laut.de-Kritik

Auf dieser Platte regnet es ständig.

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Nils Frahm nutzte die Corona-Pandemie, um in seinen Archiven nach unveröffentlichtem Material zu forschen. Mit "Graz" veröffentlichte er zum diesjährigen Piano Day eine Aufnahme, die er für seine Abschlussarbeit im Haus für Musik und Darstellende Kunst an der Kunstuniversität in der titelgebenden Stadt aufnahm und seit 2009 unter Verschluss hielt.

Nun versammelt er auf "Old Friends New Friends" 23 Klavier-Stücke auf zwei CDs, die in den vergangenen zwölf Jahre entstanden sind. Das Doppelalbum, das auf seinem kürzlich gegründeten Label Leiter erscheint, betrachtet Frahm dabei weder als völlig neues Werk noch als einfache Compilation bestehender Tracks, sondern vielmehr als "Anatomie all" seiner "Arten und Weisen, Musik zu denken und zu spielen".

Den Beginn macht "4:33 (A Tribute To John Cage)". Das Original besteht letzten Endes nur aus Stille. Frahm hingegen setzt auf spärlich platzierte Akkorde, so dass er die Stille zwischen den Tönen sprechen lässt. Ebenso ruhig fällt "Late" aus, das mit intimen Klängen eine spätabendliche Stimmung verbreitet. In "Rain Take" perlt der Regen, und Nils klingt so, als imitiere er dies am Instrument.

Im weiteren Verlauf schält sich in den Melodien eine gewisse fragile Schönheit heraus. Der Grundton bleibt melancholisch. Es regnet ständig auf dieser Platte. Zudem rauschten und knistert es auf dem Werk ständig. Dies führt nach einer Weile zu einem gewissen Sättigungseffekt, der den Vorwurf einiger Kritiker bestätigt, dass er ein "Klassik-Biedermeier" sei, zumal durchaus eine große Nachfrage nach Musik abseits jeglicher Hektik besteht, die sich mit den Attributen "nachdenklich" oder "intim" umreißen lässt. Dabei hatte sich der in Berlin lebende Hamburger auf Platten wie "Felt", "Spaces" oder "All Melody" diesem Vorurteil musikalisch erfolgreich entzogen.

Am besten funktioniert die Scheibe dann, wenn der 39-Jährige die Einförmigkeit stilistisch ein wenig aufbricht. "Weddinger Walzer" durchzieht zwar auch etwas Nachdenkliches, sorgt aber für etwas Abwechslung, ebenso wie sich das daran anschließende, folkig geprägte "In The Making". Um Einiges verspulter klingt "The Idea Machine", dem eine gewisse Magie des Unperfekten innewohnt.

Mit "Corn" findet das Doppelalbum seinen mitreißenden Höhepunkt, wenn die Pedale ruckeln, die Musik vor sich hinfließt, während Frahm mit perlenden Klängen immer wieder Akzente von kristalliner Schönheit setzt. Mehr solcher mitreißender Momente hätten der Scheibe sicherlich gut getan. "New Friend" gerät im Anschluss mit stolpernden Rhythmen vergleichsweise jazzig.

Als wunderschön erweist sich "The Chords Broken Down". Die durchgängig ätherische Grundstimmung erinnert stark an Harold Budd oder Roger Eno. "Forgetmenot" schließt an dieses Ätherische an, fällt aber noch geisterhafter aus. "Restive" pendelt zwischen folkiger Intimität und schwermütigen Tönen, die ein wenig an die ruhigeren Klavierwerke Beethovens denken lassen. Unter der melancholischen Oberfläche entdeckt man so ein oder andere Perle, die die Wartezeit auf ein neues, echtes Nils Frahm-Album durchaus verkürzt.

Trackliste

  1. 1. 4:33 (A Tribute To John Cage)
  2. 2. Late
  3. 3. Berduxa
  4. 4. Rain Take
  5. 5. Todo Nada
  6. 6. Weddinger Walzer
  7. 7. In The Making
  8. 8. Further in the Making
  9. 9. All Numbers End
  10. 10. The Idea Machine
  11. 11. Then Patterns
  12. 12. Corn
  13. 13. New Friend
  14. 14. Nils Has A New Piano
  15. 15. Acting
  16. 16. As A Reminder
  17. 17. Iced Wood
  18. 18. Strickleiter
  19. 19. The Chords
  20. 20. The Chords Broken Down
  21. 21. Forgetmenot
  22. 22. Restive
  23. 23. Old Friend

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