laut.de-Kritik

Die Boss-Barbie im Synthie-Hades.

Review von

"I Am Your Leader". Der Einstieg in Nicki Minajs zweites Album lässt an ihrem Herrschaftsanspruch nicht den leisesten Zweifel aufkommen. Sobald diese Frau zu rappen anhebt, gehört ihr nicht nur die "HOV Lane", dann reserviert sie sich per Vollsperrung gleich den ganzen Highway. In beide Richtungen.

Vor der herrlich überspannten Attitüde, mit der die Boss-Barbie ihr harsches Silbenstakkato unters Volk feuert, kann man nur halb amüsiert, halb ehrfürchtig auf die Knie sinken. "You're not a believer - suck a big dick."

Schon nach dem vierminütigen Eröffnungstrack weiß man kaum noch, wo einem der Kopf steht. Zwischen Hall und Percussion rotzt Nicki Minaj ihre Strophen, flankiert von großen Aufmärschen. Der Beat kippt aus alptraumhaftem Wahn ins Hymnisch-Sakrale und zurück.

Für die empfohlene kleine Pause bleibt allerdings keine Zeit: "Come On A Cone" landet gleich die nächste Salve aufs Trommelfell. "Every bitch want to be me" - das stimmt vermutlich. Nickis sich zusehends steigernde Verrücktheit dürfte allerdings schwer zu kopieren und unmöglich zu erreichen sein.

Im Folgenden steckt Madame Minaj im Vorübergehen Rick Ross, 2 Chainz und Cam'ron in den Sack und findet erst in Lil Wayne, der in "Roman Reloaded" einen grandios abgedrehten Part hinlegt, ein an Wahnsinn ebenbürtiges Gegenüber: "Two hoes in the bed, tell them hoes slide over / Excuse my French, two bitches and moi / That a Nicki Minaj à trois, ha!"

Echolot-Pings ploppen durch "Beet In The Trap", darunter brummelt und grummelt es. In "I Am Your Leader" grüßen hallende Bässe aus dem dreckigsten Süden. Durchladen, abdrücken - und dann verfolgen einen in "Roman Reloaded" auch schon die Killerbienen, oder doch zumindest ihr insektoides Schwirren.

Durchatmen ist erst angesagt, wenn Nicki Minaj mit Drake, Nas und Young Jeezy für eine echte Ghetto-Ode Kollegen um sich schart, die den Titel "Champion" allesamt in der einen oder anderen Disziplin verdient haben. Letztgenannter klingt, als habe er Stahlwolle zum Frühstück gefressen. Der letzte Bissen muss wohl noch im Hals stecken.

Kann ich die ersten sieben Tracks bitte als EP ausgekoppelt bekommen? In dem Fall würde sich diese Platte auf Dauerrotation drehen. Das Leben ist aber kein Wunschkonzert - ganz offensichtlich nicht. Beim "Sex In The Lounge" muss einer der Beteiligten wohl versehentlich an die Höllenpforte gestoßen sein. Die öffnet sich gleich sperrangelweit.

Erst gibts mit besagtem "Sex In The Lounge" noch eine schnelle Plastik-R'n'B-Nummer mit wahrhaft schauderhafter Hookline. Danach: Willkommen im Synthie-Hades. Junge Junge, ich wähnte die schlimmen 90er eigentlich überstanden. Die Eurodance-Untoten kriechen hier allerdings aus allen Löchern.

Die "Starships" starten in leise jamaikanisch eingefärbtem Strandparty-Umfeld, nehmen aber direkt Kurs auf die Prolldisko. Kinderlied-Zitat und knackiger Rap-Part trösten nur so halb über die Singerei zum Bummsbeat hinweg, den einem auch Cascada hätten andrehen können.

Ähnlich retten in "Pound The Alarm" die Spuren von Drum'n'Bass nicht aus dem Großraum-Tanzschuppen-Inferno. Jeden Moment fürchtet man, dass DJ Bobo die Szenerie betritt. Radschlagend. Rap zum reduzierten Beat in "Whip It" geht klar, sobald Nicki Minaj aber zu singen beginnt, ergreift die Lust schreiend die Flucht.

Die Frau soll rappen, um Himmels Willen. Alles andere wäre so verschwendet, wie die in Schräglage tieffliegenden, schnarrenden Sounds, die durch den stumpfen Stampfbeat von "Automatic" huschen. Singend kommt Nicki über dürftige Qualität nicht hinaus. In "Beautiful Sinner" muss man sich zudem des Eindrucks erwehren, als habe man Rihanna zusammen mit Dr. Alban in einen Go-Go-Tänzer-Käfig gesperrt.

Fürs Mainstream-Radio zimmert J.R. Rotem dann auch noch das Klavier-lastige "Marilyn Monroe" zusammen. Wem da noch nicht die Füße eingeschlafen sind: "Fire Burns" und "Gun Shot" geben den Quanten ihren explosiven Titeln zum Trotz den Rest. "Fire Burns"? Bitte? Da schwelen noch nicht mal muffige alte Socken.

Immerhin wirkt "Stupid Hoe" noch einmal wie ein akustisches Stroboskop. Das Dauerfeuer nervt zwar ein bisschen, weckt einen dafür aber auch wieder auf. Puh, geschafft. Gleich nochmal von vorne - aber diesmal rechtzeitig die Kurve nehmen und alles ab (und vor allem einschließlich) "Sex In The Lounge" ersatzlos überspringen.

Trackliste

  1. 1. Roman Holiday
  2. 2. Come On A Cone
  3. 3. I Am Your Leader feat. Cam'ron & Rick Ross
  4. 4. Beez In The Trap feat. 2 Chainz
  5. 5. HOV Lane
  6. 6. Roman Reloaded feat. Lil Wayne
  7. 7. Champion feat. Nas, Drake & Young Jeezy
  8. 8. Right By My Side feat. Chris Brown
  9. 9. Sex In The Lounge feat. Lil Wayne & Bobby V
  10. 10. Starships
  11. 11. Pound The Alarm
  12. 12. Whip It
  13. 13. Automatic
  14. 14. Beautiful Sinner
  15. 15. Marilyn Monroe
  16. 16. Young Forever
  17. 17. Fire Burns
  18. 18. Gun Shot feat. Beenie Man
  19. 19. Stupid Hoe

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