laut.de-Kritik

Zwischen Tiefgang und Veitstanz.

Review von

"Solang der Papst noch beliebt ist, solang in Israel immer noch Krieg ist, solang der Turm in Pisa noch schief ist, mache ich mich frei, frei von dem Müll." Franz, der erste, reitet mit seinem bescheidenen Auftreten Sympathiewellen, die Tsunamidimension annehmen. Im Nahen Osten zeichnet sich keine nachhaltige Entspannung ab. "Ein komplettes Aufrichten des schiefen Turms von Pisa ist nicht geplant und wäre auch weder im Sinne der Italiener noch der Unesco, die den Turm von Pisa zum Kulturerbe ernannt haben", versichert die Homepage der UNESCO. Sieht aus, als habe Olli Banjo noch eine ganze Menge Zeit, auf die Meinung anderer zu pfeifen.

Das kann man angesichts seiner aktuellen Platte nur begrüßen. Olli Banjo bringt ein ganzes Paket nützlicher Talente mit. Dass er rappen kann, wenn nötig auch mit bis zum Bodenblech durchgetretenen Gaspedal, sollte im Jahr 2014 wirklich niemanden mehr überraschen. Auch nicht, dass er zwar durchaus etwas zu sagen hat, gleichzeitig aber keinerlei Hemmungen pflegt, die eigene Botschaft bei Bedarf zusammen mit der lästigen Konkurrenz mit der "Uzi" über den Haufen zu ballern.

Das übergangslose Umschalten zwischen Tiefgang und Veitstanz, zwischen spiritueller Sinnsuche und einer Bud Spencer-mäßigen Freude an der nächsten (und übernächsten) sich bietenden Keilerei wirkt bei Olli Banjo kein bisschen inkonsequent, sondern ganz natürlich, nur menschlich. Zu seinen technischen Fähigkeiten, seinem nach all den Jahren noch immer ungestillten Hunger und seinem Wortwitz verfügt er obendrein über eine amtliche Portion Humor, die ihn nicht nur alle anderen, sondern durchaus auch sich selbst auf die Schippe nehmen lässt.

Zudem produziert Olli Banjo inzwischen selbst, und das auch noch ziemlich gut. Lediglich zwei Beats ließ er sich von den Krauts anreichen, der Rest stammt aus seinem eigenen Garten. Den darf er meinetwegen sehr gern öfter bestellen. Nicht obwohl, sondern gerade weil er sich um die gängigen Gesetze der musikalischen Landschaftspflege einen Dreck schert. Bei Banjo wuchert, was gerade sprießt, nicht eingezäunt in säuberlichen Beeten und akkuraten Rabatten, sondern wild durcheinander.

Soulige, stellenweise fast schwülstige Samples gedeihen neben kleinen Keyboardmelodien und flackernden, flirrenden Elektro-Effekten. Drum'n'Bass-Elemente, Dancehall-Sirenen, Ambient-Sounds, klingelnde Glöckchen, Streicher, schiebende, bratzende, wabernde Synthies, ein bisschen Screw, ein Wu-Tang-Zitat: Nichts erscheint zu konträr oder zu abwegig, als dass es Olli Banjo in seine ganz eigene Version von Grime nicht mit hineinquirlen könnte. Dabei entstehen Instrumentals, die zwar mit rostigen Kufen schräg zur eingefahrenen Laufrichtung über eingefahrene Hörgewohnheiten kratzen, aber auch gerade deswegen so viel Spaß machen.

Das klingt hier nach einem Spielautomat aus Zeiten, in denen die Kneipe an der Ecke noch verraucht war, da sehnsüchtig und zugleich richtungs-, weil komplett orientierungslos. Statt sich anzubiedern, macht sich Olli Banjo gediegen über diejenigen lustig, die mit ihren Reißbrett-Konstruktionen jedem beliebigen Trend hinterher rennen: "Gestern Rap, heute sind wir Trap", ätzt er in "Arschgeweih", und warnt sogleich fürsorglich: "Achtung, Achtung! Dubstep-Remix!"

Alles super, also. Blöd nur, dass die Featuregäste den eigenständigen Eindruck von "Dynamit" auf das Ärgerlichste verwässern. Einzig Morlockk Dilemmas Beitrag zu "Akupunktur", ein vernichtendes Stück Battlerap von durchgeknallten Typen auf einem mindestens ebenso durchgeknallten Stück Musik, fällt positiv ins Gewicht. Kool Savas' Auftritt in "Träumer" stört wenigstens nicht weiter. Aber der Rest ... Warum nur, warum?

Warum lässt gefühlt jeder zweite deutsche Rapper mindestens eine Hookline von Xavier Naidoo einjodeln? Sein überkandideltes Gesülze erstickt die bedrückte Stimmung, die Olli Banjo in den Versen herauf beschwört, unter einer derart zähen Schleimschicht, dass "Mein Baum" verzweifelt nach einer Motorsäge verlangt, um sich selbst zu fällen. Schlimm!

Sido nehme ich die Arbeitslos-und-Spaß-dabei-Masche aus "Job Verloren", so übersatt, wie der inzwischen klingt, kein Stück weit mehr ab. An seiner Seite: She-Raw. Eigentlich eine exzellente Rapperin, die ihr Talent seit Jahren an dümmliche, hier noch bekloppt betonte Singsang-Refrains verschwendet. Schade drum. Marteria tritt ohne die Schlaftablette Yasha im Gepäck offenbar gar nicht mehr an. Entsprechend lahm gestaltet sich das "Happy End":

"Wir alle wollen ein Happy End. Alle wollen ein gutes Ende - doch wir wollen auch Blut sehen." Ja, geht mir genauso: mehr Blut, mehr Kompromisslosigkeit, mehr kranke Solonummern wie "Der Jogginghosenmann". "Gibs zu: Du hast Schiss, wenn der Olli kommt", unterstellt er im Titeltrack. Sofern er alleine aufmarschiert: allerdings. Seinen Teddy darf er gerne mitbringen. Die ganzen anderen Plüschis braucht kein Mensch.

Trackliste

  1. 1. Solange
  2. 2. Träumer feat. Kool Savas
  3. 3. Ich Hoffe Der Papst Glaubt An Gott
  4. 4. Mädchen Aus Den Slums
  5. 5. Uzi
  6. 6. Mein Baum feat. Xavier Naidoo
  7. 7. Karussell
  8. 8. Ecstasy
  9. 9. Dynamit
  10. 10. Job Verloren feat. Sido & She-Raw
  11. 11. Der Jogginghosenmann
  12. 12. Freunde
  13. 13. Arschgeweih feat. Damir Message
  14. 14. Akupunktur feat. Morlockk Dilemma & Alex Prince
  15. 15. Schmerzableiter feat. Damir Message
  16. 16. Happy End feat. Yasha & Marteria

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LAUT.DE-PORTRÄT Olli Banjo

Als Straßenrap in Deutschland seine Blütezeit erlebt, kommen im Fahrwasser der ersten Welle um die Spezializtz und Bushido auch Gesichter aus der Versenkung, …

9 Kommentare mit 15 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    @Baudeleaire
    Warum? Savas ist einer der besten Rapper in Deutschland.

    • Vor 10 Jahren

      Seitdem Savas aber plötzlich Messages verbreiten will wie SMS Provider, ist er nicht mehr besonders unterhaltsam und wegen dem Übergewicht bekommt er noch weniger Luft als sonst am Mic. Das Savas goes Hollywood und das Euer bester Freund Mixtape vertreten für mich den perfekten Savas: Sinnloses Gespitte auf unterschiedlichen Beats. Fast Food Rap halt.

    • Vor 10 Jahren

      Savas ist vor allem eines: der peinlichste rapper in Deutschland. Pseudomystisches Rumgefluestere, Texte darueber, wie er Texte schreibt, sein adamanter Glaube daran, heute nach wie vor die Krone zu tragen, wo er einfach schon seit Jahren keinerlei Relevanz mehr besitzt.. ich benutze fuer ihn mal ein Wort aus der Zeit, als er noch halbwegs ertraeglich war: toy.

    • Vor 10 Jahren

      Mh der Flow war aber geil. :D zumindest bis ToL.

    • Vor 10 Jahren

      Wahre Worte vom guten Baude!

    • Vor 10 Jahren

      Mir geht das Savasgebashe kräftig auf den Sack. Argumentativ gesehen, müsste es doch eher in Richtung Samy gehen. Savas hat wenigstens noch Erfolg mit Releases, ohne dabei die 548791te Qualität=Erfolg Debatte lostreten zu wollen.
      Ist auch bei weitem nicht so peinlich. Komisch auch, dass er sich marketingtechnisch wie ein Flinstone im 2.0 bewegt und trotzdem in aller Munde ist, weil eben alle anderen ihn immer noch als Messlatte sehen. Superlativen der Musik werden immer gerne mit den Beatles verglichen, im Deutschrap ist es Savas. Wer was anderes sagt, lügt.

      Für mich hat er einfach nur verkackt, aufgrund der XAVAS Druckserei, als man das gerappte Wort einfach mal nicht so gemeint haben wollte. Ansonsten war er immer solide, mindestens.

      Nur weil er dem Raphörerdurchschnitt kein Beeffutter liefert, was sicherlich schade ist, muss man ihn nicht zum Schmock degradieren. Für mich bleibt das Urteil trotzdem das deutsche Ether.

    • Vor 10 Jahren

      Der Typ soll einfach aufhoeren, sich selber fuer be-all and end-all of Deutschrap zu halten. Wer sind "alle anderen"? ;) Laas? Banjo? Wer sieht den Yurderi als Messlatte an?

      Der Beatles-Vergleich passt eigentlich ganz gut: langweilig und bieder.

    • Vor 10 Jahren

      :D Laas und Banjo sind bisher auch nur so zwei Lars Rickens im Rap... Leider.

      Wie an anderer Stelle bereits geschrieben, wirkt Savas mMn doch sehr affektiert in vielerlei Hinsicht und nimmt sich bei vielen Sachen fein raus. Vergisst dabei aber, dass er als Youngster mal eben gegen jeden geschossen hat, aber das war dann halt die gute alte Zeit...
      Dennoch hat er es geschafft, ohne große peinliche Businessmoves, ohne qualitativ große Lücken bei seinen Soloreleases, ohne Promi Dinner, kurz gesagt ohne großes Spektakel außerhalb des Musikkosmos, mehr als nur relevant zu bleiben.
      Was ist denn jetzt so megascheisse? Aura war ein gutes album. Tot oder lebendig war ein gutes Album. BTML ist ein Klassiker und selbst DBTSG ist Bombe.
      Wo ist das Problem?
      Kein "Rap-Rap" mehr, aber Mucke halt. Kein MOR aber gut, wer ist denn ewig 16 ? Royal Bunker gibts schliesslich auch schon nicht mehr, wenn auch erst seit 3 Tagen :D

    • Vor 10 Jahren

      savas hat etwas einzigartiges geschafft...er ist in seinem eigenen genre vom idol zum randständigen mutiert. nicht mehr ernst genommen von den rapfans, wird er geradenoch von irgendwelchen szeneorganen hofiert...warum auch immer. er ist jetzt auf einem level mit leuten wie fettes brot oder eißfeld, wobei die sich durchaus eine eigene base abseits von den szenehörnchen erspielt haben und dort gewissen respekt genießen...aber wieso sollte man auch noch savas pumpen? nahezu alle anderen haben ihn in allen bereichen meilenweit überholt...sei es die raptechnik (z.b. kollegah), wortwitz und swag (z.b. ssio, celo+abdi) oder aber auch beim expliziten schockfaktor (z.b. farid bang, Bushido) von lyrischer Tiefe (z.C. Cr7z) ganz zu schweigen...von der beatauswahl her ist er auch endwack...fazit: verstehe nicht wieso es noch solche fanhörner wie Randaloeres gibt. savas sollte aufhören. einzige chance für ihn...vernünftigen produzenten anlachen und taktloss schnappen, dann 3nächte nicht pennen und am 4. tage einfach drauf los rappen...aggrossiv und pöbelbereit

    • Vor 10 Jahren

      Perfekter Beitrag, mehr gibt es dazu nicht mehr zu sagen.

      Taktloss steht uebrigens gerade im Studio und zimmert dort eine neue BRP ein. Aber aehnlich wie beim neuen Selfmade-Signing, das habe ich nur so gehoert.. ;)

    • Vor 10 Jahren

      Ich will das Fanboy-Dasein gar nicht so ganz abstreiten.Ich hoffe aber auch seit 10 Jahren auf ein Nas Album mit mehr wie zwei guten Beats. Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
      Dennoch finde ich die Argumentation hinfällig, siehe MOR Vergleich.
      Aber ich denke da kommen nicht mehr zusammen. ;)

    • Vor 10 Jahren

      Da fehlt wohl ein *wir* im letzten Satz.

  • Vor 10 Jahren

    Mal reinhören.. Ich fand ihn ja eig. mal ganz gut- nur dann ist er in diese komische "Ich bin total gestört und alles müssen es wissen, ich bin ein Psycho der Katzen tötet"-Rap-Sparte abgerutscht. Da war dann für mich Ende.. Aber mal sehen, ich hör mal rein :)