mir bereits gedacht, dass so in etwa die Lektüre deiner Wahl ausschauen könnte.

      Also, um die wichtigsten Punkte dieser Diskussion nochmal zusammenzutragen:

      - Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass jemand, der auf einer Online-Musikplattform unter einer Rezension seinem Unmut über das Gendersternchen Ausdruck verleiht, ein weißer, privilegierter Cis-Hetero-Pimmelträger ist.
      - Wir haben es hier mit einem Exemplar der oben beschriebenen Sorte zu tun, das sich vornehmlich an den Ergüssen des Franz-Josef Wagner sowie an Texten mit mangelhafter Grammatik und Rechtschreibung labt und dieser jemand glaubt für sich das Urteilsvermögen darüber, was "keinen (...) auch nur einen Zentimeter" vorantreibt oder welcher Schreibstil von der Allgemeinheit nicht ernstgenommen wird, beanspruchen zu können?

    • Vor 3 Jahren

      Ganz schön viel Gejammer für ein bisschen Kritik am geliebten Gendersternchen, oder? Und natürlich bin ich privilegiert, jedenfalls gegenüber allen, die die Sache mit dem generischen Maskulin nicht kapiert haben - und das ist auch gut so.

    • Vor 3 Jahren

      "Ganz schön viel Gejammer für ein bisschen Kritik am geliebten Gendersternchen, oder?"

      Ziemlich albernes Statement von jemandem, der ganz schön viel Gejammer ablässt, weil er ein Gendersternchen lesen musste.

      "Und natürlich bin ich privilegiert, jedenfalls gegenüber allen, die die Sache mit dem generischen Maskulin nicht kapiert haben - und das ist auch gut so."

      Entweder bist du relativ ignorant und/oder du stellst die Position der Gendersternbefürworter bewusst falsch dar. So oder so ist das ein ziemliches Armutszeugnis. Warum sollte sich denn irgendjemand um deine Meinung scheren, wenn es dir anscheinend sowieso nicht um einen respektvollen bzw. fairen Diskurs geht?

    • Vor 3 Jahren

      was ist denn DIE position der gendersternbefürworter?

    • Vor 3 Jahren

      was wenn gendersternchen und binnen-i am ende nur sprachliche feigenblätter sind, die wirkliche veränderung ausbremsen?

    • Vor 3 Jahren

      Naja, die Position ist halt nicht, dass nicht geblickt wird, welche Funktion das generische Maskulinum in der deutschen Sprache einnehmen soll, sondern einfach, dass es für eine beschissene/problematische Umsetzung dieser Funktion gehalten wird.

      "was wenn gendersternchen und binnen-i am ende nur sprachliche feigenblätter sind, die wirkliche veränderung ausbremsen?"

      Und was wenn nicht? Darfst das gerne auch begründen.

    • Vor 3 Jahren

      Die Frage ist dann natürlich, warum es eine beschissene/problematische Umsetzung seiner Funktion ist? Meiner Auffassung nach ist es das für viele, weil es von seinem Wesen her "ausschließend" ist. Das ist Sprache aber generell in ihrem Wesen, denn wenn ich etwas bezeichne, grenze ich es von anderem ab. Ich möchte, was die Wertung dieser Umsetzung angeht, auch gar nicht strickt gegenargumentieren. Ich denke zwar nicht, dass es jemals eine "gerechte" Sprache geben kann, aber wenn diese Praxis zu positiver Veränderung führt, möchte ich dem sicher nicht im Wege stehen. Ich persönlich finde allerdings, dass das generische Maskulin im Deutschen eine ziemlich stabile sprachliche Form ist, die man nicht ohne gute Gründe opfern sollte. Dieser Eindruck verstärkt sich regelmäßig bei der praktischen Anwendung der gendergerechten Sprache, denn ich probiere mich tatsächlich darin aus. Die größten Probleme macht mir dabei die "Gender-Pause". Diese Pause verursacht mir wirklich innerlich Schmerzen, es stört massiv meinen Denk- und Redefluss in einer Konversation und bisher sehe ich keinen Trainingseffekt.
      Ich bin natürlich kein Sprachwissenschaftler, vielleicht sind meine Bedenken grundlos und meine Schwierigkeiten nur individueller Natur, dann kann man mir das gern aufzeigen. Generell habe ich die Haltung, dass es doch jeder so machen soll, wie er will. Ich komme aber immer mehr zu dem Eindruck, dass es naiv ist zu glauben, dass das Ziel ist.

      [Ich habe jetzt bewusst die Groß- und Kleinschreibung versucht umzusetzen, um mich nicht noch angreifbarer zu machen. :)]

    • Vor 3 Jahren

      Ich würde eigentlich gern noch was zu den möglichen Thesen und Theorien, Signifikanten und co, schreiben, muss aber gleich auf Arbeit. Aber soviel noch dazu... Ich habe den Eindruck, dass eine umfassende (poststrukturalistische) These des Genderns ist: "Sprache bildet nicht nur Wirklichkeit ab, sie schafft auch Wirklichkeit". Ich teile diese These auch, allerdings nicht in dem Absolutheitsanspruch, der meiner Wahrnehmung nach beim Gendern meist mit ihr verbunden wird.

    • Vor 3 Jahren

      Zu den Feigenblättern schreibe ich noch was, später.

    • Vor 3 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 3 Jahren

      Dieser Kommentar wurde vor 3 Jahren durch den Autor entfernt.

    • Vor 3 Jahren

      "Die Frage ist dann natürlich, warum es eine beschissene/problematische Umsetzung seiner Funktion ist? Meiner Auffassung nach ist es das für viele, weil es von seinem Wesen her "ausschließend" ist. Das ist Sprache aber generell in ihrem Wesen, denn wenn ich etwas bezeichne, grenze ich es von anderem ab."

      Es ist problematisch weil das Maskulinum in der deutschen Sprache halt doppelt besetzt ist: einmal als Bezeichnung für männliche Personen und als generische halt. Das ist sprachlich zumindest unscharf, aber halt auch aus mehreren Gründen unglücklich. Weil es zum Beispiel den Eindruck erwecken kann, die männliche Bezeichnung wäre der Standard, dass nicht-männliche Gruppenmitglieder in der Gruppenbestimmung unter den Tisch fallen etc. Den Eindruck muss man natürlich nicht teilen, aber es lässt sich wohl schwer abstreiten, dass die begriffliche Dopplung solche Assoziationen zumindest möglich macht und das sie linguistisch genau wie das französische "homme", englische "man" als Allgemeinbezeichnungen nun einmal auch tatächlich aus einem Männer über nicht-Männer stellenden Weltbild entwachsen ist.

      Wüsste jetzt nicht inwiefern der Genderstern ähnlich ausschließend wäre. Natürlich funktioniert Sprache nur durch Abgrenzung. Aber manche Abgrenzungen bilden die Welt halt etwas besser/trennschärfer ab als andere, auch wenn sie nie perfekt sein werden.

      "Ich persönlich finde allerdings, dass das generische Maskulin im Deutschen eine ziemlich stabile sprachliche Form ist, die man nicht ohne gute Gründe opfern sollte."

      Kann ich durchaus teilen den Eindruck. Vielleicht ist dir auch aufgefallen, dass ich sowohl in diesem Fred als auch allgemein gewohnheitsmäßig meist auch das generische Maskulinum benutze. Finde die Umsetzung mit dem Genderstern auch alles andere als gelungen und wollte mir eigentlich mal ein alternatives System mit dedizierten Endungen aneignen, habe aber leider den Link dazu verballert. ^^

    • Vor 3 Jahren

      "Weil es zum Beispiel den Eindruck erwecken kann, die männliche Bezeichnung wäre der Standard, dass nicht-männliche Gruppenmitglieder in der Gruppenbestimmung unter den Tisch fallen etc."

      Ich würde das vor allem eher im beruflichen Kontext sehen mit den Assoziationen, zb. Arzt oder Richter. Dass hier durchaus der Eindruck erweckt wird, nur ein Mann könne mit "Ruhe" und "Verstand" eine Lösung im Sinne der Gemeinschaft herbeiführen und man müsse ihn erst dazu aufsuchen.

      In den Personenbezeichnungen, zb. "Autofahrer", "Fußgänger", "Fußballer" oder "Musiker" - alles Dinge, die auf ein Stadt- oder Alltagsbild verweisen, finde ich, dass dem Maskulinum hier eher eine Schlichtheit zugewiesen wird. Dies kann ja auch bedeuten, dass bspw. Frauen hier dann einfach dazugehören so wie jeder andere(!) halt einfach auch. Hier ist für mich die Assoziation mit *in eher wieder eine mittelalterliche Rückführung a la "die hat halt ein Kleid und sieht hübscher aus im Stadtbild daher *in".

      Vielleicht wäre es eine Idee das *in eher in problematischen Kernbereichen anzuwenden, die gesellschaftliche Akzeptanz im Hinblick auf Macht aufweisen ("Arzt", "Richter"; "Anwalt"; "Lehrer").

      Aber isch woass es nit.

  • Vor 3 Jahren

    Ist mir auf den ersten Eindruck leider deutlich zu düster und kommt somit etwas zu spät. Hätte in den Corona Winter gepasst.

  • Vor 3 Jahren

    The times are changing ... die Musik von Morcheeba war mal gut .. sorry