laut.de-Kritik

FFM-Antifa-Kampfsport-Tales.

Review von

Neulich besuchte ich ein Event, bei dem ein ganzer Haufen Kids aus der aktuellen Rap-Generation nacheinander auf der Bühne stand. Als jemand, der genau diese Artists oft verteidigt, kam ich um Enttäuschung nicht herum. Einer nach dem anderen standen sie entweder gelangweilt herum, hofften darauf, dass sich eine bisher ungeahnte Aura spontan entfalten würde, oder wurden aus Nervosität von der Bühne geschluckt.

Fairerweise muss man erwähnen, dass ein paar Faktoren nicht optimal waren: Der Sound schien nicht großartig, die Orga war ein bisschen für den Arsch. Aber zwischen all den bemüht-unbeholfenen Sets stand ein Name im Line-Up, der mir den einen großen Takeaway des Abends bescherte: OG Lu ist die Truth.

Lu kam für gefühlt drei Tracks und 90 Sekunden vor einer narkotisierten Crowd auf die Bühne und entfachte einen verdammten Sturm. Man braucht ein bisschen Zeit, um sich an ihre Stimme und ihre eigenwillige Delivery zu gewöhnen, man nimmt sie vermutlich nicht beim ersten Hören als den absoluten Spitter wahr. Aber das, was sie da auf der Bühne abgerissen hat, war handwerklich so tight, dass man im Herzen spüren konnte, wie irgendwo in einem Netto in Falkenhorst ein Laas weinend in die Knie geht. Und all dies bricht wunderbar auf ihrem neuen Tape "Assig Aber Cute" durch.

Lasst euch vom eher bescheuerten Cover nicht täuschen, Lu ist musikalisch näher an einer P oder einem Keemo als an einer Ikkimel. Kein Hate. Ich will nur, dass niemand nach diesem Cover lustig-ironischen Studentenrap erwartet und dann vom Introtrack komplett vor die Wand gefegt wird.

Das "Intro" enkapsuliert bereits ein paar von Lus besten Eigenschaften. Erstmal ist sie eine Straßenrapperin mit glasklarer politischer Kante und keinem Hauch von Ironie. Ihre FFM-Antifa-Kampfsport-Tales kommen mit Regenwetterhärte und Street-Smarts, die niemand in Frage stellen wird. Trotzdem wird sie dadurch nicht zu einem unterkomplexen Charakter: Sie kann durchaus verschiedene Facetten und einen drakonischen Humor an den Tag legen, aber Tracks wie "Hasskick" oder "Komm" machen klar, dass Shittalken an der Konstablerwache ihr natürliches Element ist.

Das zeigt sich auch musikalisch. Die Beats sind größtenteils Trap, der stellenweise ein paar starke Memphis-Einschläge an den Tag legt, stellenweise aber auch in einen Haze-esken Boom Bap greift. Die Mixdowns sind muddy und schmeicheln Lus Stimme. Atmosphäre und Untergrund-Appeal werden ein bisschen über die Verständlichkeit gesetzt, es bleibt aber ein solider Gesamteindruck. Auch Features von Wa22ermann und Tom Hengst verorten sie an den coolsten Ecken der aktuellen Garde Deutschrap.

Wenn man etwas beanstanden möchte, dann dass Lu auf größeren Langspieler-Projekten noch nicht richtig einen musikalischen Facettenreichtum gezeigt hat. Klar, sie kann den Assig-Cute-Regler ein bisschen hin- und herverschieben, Humor findet sich mal mehr, mal weniger. Aber trotzdem bleibt der Hauptteil von "Assig Aber Cute" vor allem in einer relativ konstanten instrumentalen Düsternis verhaftet, eine Düsternis, in der Nazis geboxt und Jibbits gebaut werden, so groß wie wahlweise ein Boxsack oder der Messeturm.

Das bleibt ein ausgezeichneter modus operandi, und es stört nicht, wenn ein 20-minütiges Tape diesen nicht verlässt. Aber OG Lu scheint eine Rapperin zu sein, die ihren kreativen Horizont mit diesem Tape noch lange nicht ausgereizt hat. Als Mission Statement bockt "Assig Aber Cute" sehr, ich würde mir aber in Zukunft ein Album wünschen, das vielleicht noch ein oder zwei überraschende Momente mehr in petto hat.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Hanni & Nanni
  3. 3. O'Malley
  4. 4. Boss Babe
  5. 5. Hasskick (feat. Wa22ermann)
  6. 6. Knoppers (feat. Traya)
  7. 7. Komm
  8. 8. Ottic
  9. 9. 2 Etagen (feat. Tom Hengst)
  10. 10. French Kisses (feat. Traya)

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