laut.de-Kritik
Guter Neuanfang einer der dienstältesten Rock-Bands.
Review von Philipp KauseDie Preziosen haben Status Quo hinten platziert. Ab Track 7 folgen die Anspieltipps geballt: erst der Titeltrack "Backbone", Classic Rock im US-Stile, riding on the freeway, hey!
Rhino Edwards geht mit den Echos der Bassgitarre mitunter förmlich in die Knie, in die ultratiefen Tonregionen. Schnell spielen Status Quo das ganze Album hindurch. Mit "Better Take Care" setzen sie gleich einen ordentlichen Southern Rocker mit viel Elektrizität obenauf. Der brandet auf, als käme der Sound der originalen Lynyrd Skynyrd wieder in Mode.
"Falling Off The World" steigert erneut die Qualität. Hiermit liefern Status Quo einen reißfest gestrickten Hit: prägnanter Text, widerspenstiger Rhythmus, eingängige Melodie, knackiges Schlagzeugspiel, genug Raum für Soli und frei stehende Riffs, Härte in den Strophen, immer noch relativ viel Härte im Refrain, eine weiche Bridge. Die Konstruktion aus harten, schroffen Bestandteilen und durchaus vorhandenem Mitsing-Potential funktioniert gut.
In "Get Out Of My Head" wird es Zeit für den Genre-üblichen Glam-Stomper, mit abruptem Finale. Den allerfeinsten Power-Pop in "Running Out Of Time" haben sich Status Quo in genau dieser Abmischung wohl bei ELO abgelauscht, identische Machart. Der Background-Gesang und das Wechselspiel zwischen den Gitarren betonen die Melodie etwas stärker, als das in den anderen Songs des Albums passiert.
Der bluesgetränkte Smash-Song "Face The Music" aus der Kategorie 'Lieder über Musik' passt des Nachts in einen überheizten Irish Pub, in dem auch der letzte Platz besetzt ist, das Bier nicht mehr ganz so kühl und die Fish'n'Chips vor allem Panade-Teig mit Pommes sind, aber die Stimmung gut ist und für Letzteres die Musik aus den Lautsprechern sorgt. Nachteil: 'Nur' ein Bonus Track!
Auch den Quasi-Country-Rocker "Crazy Crazy" möchte man in dieser Stimmung ungern missen - muss man aber, wenn man nicht gleich zum limitierten Box-Set mit T-Shirt greift. Für dessen Preis entschädigt immerhin eine aktuelle Live-Scheibe in der aktuellen Besetzung.
So sehnsüchtig tönt die Melodie in "Crazy Crazy", vom Wunsch erfüllt "to see that girl again". Die Riffs sitzen so kantig wie Karateschläge. Der Rhythmusgitarrist im dritten Lehrjahr, Richie Malone, macht seine Sache hammergut - so wie auch der energische Drummer Leon Cave. Bisher war er 'nur' auf Tour und auf Akustikalben zu hören. Jetzt feiert er seine Premiere als fester Status-Studiodrummer.
Cave stammt aus einer Musikerfamilie, die ihn im zarten Alter von vier mit Iron Maiden, Saxon und Manowar 'infizierte'. Er zögerte nicht, übte als kleiner Steppke in der Trotzphase trommelnd "Rat Salad" von Deep Purple. Heute zahlt sich das aus, denn die ganze "Backbone"-Platte vibriert unter seinen knallharten, statisch aufgeladenen Beats, die so ungemein lässig und sicher rüberkommen.
Gerade sein Spiel macht das Album auch schließlich zu einem guten Neuanfang nach Parfitts Tod - selbst wenn die erste Ladung Tracks etwas eintönig nebenbei durchrieselt.
Besonders basslastig wummert "Backing Off" und erinnert damit an die Prä-Metal-Sixties. Auf der Suche nach alten Honkytonk-geprägten Sound wird man auch fündig: "I Wanna Run Away With You" ist zudem exakt das, was Songs wie "In The Army Now" an Drive auszeichnete. Der Titelsong "Backbone" wurde zu Recht zur Vorab-Single gekürt, aber auch "Face The Music" und "Falling Off The World" könnten sich als Einzeltracks selbständig machen. In letzterem Song heißt es:
"So many years of knock knock knockin' on doors / Walking backwards on the cold, wet venue floors / Fell on deaf ears, it's easy to ignore / There's a chance that things might go your way / Pick a card, turn a trick, find the ace of spades / Spin the wheel, roll the dice, black, wins again, and again." - Ist das nicht poetisch? - "So viele Jahre an Türen klopfen / rückwärts durch kalte, nasse Eingangsbereichen laufen / auf taube Ohren stoßen, Ignorieren ist einfach / Es gibt eine Chance, dass die Sachen laufen / Zieh 'ne Karte, greif zu einem Trick, finde das Pik-Ass / Dreh das Rad, nutz die Chance, schwarz, gewinnt wieder und wieder."
Darin kann man dank des Bildes aus "ace of spades" und "black" schon eine Anspielung sehen: Schwarz, Negativität, Gruftigkeit, Pessimismus behalten die Oberhand, aber Musik von Motörhead & Co. ("Ace Of Spades") nährt tagtäglich die Hoffnung. Vielleicht eine weit hergeholte Deutung.
Gut, diese Art Classic Rock ist ja auch keine Dylan-Literatur, sondern soll den Alltag vergessen machen und die Köpfe durchschütteln. Genau das klappt hier gut. So lange die Platte zudem so viel Spaß macht, dass man sie fühlt und deuten will, lautet das Urteil: Sehr gutes Produkt! Weiter so!
3 Kommentare mit 2 Antworten
Rat Salad von Deep Purple? Dass wusste ich nicht. Dachte der ist von Sabbath. Mit Rezensionen Geld verdienen und dann solche Fehler reinhauen. ????
Sehr gut.
Das war ein Statement vom Drummer selbst. Er meinte wahrscheinlich die Drum Soli bei Deep Purple in "Flight Of The Rat" 4:48-5:14 Min. und Black Sabbath, "Rat Salad" 1:16-2:07, verwechselt.
Jetzt, wo Francis Rossi das einzig verbliebene Gründungsmitglied von Status Quo ist, war ich sehr gespannt auf das Album. Für mich war ziemlich gut hörbar, dass Status Quo sich auf einer Gratwanderung befinden. Auf der einen Seite die immens große Fangemeinde nicht zu vergraulen, auf der anderen Seite die Musik nicht austauschbar werden zu lassen und den neuen Bandmitgliedern ihre Identität zu nehmen. Ein Neustart lässt sich halt nicht mit alten Schuhen machen.
Für mich ein sehr gelungenes Album mit einem Titelsong, der einem durch Mark und Bein geht.
Ein Glück, dass Rossi nicht einfach einfach hingeschmissen hat - dafür braucht es auch das beschriebene Rückgrat.
Immer noch ein Hammeralbum