laut.de-Kritik
Zwischen brachialer Härte und fragiler Schönheit.
Review von Karina SadkovWer Poppys vorherige Alben kennt, weiß, dass die Sängerin nicht in ein Genre-Schublade passt und immer für eine Überraschung gut ist. Nach dem eher popsinnlichen "Zig" geht sie mit "Negative Spaces" in die härtere Richtung und verbindet hymnische Melodien und brachiale Härte mit einer düsteren, introspektiven Atmosphäre. Bring Me The Horizon-Mitglied Jordan Fish hat diesen modernen Metal produziert. Sein Einfluss ist kaum zu überhören.
Metal liegt Poppy einfach, und das zeigte sie dieses Jahr mehrmals. Einen echten Erfolg landet sie mit der Bad Omens-Kollaboration "V.A.N.", die einen sofort packt. Auch ihr Feature bei Knocked Loose in "Suffocate" zeigt eindrucksvoll die Vielseitigkeit ihrer Stimme. Der Song brachte der Band und Poppy sogar eine Grammy-Nominierung für die beste Metal-Performance ein.
Der Opener "have you had enough?" schlägt ein wie ein Vorschlaghammer. Poppy eröffnet mit tiefen Vocals und intensiven Drums, die sofort klarstellen: Hier wird nicht lange gefackelt. Im Refrain explodiert der Track in verzerrte Gitarren und zynischem Gesang. Zeilen wie "‘Cause the cycle is vicious / The greed is a sickness" verleihen dem Song eine düstere Schwere, die Wut und Frustration spürbar macht. Die provokante Frage "have you had enough?" wirkt wie ein Weckruf, der zum Bruch mit endlosen Zyklen aus Gier und Selbstzerstörung auffordert.
Mit einem schneidenden "Coward"-Schrei zieht uns Poppy direkt in den harten Track "they're all around us". Die Struktur des Songs, mit seinen unverkennbar aggressiven Strophen und dem melodischen Refrain, erinnert an Spiritbox’ "Circle With Me". Schon zu Beginn baut sich eine Atmosphäre der Feindseligkeit auf, in der Enttäuschung und Täuschung allgegenwärtig sind. Die Mischung aus düsteren Klängen und durchdringenden Vocals beschreibt eine Welt, in der Vertrauen nicht existiert und Manipulation vorherrscht. Der wiederholte Satz "they're all around us" verstärkt die Message, dass diese negativen Kräfte unaufhörlich präsent sind und das Leben durchdringen.
Nach den ersten härteren Songs tanzt dann "crystallized" aus der Reihe. Der Track setzt auf süße Synth-Pop-Sounds, die keinen Platz für Screams lassen und stattdessen eine leichte, fast schon beunruhigende Atmosphäre kreieren. Im Vergleich zu den aggressiveren Stücken auf dem Album entfaltet sich das Stück eher verträumt, ohne dabei an Intensität zu verlieren. Trotzdem bleibt der Up-Tempo Track ein Highlight des Albums. Dabei gibt mir die Produktion tatsächlich Artemas Vibes: eine eingängige Melodie, in der himmlische Harmonien auf industrielle Beats treffen.
Während "they're all around us" harte Strophen und einen melodischen Refrain besitzt, schreit sich Poppy in "the center's falling out" fast durchgehend die Seele aus dem Leib. Das gelingt ihr hervorragend und animiert einen zum moshen. Unterbrochen wird dies einmal kurz durch ein Interlude, indem sie einem schon fast angsteinflößend die Worte "I watch you suffer / And do nothing" entgegegn wirft. "The center's falling out" gesellt sich vom Sound her zu ihrem Feature "Suffocate" und markiert den härtesten Track des Albums.
Auf "Negative Spaces" finden sich auch die ruhigeren Interludes "yesterday", "hey there" und "tomorrow", die mit reduzierter Akustikgitarre und verletzlichem Gesang eine intime Atmosphäre schaffen. Besonders "yesterday" lässt einen bittersüßen Rückblick entstehen, in dem die Musikerin klarstellt: "I'm not moving back to your negative space." Diese drei Tracks verleihen der Thematik des Albums zusätzliche Tiefe. Sie beschäftigt sich mit den dunklen Seiten der menschlichen Psyche und fordert Hörer*innen auf, sich mit ihren inneren Dämonen auseinanderzusetzen und den Schritt in Richtung Veränderung zu wagen. Der Titel "Negative Spaces" verweist dabei auf die leeren, oft unsichtbaren Räume im Leben, die dennoch eine tiefe Bedeutung besitzen.
In "vital" lässt Poppy ihre innere Avril Lavigne heraus. Der Pop-Rock-Track geht mit der Zeile "I want to believe there's a motivation in negative spaces" tief in ihre innere Zerrissenheit. Poppy drückt die Verwirrung und den Schmerz aus, der mit dem Überwinden von schwierigen Phasen verbunden ist – dem Übergang zwischen der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und dem Versuch, die Zukunft zu retten. Auch der Titeltrack bleibt im Pop-Rock-Sound, der an einen 2000er-Film-Soundtrack erinnert. Der rebellische Klang unterstreicht den fortwährenden inneren Kampf gegen negative Gedanken und gesellschaftliche Erwartungen.
Mit "Negative Spaces" hebt sich Poppy endgültig aus der Masse hervor. Das Album ist ein düsterer, facettenreicher Trip, der zwischen brachialer Härte und fragiler Schönheit pendelt. Von aggressiven, rohen Momenten bis zu zarten, verletzlichen Klängen zeigt Poppy ihre ganze Bandbreite. Das Ergebnis ist eine Platte, die fesselt und lange im Gedächtnis bleibt.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Crystallized ist schon ein netter Popsong. Der Rest, naja, also sagen wir mal so: Ich werde mal in die anderen Alben von ihr reinhören.
Lohnt sich. Auch die EPs nicht vergessen.
Die hatte mal zu Beginn ihrer Karriere mit "3:36 (Music To Sleep to)" ein ruhiges Ambientalbum. Das ist ihr bestes.
Album of the Year
War für zwei-drei AR-Videos auf Youtube ein sehr interessantes Kunstprojekt. Ist dann aber ganz schnell ein Standardprodukt geworden, so ganz ihne Erlösung durch eine Metaebene.
Mein Hund (aus dem Tierschutz) heißt auch so, daher natürlich volle Punktzahl. 10/5