laut.de-Kritik
Gutes Album mit zu vielen Selbstzitaten und einem Nachgeschmack.
Review von Franz MauererStreng genommen stimmt das mit dem Namen hier nicht, aber allein schon aus Katalogisierungsgründen bleiben wir bei Young, Neil. "Talkin To The Trees" ist formell das Debütalbum von Neil Young & The Chrome Hearts. Die Chrome Hearts, das sind Spooner Oldham ((Hammond-) Orgel/ Keyboard), Micah Nelson (Gitarre), Corey McCormick (Bass) und Anthony LoGerfo (Drums). Illustre Namen also mit massig Erfahrung, zumal sie außer Spooner schon Mitglieder von Promise Of The Real waren. Spooner könnte man gar durchaus als Legende bezeichnen, der schon seit "Comes A Time" immer wieder mit Young zusammenarbeitete.
Der Sound von "Talkin To The Trees" passt dazu, denn es sind die meisten klassischen Young-Stile vertreten. Young selbst passt nicht immer dazu. Wo die Chromherzen nur songdienlich und kompetent auftreten, schafft Young interessante Momente, wenn er einem die nostalgische Steppdecke von "Family Time" so beiläufig und archaisch gespielt umwirft, dass einem wohlig werden muss. Denn das alte Americana-Ding fühlt sich beim 48. Studioalbum nicht nur so an, wie man es im Kopf hatte - es ist tatsächlich so kuschelig und gut.
Die zunehmend knarzige Stimme des Meisters unterstreicht diesen Eindruck ebenso wie die von Lou Adler und Young verantwortete unmittelbare, rohe Produktion. "Dark Mirage" handelt recht offensichtlich von Konflikten mit seiner Tochter, und seinen Schmerz über die Enkelkinder nimmt man Young ab. Der Blues-Rocker beginnt exzellent, düster-metallisch und errichtet eine Fallhöhe, die er im zu langen weiteren Verlauf leider nicht ganz einlöst, obwohl sich gerade Nelson alle Mühe gibt.
"First Fire Of Winter" legt nach mit ruhigem, sehnsuchtsvollem Country und damit schon der dritten Spielart Youngschen Schaffens. Die leicht gruselige Nummer lebt auch von Youngs exzellentem Test voller Dräuen:
"There's always been a lion
Lurking there in the trees
But he knows where you're going
And he sees what he sees"
Hier passt wirklich sehr viel zusammen, das tighte Spiel der Truppe schafft eine sehr kohärente Atmosphäre. Der Titeltrack steht dem kaum nach, zurückgelehnt schwebt der Countrytrack samt Dylanhommage tieftraurig vorbei: "Crying of life, thinking about that old song". Simpel, klar, aber halt auch wunderschön.
Doch viele Stellen des Albums sind musikalische und textliche Selbstzitate, die sich in die lockere, spontane Atmosphäre des Albums nicht recht einfügen. "Silver Eagle" lehnt sich an Guthries "This Land Is Your Land" an, garniert das mit ein wenig Heimattümelei anhand des schwachen Sprachbilds von Youngs Tourbus. Die Single "Lets Roll Again" [sic!] ist gar ein richtiger Schmarren, ein lahmarschiger Rocker, der sich nach verkrampftem zwölften Take anhört und eben nicht nach intuitiver Nummer. Ein wenig Tesla-Schelte nimmt jeder gerne, aber die Ansagen an die anderen Autobauer und das simple Beschwören einer doch so greifbar besseren Welt ist ebenso Erstwelt-abgehoben wie sprachlich infantil.
Es folgt das fast ebenso schwache "Big Change", im Original als einziger Songtitel kleingeschrieben, höhö. Ein ausgreifender Rocker mit besonders wenig druckvollem Refrain, der nicht mal das Kalenderblatt wechseln könnte. "Movin Ahead" ist ein null überzeugendes Blues-Gegroove ohne Rockschneidigkeit, wie es Young leider immer wieder in sein Werk einstreut und mit dem er überhaupt nicht zurechtkommt – nicht als Sänger, nicht als Songwriter, nicht als Bandchef. Alles ist irgendwo, aber statt gefährlichem Chaos gibt es schwaches Durcheinander.
"Bottle Of Love" greift ein wenig zu tief in die Schmalzkiste; der Text könnte von einer idealisierten, jüngeren Form der Tochter handeln, das bleibt unklar und gut. Nur setzt sich LoGerfo in der Produktion zu wenig durch, um dem Ganzen klarere Kontur zu geben. Ist live vielleicht besser. "Thankful" ist eine schrecklich altersmilde Hymne, die kaum verdeckt, dass er vor allem sich selbst und seiner Lebensleistung dankbar ist und nicht dem Universum oder anderen. Da kommt der alte Unsympath Young durch, der sowas gar nicht nötig hätte, als Gott unter den Lebenden. Musikalisch konstruiert schmachtend ist das aalglatte Ding dann auch noch und beendet ein gutes Album mit sehr guten und einigen schwachen Stellen mit Nachgeschmack.
5 Kommentare mit 2 Antworten
"Lets Roll Again" ist wirklich eine Vollkatastrophe, ansonsten solides Ding.
der Text zeigt genau die naive Denke von Neil; siehe das Lied zum Irak Krieg. Let it roll.
Leider Kernschrott. Nur "Life" und "Landing on Water" sind noch mieser.
Es ging wohl mehr im die Inhalte der Texte als um die Musik. Blendet die Rezi leider aus, schade. Man sollte Young als Songwriter nicht abschreiben, es kann immer ein neues Ramada Inn auf jedem neuen Album sein. Und it's all one song.
Puh. So gerne ich ihn mir früher angehört habe, so schwer fällt es mir heute. Klar hat er schon damals nicht gut gesunden, aber dieser Stimmruine heute zuzuhören, ist wirklich nicht leicht. Die Songs gleichen sich der Stimme zudem zunehmend an. Dass er dazwischen auch noch Alben mit alten Aufnahmen heraus bringt, verdeutlicht das alles nur noch einmal.
stimme zu.
sowas von mau das ganze Gewürge auf dem Album. Wie kommt man da auf 3 Sterne?