laut.de-Kritik
Leere, Wein, Klavier im Akustik-Format.
Review von Rinko HeidrichDie Lichtburg in Essen ist nicht nur Deutschlands größter Filmpalast, sondern auch ein wunderschönes Kino, in dessen bequemen Polstersitzen man anspruchsvolle Arthouse-Filme genießen kann. Im April waren dort allerdings Sondaschule zu Gast, Deutschlands erfolgreichste Ska-Punk-Band, deren letztes Album "Schere, Stein, Papier" in die Top 10 der deutschen Charts eingestiegen ist. Der Auftritt wurde für eine DVD-Veröffentlichung gefilmt, die nun diesem Akustik-Album beiliegt.
Die Idee, Punk in Gebäude der Hochkultur zu bringen, ist nicht ganz neu. Die Toten Hosen okkupierten für "MTV Unplugged" mit ihrer friedlichen Fanschar das Wiener Burgtheater, in Dortmund steht das Schauspielhaus nach dem Musical "Häuptling Abendwind und Die Kassierer" auch noch. Ein kontroverser Song wie "Ich onaniere in den kopflosen Rumpf von Uwe Seeler" findet sich in der Diskographie der Sondaschule zwar nicht, aber immerhin ein Diss namens "Herbert Halt's Maul" ("Von A Bis B"), der sich über Grönemeyer und dessen "laute und primitive" Sprache auslässt.
Ihre Heimatstadt besangen die Ruhris bereits in der Hymne "Mülheim an der Ruhr" vom Album "Schön kaputt", das Akustik-Set eröffnet aber die Ode an die niederländische Hauptstadt "Amsterdam". Im Gegensatz zur reggaelastigen Album-Version, könnte hier gleich Ina Müller mit ihrem Akkordeon in den Song mit einsteigen. Das hat mit den Marihuana-Schwaden nicht mehr viel zu tun, sondern eher mit Küstennebel und Hafenromantik in Hamburg. Die Lyrik ist mit Zeilen wie "Alles ist perfekt, genauso wie es sollte / Komm mach mit, schieß' dich hoch auf unsere Wolke" nie weit von chartsüblicher Emo-Prosa entfernt und animiert zum Schwenken der Feuerzeuge.
Das wirklich feurige "Waffenschein bei Aldi", live ein Garant für Pogo, erinnert ein Jahr später nur noch an einen traurigen Barden in der Fußgängerzone. Sänger und Texter Costa mag ein grundoptimistischer Mensch sein, aber ohne jegliche Wut im Bauch verkommt der treibende Punk-Song zur banalen Gute-Laune-Mitwipp-Nummer. Auch "Arschlochmensch" verkommt ohne den Druck der Rock-Gitarren zu Klavier-Geklimper der Marke Johannes Oerding oder Roger Cicero.
Lässt man diese gefährliche Nähe zu Kaufhaus-Jazz außen vor und holt Ingo Knollmann von den Donots dazu, ergibt das immerhin "RIP Audio", was die Ska-Wurzeln von Sondaschule hervorhebt, aber mit biederer "Früher war alles besser"-Nostalgie auch keinen größeren Mehrwert liefert.
"Schere, Stein, Papier" war schon als Studioalbum relativ kantenlos, die Unplugged-Mutation gerät nun aber so glatt poliert, dass Rutschgefahr besteht. Das letzte bisschen Rotz liefert nur noch Costa, dessen Stimme und Schnoddrigkeit etwas Charisma einbringt, dem aber abgerockte Kneipen-Luft doch besser steht. Fans der Band bekommen in der Album-Box besagtes Lichtspielhaus-Konzert auf DVD hinzu und können sich am visuellen Konzert-Eindruck und weiteren Songs aus der sechzehnjährigen Bandgeschichte erfreuen.
3 Kommentare
Das Akustik-Album beinhaltet die "Schere, Stein, Papier" komplett im Studio eingespielt; nur eben "unplugged" (= CD).
In der Lichtburg in Essen war seinerzeit ein Konzert zu erleben, das einen Querschnitt durch 16 Jahre Sondaschule darstellte und mit den o.g. Aufnahmen kaum etwas zu tun hatte (= DVD). Auch die SSP-Songs finden sich auf der DVD in einer anderen Version als auf der Akustik-CD.
Die Rezension ist in diesem Punkt eher missverständlich; es klingt so, als wäre auf der CD ein Live-Mitschnitt des Konzerts zu hören. Vielleicht kann der Rezensent das noch korrigieren. Danke!
(Abgesehen davon stimme ich der Bewertung der CD, also der Studioaufnahmen, zu. Da wäre wirklich mehr drin gewesen.)
Sorry, da ging was durcheinander, danke!
diagnose-förderklasse 2a (münchen ost) sagt: "scheißenmusik", "behindert"