laut.de-Kritik
Fluchen ausdrücklich erwünscht!
Review von Emil DröllManchmal, wenn ich Slipknot höre, verstehe ich diejenigen Menschen, die finden, Metal sei Krach. Zum Glück gehöre ich auch zu denen, die diesen Krach einfach wundervoll finden. Klar, Slipknot sind in Szenekreisen keine Allrounderband, aber "Slipknot" gehört trotzdem in jedes Metal-Repertoire.
Zum 25. Geburtstag des Albums erscheint nun der Re-Release mit einigen Bonustracks. Doch zuerst zu den Klassikern: "742617000027" eröffnet mit düsteren Klängen, repetitiv obszön kündigt "The whole thing, I think it's sick" das Chaos an, mit "(sic)" scheppert es dann richtig los. "Pain!" brüllt Taylor, begleitet von Percussions, die Slipknot eine Monopolstellung einbringen sollten. Wut, Hass, Verzweiflung – die Trinität einer Band, die fluchen ausdrücklich erlaubt. Ein vertonter Wutausbruch.
In "Eyeless" geht es genauso roh weiter, bevor "Wait And Bleed" überraschend melodisch für eine kurze Verschnaufpause sorgt, ein Wechselspiel zwischen Brutalität und Eingängigkeit. "Surfacing" beginnt wie ein nie endender Alarm, ein Warnsignal vor der wahnsinnigen Percussion sowie den Gitarren, die Taylors Screams Konkurrenz machen. "Spit It Out" ist ein Fanliebling, getragen von Corey, "Tattered And Torn" wirkt wie ein wütendes Instrumentalexperiment, bei dem dank der Drums gerade noch eine Songstruktur erkennbar bleibt.
"Purity" fügt dagegen wieder melodische Elemente hinzu, "No Life" schleicht sich fast sprechgesangartig an: Slipknot geben sich ein paar Prozentpunkte weniger erbarmungslos brutal. "Diluted" prägt ein markantes Gitarrenriff, während "Only One" gnadenlos weiterprügelt – ein absolutes Must-Listen. Slipknot schaffen es, trotz der Brutalität, jedem Song einen eigenen Charakter zu verleihen.
"Scissors" quält sich geradezu experimentell über acht Minuten, kontrastiert vom kurzen schnellen "Eeyore". "Me Inside" und das legendäre "Get This" treiben die Intensität dann noch weiter nach oben.
Bezüglich der Demo- und Bonus-Tracks: "Wait And Bleed" wirkt hier roher, Taylor schiebt die Vocals heftiger nach vorne, die Percussion drückt noch mehr – tönt wie ein spontaner Wutausbruch in der Garage. Der Non-Album-Track "Snap" fügt sich mit fast schon Pantera-artigen Riffs wunderbar ein. "Interloper" zeigt sich als geheimes Demo-Highlight, "Despise" bietet Gitarren-Extraklasse, gepaart mit Percussion-Weltklasse.
"Only One" klingt, als hätte Dimebag Darrell persönlich im Studio vorbeigeschaut, das funkige Intro bietet einen wunderbaren Kontrast. Auch "Me Inside" und "Prosthetics" liefern ähnlich klassisch metallischen Nachschub.
Die Jay Baumgardner-Mixes von "Surfacing", "Only One" und "No Life" befördern hingegen keine weltbewegende Veränderung zu Tage, aber eine leicht verschobene Balance: Mal liegt der Fokus auf den Drums, mal auf Taylor.
Anders klingt es beim Ulrich Wild-Mix von "(sic)": Eine komplett andere Raumwirkung kommt zum Tragen, das gilt auch für den Molt Injected-Mix, nur weniger radikal. Der Terry Date-Mix von "Wait And Bleed" wirkt angespannter als das Original, die "Spit It Out"-Hyperversion schallert noch einmal richtig rein, während der Stamp You Out-Mix das Album wie ein Vorschlaghammer abschließt.
Insgesamt stellt der Re-Release ein Fest für Fans dar, er gewährt einen Einblick in den Entstehungsprozess des Debütalbums und demonstriert, weshalb Slipknot das Nu Metal-Genre nachhaltig geprägt haben. Ein Meilenstein, der 25 Jahre später immer noch wütend, roh und berauschend klingt.
8 Kommentare mit 21 Antworten
ich kann es kaum erwarten, wenn wir dann in 5 jahren Slipknot (30th Anniversary Edition) zelebrieren

Ich warte mit dem ersten Hören noch auf den 75th Anniversary Release.
Ich verstehe den Release sowie nicht, zumal das Album 1999 und nicht 2000 erschienen ist
Sie beziehen sich hierbei bestimmt auf die US Club Edition. Oder die LP. Oder die mit dem zensierten Booklet. Oder einer der ca. 20 anderen Versionen, die Roadrunner 2000 für den internationalen Markt herstellen ließ.
Im Prinzip kam sie allein von Roadrunner und/oder SUM praktisch beinahe jedes Jahr bis zur ersten Welle "10th Anniversary"-Editionen ab 2009. Okay, hatte sicher auch was mit den Urheberrechtsverletzungsvorwürfen gegen "Purity" zu tun und dass sie es damals lieber gleich zusammen "Frail Limb Nursery" vom Albung gezogen sowie gegen "Me inside" eingetauscht haben, aber so viel jetzt bestimmt auch nicht, wenn mensch bedenkt, dass allein zum Zeitpunkt dieser Entscheidung bereits 15 verschiedene Versionen der Scheibe am internationalen Markt waren.
Bis heute wurde die selbstbetitelte von Slipknot durch Roadrunner sowie kooperierende Distributoren inklusive ca. 20 Fehlpressungen bereits 175 mal (wieder)veröffentlicht weltweit.
Quelle: discogs.com
Bzw. hat die Hauptseite zu Slipknot wohl nur die 175 derzeit auf der Plattform erhältlichen Versionen gelistet, auf der Unterseite der selbstbetitelten Platte sind es aktuell 215 Einträge unterschiedlicher Versionen.
Muss also nicht mal unbedingt die letzte 25th Anniversary-Edition der Platte für dieses Jahr gewesen sein.
Wie so häufig, wenn im Leben einschneidende Veränderungen eintreten, stellen sie sich bereits nach kurzer Zeit als die viel bessere Alternative dar - so wie auch hier. Für mich als Späteinsteiger war die 10th An. eine perfekte Setlist, zumal Me Inside einer ihrer stärksten Songs überhaupt ist. Statt wieder irgendeinen dahergelaufenen Kollegen zu fragen, wie er sich an seinem Geburtstag fühlt mit dem neuen Jahr XY, verbleibe ich doch lieber bei einer Nonsens-Re-Lease-Party, auch wenn der bessere Albumtitel durch den zweiten Song des Nachfolgealbums hätte benannt werden müssen: People=Shit. Geburtstage und überflüssige Nonsens-Gratulationen im Reallife, aus denen sich biederster Smalltalk entwurmt demnach ebenfalls=Shit.
Wie wäre es denn mit einem Zweihundertster-Release-Release?
Zweihundertfünzig, d'uh.
Stimmt natürlich. Zwischendurch vielleicht noch ein paar Retrospektiv-Releases, wo man sich z.B. nostalgisch an den 50. erinnern kann
Musik, die gerne richtig fies sein und ernstgenommen werden möchte.
Die heute fast komplette Freudlosigkeit und Charmebefreiung im Metal ist genau das, was das Genre für mich weitgehend unhörbar macht. Kann keine Bandfotos mehr sehen von ner Handvoll grundlangweiliger Dudes, die peinlichst badass in die Kamera gucken.
Immerhin warens bei Slipknot noch sieben Terrorzwerge.
Möchte sie das? Dieses Album ist 26 Jahre alt. Aber gut, du schreibst das buchstäblich unter jeder zweiten Metal-Review.
Legendäres Album. Wer Meshuggah hört, der darf hier jetzt nicht lästern.
"Kann keine Bandfotos mehr sehen von ner Handvoll grundlangweiliger Dudes, die peinlichst badass in die Kamera gucken.
Immerhin warens bei Slipknot noch sieben Terrorzwerge."
"Möchte sie das?"
ja, sagte ich doch bereits.
"Dieses Album ist 26 Jahre alt."
und?
"Aber gut, du schreibst das buchstäblich unter jeder zweiten Metal-Review."
ich schreibe nicht buchstäblich unter jeder zweiten metal-review. du meinst metaphorisch.
Also ich mag die ja.
https://www.youtube.com/watch?v=4PPcnmO76rg
Dieser Kommentar wurde vor einer Stunde durch den Autor entfernt.
Was Nirvana noch mit einer Prise Humor versucht haben, vollendeten Slipknot damals im nächsten Kapitel "Stimme der Generation" wie folgt:
Passiv-Aggressive Wut-Psychosen und das unmissverständliche Verstecken vor dem Feind, das "gar nicht so sehr gesehen werden wollen". Die von Cobain so verhasste Widersprüchlichkeit zwischen Rampenlicht und bösartiger Pseudo-Introvertiertheit wurde hier, im Sommer 1999, professionalisiert und kompromisslos ausgearbeitet.
Wer wartet schon in einer Muschel/Hülse, outet sich als Quasi-Insekt oder ähnliches und möchte gar keinen Besen schwingen, um Schulpflichtige zu beeindrucken?
Was ihnen leider nicht so gut gelungen ist - zum Glück - ist, dass die scheinbare Ablehnung gegenüber Melodien, wie diese beispielsweise die Nevermind großflächig auszeichnen, nicht ganz so zum Tragen kommt. Was die Quantität angeht, versuchen Slipknot mit diesem Konzept zu brechen - klare Sache. Die Qualität hingegen ("Wait and Bleed"; "Spit it Out"; "Eyeless"; "Purity"; "Me Inside") offenbart von Anfang an, dass wir es hier mit intuitiv begnadeten Songwritern zu tun haben werden, was sich spätestens in den beiden letzten Spätwerken nochmals bestätigen wird. Was hätte Cobain von Slipknot gehalten(?), die Frage bleibt.
Hätte er auch dort in der ersten Reihe gestanden und gefragt, ob sie einen bestimmten Song spielen können, wie er es bei Kirk Hammett getan hat? Wohl kaum.
Wahrscheinlich hätte er Taylor am liebsten mit seiner Gitarre eine übergebraten, aber nicht, weil Taylor die oben benannte Widersprüchlichkeit zwischen Ästhetik und roher Kunst viel besser beherrschte von Anfang an als er, sondern, weil jener Talyor seit Beginn bereits zwei Gitarristen hatte und sich auf sein Gesang und Songwriting konzentrieren konnte.
Und, weil Cobain ebenfalls am liebsten Dave Grohl von Anfang an eine Maske hätte aufsetzen wollen, was auch durchaus förderlich gewesen wäre, begutachtet man in aller Ruhe das Unplugged-Grinsen im furchtbaren Rollkragenpulli - pure Hell.
Zum Schluss ist festzuhalten, Geburtstage zu feiern mit Slipknot ist in etwa so, als wenn man in Erziehungsseminaren lernt, wie man schwer Erziehbare erzieht, nämlich am besten gar nicht. Einfach schreien lassen und das dann am Ende als seine eigene Strategie verkaufen, wie man das Ding am besten durch wuppt...
...nun, und dass die 666 dann in jeglicher Hinsicht von Anfang an unter keinem guten Stern stand und als Summe der Mitgliederanzahl + VÖ-Jahr (9+99) praktisch einfach umgedreht wurde - origniell, but: geschenkt.
Happy Birthday nachträglich, Slipknot! Und Danke, dass ihr mich am Ende dann doch noch von eurer Genialität überzeugen konntet, die allerdings viel zu lange Brach lag zwischendrin. Oder wie ihr bzw. Corey es formulieren würde: "Ich muss laut lachen, ich wünschte, das würde mir nicht gefallen" (Wait And Bleed). Bussi.
Im Vergleich zu Nirvana sind die Slipknots sinnbildlich nur irgendwelche Pausenclowns: Lyrisch, gewollt (anti-)ästhetisch und auch im Verhältnis: Songs, die zünden / im Gedächtnis bleiben (Quantität / Qualität).
Konnte mir aber 15 Jahre nach Veröffentlichung mal bei ner Party Wait and bleed anhören, ohne dabei sofort Zustände zu bekommen...
Am Anfang habe ich es gehasst, wie fast alles
Nu-Metal-Breiige.
Das selbstmitleidige Gehabe kommt halt bei den ganzen Nu-Metal-Acts nicht so gut rüber, wenn kein richtiger Hintergrund dafür da ist.
Der liebe Kurt hätte sich spätestens ab 99 die Kugel gegeben, wenn er gesehen hätte,
was die total-sellout Spätausläufer der "Rock-Musik" im weitesten Sinne daraus gemacht haben.
Naja sei es drum, Fehler macht jeder...
Selbst einer meiner Helden die Band Primus hatte sich mMn zu sehr an diesen damaligen Mainstream angebiedert mit dem Album Antipop und schrecklichen Fred Durst Colabs usw...
Haben aber zum Glück wieder die Kurve gekriegt.
Es gab aber auch so Back-to-the-roots Musik wie The White Stripes, ich denke, da wär er eher beim Konzert gewesen.
Naja, also, ich hab verinnerlicht, dass Selbstmitleid immer noch die beste Waffe gegen FDP-Kapitalismus ist. Hier packt man das Übel durch Einschleusung direkt an der Wurzel.
Selbstmitleid hin oder her...
Es kommt nur auf das "Wie" an.
Wer es besser transportieren kann durch die Musik
und da Slipknot überhaupt ansatzweise im gleichen Atemzug zu nennen wie Nirvana,
ist schon sehr ambitioniert mMn,
aber das war die FDP auch einmal.
Ich bezog mich ja auf die Widersprüchlichkeit, die durch Slipknot besser zum Tragen kommt, weil Nirvana ja offenkundig - in der Nachbetrachtung vielleicht viel deutlicher - geniale Songideen hatten, es daher gar keine Widersprüchlichkeit in Wirklichkeit gegeben hat, ¿comprendido? Und Songwriting ohne Selbstmitleid!? Wo soll denn das bitte enden, Viva la Vida?
...
...mal abgesehen davon, dass Kurt durchaus einen ganz schönen Schalk im Nacken hatte, der bei Corey wohl keinen Platz gehabt hätte, denke ich, dass Kurt Cobain insbesondere durch sein teils zur Schau getragenes Selbstmitleid viel für die Emotionalisierung des Mannes beigetragen hat, was bis heute noch als Jammertum abgetan wird, traut man sich dann mal wirklich auch ohne Lösung (Männer müssen Lösungen finden) eines Problems sich trotz der Widrigkeiten des Lebens zu öffnen und teil zu haben, am Gesellschaftlichen Passions-Diskurs
.