laut.de-Kritik
Der Prog-Papst und seine Apostel.
Review von Yan TemminghoffSeit nunmehr 30 Jahren pflügt Neal Morse mit Siebenmeilenstiefeln über die Achttausender der Prog-Historie und sendet in regelmäßigen Abständen in unterschiedlichen Inkarnationen und Konstellationen eigene Gipfelgrüße an die Anhängerschar. Ob mit Spock's Beard, Transatlantic, Solo oder den Buddies der Neal Morse Band, stets ist die Handschrift des christlich geprägten Zeremonienmeisters erkennbar. Die Ergebnisse gelangen in der jüngeren Vergangenheit dabei mal großartig ("The Absolute Universe"), mal so lala ("Sola Gratia").
Da Mike Portnoy wieder bei Dream Theater die Felle gerbt, schart Morse eine neue Truppe um sich und schießt als The Resonance das Debüt "No Hill For A Climber" in den Orbit. Die Mischung aus kurzen Stücken und Endlos-Epen erinnert an Transatlantic-Alben wie "SMPTe", "Bridge Across Forever" und "Kaleidoscope" oder Spock's Beard "V" und stellt eine Abkehr von den Musical-geprägten Ausflügen dar ("Jesus Christ The Exorcist", "The Dreamer - Joseph: Part One"). Auch die Experimentiertfreude der musikalischen Alphatier-Ansammlung um Portnoy, Stolt und Trewavas färbt auf Meister Morse und seine vier Jungspunde ab.
Die Klammer für das Album bildet für den Prog-Papst und seine Apostel die Klassik. Eine Orchestersuite leitet den Opener "Eternity In Your Eyes" ein, ein Streichquartett, das die Leitthematik des Titelsongs aufgreift, führt aus der Platte wieder hinaus. Beide Longtracks bieten ein Füllhorn an Ideen und Genres.
"Eternity In Your Eyes" steuert seinen wiederkehrenden Refrain in unterschiedlichen dynamischen Schattierungen an. "Close To The Edge" lässt grüßen. Das halbstündige "No Hill For A Climber" fährt hingegen - ähnlich der Nummern-Oper "Supper's Ready" - Ideen-Achterbahn und verbindet Sounds, Songs und Strukturen zu einem großen Ganzen, verzichtet ebenfalls nicht auf eine markante Melodie, die nah an den AOR-Hymnen der Achtziger gebaut ist.
Die Ballade "Ever Interceding" ist ein ungebrochen hoffnungsvoller Yes-Moment, in dem Sänger Johnny Bisaha nah in Jon Andersons Helium-Vocal-Sphären tirilliert. "All The Rage" besticht mit simplen wie effektiven Single Note-Riffs, die eher der eruptiven Explosion des Metals Anfang der Achtziger entstammen als dem geschliffenen Stil des Progressiv Metals.
Der spannendste Song hört auf den Namen "Thief" und gräbt sich tief in die Hirnwindungen ein. Dieser wendungsreiche Track verbindet die expressionistischen Exkurse von King Crimson - ein krachiges Saxophon inklusive - mit den psychedelischen Parts von Pink Floyd und hat nach sechs Minuten Sendepause. Der frische Bandkontext tut der Musik gut, die Detaildichte ist erfrischend hoch, auch wenn Kritiker bereits lautstark 'Morse of the same' skandieren.
2 Kommentare
Find ich gut. Der erste Longtrack macht Spass, und gerade der hört sich ehrlich an wie ein Leftover von Spocks Beard V, mit Elementen der Alben davor (Day For Night, Beware of Darkness).
Als ich das blind gehört habe, dachte ich erst echt, er hätte sich wieder mit den Spocks Beard Leuten vereinigt.
War dann aber so, dass er einige Dudes aus der Nachbarschaft genommen hat zum musizieren. Die sind nicht gerade schlecht an den Instrumenten, muss man sagen.
Die Channeln jetzt ziemlich den früheren Spocks Beard Sound. Kann man natürlich auch kritisch sehen, aber mir hats gefallen.
Hab das oben geschrieben bevor ich die Kritik gelesen habe. Stimme mit der Kritik weitgehend überein. Thief finde ich nicht so super, aber.
Was ist übrigens mit dem Cover? Sieht so aus wie ein stilisierter Totenkopf, wenn man sich vorstellt, man würde von oben auf diese seltsame Insel drauf schauen, oder soll es was anderes darstellen? Die Form ist sicher nicht zufällig gewählt.