laut.de-Kritik

Belanglosigkeit klang selten so gut.

Review von

Über zehn Jahre degradierten die Klatschspalten Seal zum Musiker an der Seite von Heidi Klum. Sein übersichtlich motiviertes Schaffen, das zuletzt zunehmend Cover-Versionen ("Soul", "Soul 2") bestimmten, hatte der Schlagzeilenflut nur wenig entgegen zu setzen. Auch heute noch füllen eher die Trennung von seiner Exfrau und die neue Beziehung zu Erica Packer als sein neues Album "7" die Klatschspalten.

Dabei dauert die Ehe mit Trevor Horn trotz gelegentlicher Seitensprünge schon weitaus länger an. "The Man Who Invented the Eighties" produzierte bereits das Debüt "Seal" und zeichnet auch für den neuen Longplayer wieder verantwortlich. Gemeinsam erkunden die beiden Rabauken nun ausgerechnet die Liebe und all ihre Wirrungen. "Ich habe versucht, all die wundervoll unterschiedlichen Dynamiken einzufangen, ob es der Zorn ist, die Akzeptanz, die Glückseligkeit, die Traurigkeit, das Hochgefühl oder die Rücksichtslosigkeit", erklärt Seal.

Seine einzigartige Stimme stand schon immer weit über seinem meist biederem Songwriting. Startete er mit Adamskis "Killer" und seinem Erstling noch im Acid House- und Electronica-Genre, dem er eine gewaltige Portion Soul unterjubelte, schwenkte er nach dem Erfolg des Kuschelrock-Hits "Kiss Of A Rose" zunehmend gelangweilt das Cocktailglas. Inzwischen bot Seal den Menschen ein Zuhause, denen George Michael schon immer zu aufregend und provokativ vorkam.

Daran ändert sich auch auf "7" nichts. "Every Time I'm With You" fährt Streicher im großen Stil auf, gibt Seal jeden Raum für seine Stimme, bleibt aber die Weichspülversion eines Burt Bacharach-Songs. Das sich langsam steigernde "Daylight Saying" erscheint dank des naiven "You and I we're like the weather / You and I, like sun and rain"-Refrains blasswanging. Immerhin darf sich Horn hier munter austoben.

"The Big Love Has Died" suhlt sich theatralisch im Trennungsschmerz, bietet aber nicht mehr, als eine weitere uninspirierte "Kiss Of A Rose"-Kopie. Mit dem gestelzten "Life On The Dancefloor" versucht sich Seal noch einmal am Sound seiner Anfangstage, erreicht die energische Qualität eines "Crazy" oder "Future Love Paradies" aber nicht mehr. Das organische, von auf Hochglanz polierten Bläsern, hinreißender Orgel und einnehmendem Basslauf definierte "Monascow": eine zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr für möglich gehaltene Ausnahmeerscheinung.

Als wandelndes Selbstzitat, das komplett auf Autopilot geschaltet hat, klammert sich Seal auf "7" fest an seine vergangenen Erfolge. In der High Society hat er längst jeglichen Biss und Esprit verloren. Horn stiehlt ihm mit seiner klaren und sterilen Produktion endgültig die Seele. Belanglosigkeit klang selten so gut.

Trackliste

  1. 1. Daylight Saving
  2. 2. Every Time I'm With You
  3. 3. Life On The Dancefloor
  4. 4. Padded Cell
  5. 5. Do You Ever
  6. 6. The Big Love Has Died
  7. 7. Redzone Killer
  8. 8. Monascow
  9. 9. Half A Heart
  10. 10. Let Yourself
  11. 11. Love

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2 Kommentare

  • Vor 9 Jahren

    Ach, unterirdisch finde ich es nicht, es klingt nur halt sehr weich und fast ein wenig zu abgerundet... ja, doch, das Album plätschert.

  • Vor 8 Jahren

    Geschmäcker sind verschieden und jeder darf seine Meinung haben, aber ich finde es schon ein Stück weit unnachvollziehbar, wie Seal hier abgelatschert und reduziert wird. Vor diesem Album war mir Seal auch nur (wenn auch durchaus positiv) durch "Kiss From A Rose" und "Love's Divine" ein Begriff, aber irgendwie nicht weiter relevant. Durch das Album hat sich das geändert. Durch die beeindruckende Nummer "Padded Cell" aufmerksam geworden und durch "Everytime I'm With You" weiter neugierig gemacht, habe ich mir das Album gegönnt und finde es sehr gut gelungen. In allen Nummern beeindruckt mich das ausgeklügelte Zusammenspiel von instrumentaler Untermalung, Tempowechsel, Back- und Multivocal-Effekten und natürlich der Facettenreichtum von Seals Stimme. Auch inhaltlich kann ich mit den Songs eine Menge anfangen und verstehe kaum, was an dem Songwriting "bieder" sein soll. Auch das im Genannten an frühere Stücke erinnert wird, ist doch kein Fehler. Die Werke tragen ein klare Handschrift und es sind wiederkehrende Qualitäten, die sie ausmachen. Das soll bei einem Künstler, der erfolgreich sein will auch nicht so verkehrt sein, hab ich mal gehört.