laut.de-Kritik

Sieben Mal "Love" in 14 Titeln, ein echter Liebesbrief.

Review von

Schmachtbarde R. Kelly schreibt einen Liebesbrief. Klar, dass da das höchste der Gefühle schon in der Trackliste aus jeder Zeile trieft. Sieben Mal "Love" in 14 Titeln - hier wird nicht gekleckert, hier wird geklotzt. In Herzform.

Selbst für R. Kellys schärfste Kritiker dürfte wohl außer Frage stehen, dass man es in ihm mit einem ganz außergewöhnlich gesegneten Sänger zu tun hat. An seiner Darbietung bleibt qualitativ entsprechend wenig auszusetzen. Mr. Kelly interpretiert seine Nummern ohne Tadel, schwoft stets sicher, souverän gar, über vertrautes R'n'B-Parkett. Das allerdings haben beflissene Produzenten allzu glatt gebohnert. Keine Staubfluse, kein Schweißtröpfchen trübt den Hochglanz.

Viel zu viel Beiwerk schmälert den guten Eindruck, den prachtvoll potente Bässe hinterlassen wollen. Darüber geworfene Klavierakkorde, Streicherschmonz oder die ewig klingelnden Chimes ersticken aufkeimendes Vergnügen im Keim. Wo das nicht genügt, schickt man den Orchester-Bulldozer: "Music Must Be A Lady" zeigt die verheerenden Schneisen, die dieser schlägt.

Wenig bis gar nicht abgelenkt von musikalischen Einfällen oder überraschenden Wendungen fällt das Augenmerk unweigerlich auf die inhaltliche Ödnis. Von "sweet dreams, butterflies, holding hands, side by side" kündet der jodelnd eröffnete "Love Letter" an die Damenwelt. "Cocktails, happy hours, wedding bells baby showers" - spätestens jetzt gelüstet mich mach einem zünftigen Insane Clown Posse-Track, "In Yo Face".

"Baby, you are the song of my life. And the sweetest melody." Track Nummer drei - und das Gefühl, dass der R. Kelly zur Verfügung stehende Wortschatz doch erheblich begrenzt ausfällt, lässt sich schon jetzt kaum noch abschütteln. "I love making love to your eyes": Macheten schwingende Clowns werden nicht mehr ausreichen, um die Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben.

Von einem versierten Sänger erwarte ich - zumal wenn er auf dem Cover dermaßen frech auf Ray Charles macht - dass er Emotionen transportiert. Auf "Love Letter" tönt allerdings vollkommen gleich, ob R. Kelly von verzehrender aktueller, gerade im Schwinden begriffener oder längst erloschener Liebe singt.

Wo versucht wird, den Geist der Motown-Ära zu beschwören, bleibt "Love Letter" im Nachahmen stecken. Neues hat R. Kelly dem Bewährten offenbar nicht hinzuzufügen. So gerät auch seine am Ende versteckte Hommage an Michael Jackson zu einer zwar gekonnten, aber dennoch schnöden Imitation.

Spätestens, wenn die "wedding bells" und "baby showers" aus dem Titeltrack zum zweiten Mal im "Christmas Remix" aufgefahren werden, ist mir restlos klar, dass ich mir liebliche kleine Melodien wie diese tausendmal lieber in "Everybody Had A Hard Year" von März zu Gemüte führen mag. Der geradezu ekelhaft bemühte "Freestyle"-Part am Ende setzt ein dickes Ausrufezeichen unter diesen Entschluss.

Man könnte diesen "Love Letter" grußlos und ohne Bedauern dem Altpapier überantworten, gäbe es nicht die eine, die rühmliche Ausnahme. Ein einziger Track führt lebhaft vor Augen, was R. Kelly hätte liefern können, hätte er sich häufiger von herrschenden Urban-Schmalz-Konventionen befreit: Die unwirkliche, dreckige, ungemein bildhafte Story von "Taxi Cab" bietet seiner Stimme endlich die Kulisse, die sie eigentlich auf Albumlänge verdiente.

Trackliste

  1. 1. Love Letter Prelude
  2. 2. Love Letter
  3. 3. Number One Hit
  4. 4. Not Feelin' The Love
  5. 5. Lost In Your Love
  6. 6. Just Can't Get Enough
  7. 7. Taxi Cab
  8. 8. Radio Message
  9. 9. When A Woman Loves
  10. 10. Love Is feat. K. Michelle
  11. 11. Just Like That
  12. 12. Music Must Be A Lady
  13. 13. A Love Letter Christmas
  14. 14. How Do I Tell Her?

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