laut.de-Kritik

Man fühlt sich an alles Mögliche erinnert.

Review von

Endlich, die neue Peppers! Doch "The Getaway" lässt den Langzeitfan leicht fremdelnd zurück. Zum ersten Mal nach 25 Jahren kippten die Kalifornier Rick Rubin vom Produzentenstuhl und vertrauten stattdessen Danger Mouse, den Mix übernahm Radioheads Nigel Godrich. Das hat deutliche Spuren im Produktionsprozess hinterlassen.

Im SZ-Interview formuliert es Bassist Flea so: Rubin liebe "Effekte" und "manipulierte Sounds" nicht so sehr. Bei ihm habe man im Studio aufgenommen, was vorher im Proberaum entwickelt wurde. Danger Mouse war dagegen quasi ins Songwriting involviert, man habe die Tracks mit ihm im Studio erarbeitet, also mehr als bisher experimentiert. Das Ganze sei immer weiter gewachsen und habe sich so in etwas völlig Neues verwandelt.

In der Tat, der Produzentenwechsel ist nicht zu überhören, vor allem in der angesprochenen elektronischen Ergänzung und Nachbearbeitung. Letztere äußert sich etwa bei den Gitarren Josh Klinghoffers oder den Drums (z.B. im Titeltrack) - beim sphärischen "Encore" fehlt Chad Smith dann fast ganz.

Und man hört so viel konkrete Synthieunterstützung wie nie: "Go Robot" fährt im letzten Drittel einen perlenden 70er-Discopop-Part auf - der vermutlich erste clubtaugliche Tune der Red Hots. Der Titeltrack "The Getaway" erinnert an die Herangehensweise der Franzosen Phoenix, die Gitarrentracks hervorragend mit elektronischen Produktionsmethoden verbinden - das passt hier natürlich wie die Faust aufs Auge.

"This Ticonderoga" wiederum lässt mit körnig verzerrtem Bass Black Sabbath' "Paranoid" aufleben, mündet aber in einen Klavier und Streicher gestützten Part. Bei "Sick Love" sind auch noch Elton John und sein Texter Bernie Taupin in den Songwriter-Credits gelistet.

"Feasting On The Flowers" bezeugt die neue Bandbreite ebenfalls: Im letzten Drittel fährt die Band einen schunkelnden Britpop auf. "We Turn Red" zeigt hingegen den Stand der Dinge seit spätestens "By The Way": Der trockene Peppers-Funkrock wird nicht wie in Anfangstagen durchgehalten, sondern MUSS in einen betont melodiösen und wohlklingenden Refrain münden.

Nach "By The Way" bekam Anthony Kiedis, der in der Gesangskabine immer einen Bombenjob hinlegt (aktuell vor allem bei der Ballade "The Longest Wave" oder der langsamen 6/8-Hymne "The Hunter"), auf der Bühne Probleme: Nicht selten liegt er bei anspruchsvolleren Refrainmelodien gefühlt einen viertel Ton daneben.

Das elfte Studiowerk fällt im Peppers-Kontext als stilistisch sehr abwechslungsreiches Album auf. Man fühlt sich an alles Mögliche erinnert, ohne dass die Funkrock-Roots verloren gehen. Insofern hat die Band ihr Ziel erreicht - so klang sie tatsächlich noch nie.

Ein Album-Überhit, wie es beispielsweise "Under The Bridge", "Californication" oder "Dani California" waren, fehlt allerdings. Wobei der erste Vorabtrack, das dezent zwischen Gitarren, Elektronik und Klavier ausbalancierte "Dark Necessities", tatsächlich gut ins Liveset passt.

Die Leadsingle bleibt mit der stärkste Track der Platte, weil er die alten Peppers und den neuen Produzenten am frischesten zusammenbringt. Danach wäre die Beschränkung auf weniger Kernkompetenzen aus Hörersicht wohl besser gewesen. Mehr von "Dark Necessities" einerseits und auf der anderen Seite Nummern wie "Goodbye Angels" oder "Detroit", die die Band von ihrer kompakten, rougheren Seite zeigen, hätten für ein klareres Bild gesorgt.

Sicher, die Scheibe wird im Detail gehört wachsen, zumal im Plattenkontext kein einziger Song als Totalausfall daherkommt. Würden Anthony, Flea, Chad und Josh eine Keyboardburg auf die Bühne stellen und ihr Album "By The Way" ins Visier nehmen: Aus beiden Platten ließe sich das poppigste Set der Bandhistorie zusammenstellen.

Trackliste

  1. 1. The Getaway
  2. 2. Dark Necessities
  3. 3. We Turn Red
  4. 4. The Longest Wave
  5. 5. Goodbye Angels
  6. 6. Sick Love
  7. 7. Go Robot
  8. 8. Feasting On The Flowers
  9. 9. Detroit
  10. 10. This Ticonderoga
  11. 11. Encore
  12. 12. The Hunter
  13. 13. Dreams Of A Samurai

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