laut.de-Kritik
Warum haben sich Sting und Dave Stewart das angetan?
Review von Benjamin FuchsWind. Energisch geschlagene Drums liefern den spannenden Auftakt. BumBumBumBum. Gleich gehts los mit dem ersten Song des neuen T.A.T.U.-Albums. Plötzlich, früher als erwartet, setzt dramatisch eine Stimme ein. Die Drums lassen unbeeindruckt weiter ihr BumBumBumBum im Hintergrund ertönen. Alles gipfelt im mantraartig wiederholten Satz: "It's all about us". Es ist die erste Single und zugleich der Opener nach dem "Dangerous And Moving"-Intro, das getrost von der Analyse ausgelassen werden kann.
Von der Machart her erinnert "All About Us" an "All The Things She Said", die erste Single des letzten Albums, nur um Längen langweiliger. Womit das Schlüsselwort für das vorliegende Werk gefallen wäre: Langweile. Es gibt eine Menge Midtempo-Langweiler, langatmige Balladen mit süßlich ins Mikro gehauchten Texten und ansonsten genug lahme Gitarren für etwa zweieinhalb Singles, die im Refrain rocken. Keyboards, die spielend zwischen tiefen Achtzigern und hektischem Eurodance der Mittneunziger wechseln, geben der Platte den Rest.
Das Image haben Lena und Julia ein wenig verändert. Weg von den Schulmädchen-Lesben hin zu den toughen, jungen Powerfrauen, die sich auch gerne mal ein Bett auf dem Schrottplatz aufstellen, um darauf in engen Shirts und knappen Shorts zu posieren. Klar, Julia ist jetzt Mutter, hat einen Freund, und die Lesbennummer lässt sich damit nach der Bienchen- und Blümchen-Theorie weniger überzeugend verkaufen. Soll man den Mädels Glauben schenken, war das ja auch nie beabsichtigt. Sie machen einfach gern, was sie wollen, hört man. Und wenn es nur darum geht, auf ihrer russischen Seite mit Kinderzimmerfotos und niedlichem Tagebuchdesign schmierige Fantasien zu bedienen. So was denken sich junge Frauen ja gern mal beim Fußnägellackieren aus. Marketingstrategie? Never, das kommt bei denen halt so aus tiefstem Herzen ... echt jetzt.
Lauschen wir zur Auflockerung doch einfach dem offiziellen Biografietext der deutschen T.A.T.U.-Homepage: "Diese beiden Mädchen zeichnen sich dadurch aus, dass sie in einer Welt, die sonst von konstruierten und exakt durchkalkulierten Entertainern beherrscht wird, noch immer auf ihre innere Stimme hören können und wollen." Nicht umsonst nennt man diese beiden Bauchentscheiderinnen auch die Rainer Calmunds des russischen Popgeschäfts. Aber das ist noch nicht alles. Julia und Lena präsentieren sich, wie sie sich selbst sehen, heißt es weiter. Als "künstlerisch, intellektuell und sexuell progressiv". Manche Dinge wirken unkommentiert einfach am Besten.
Gerade wegen des künstlerischen Anspruchs dürfte es auch nicht schwer gewesen sein, die Eurythmics und Sting an Bord zu locken. Der unterdurchschnittliche Halbrocksong "Friend Or Foe" stammt teilweise aus der Feder des Eurythmikers Dave Stewart. Den Bass spielte Studienrat Sting ein. Beides kann man dem Song nicht anhören. Er fügt sich nahtlos in den fröhlichen Reigen der Belanglosigkeiten ein. Der Elektroschnickschnack à la Musikraupe hält es zusammen. Da bleibt nur die Frage, warum Sting und Stewart sich das angetan haben.
Mit "Gomenasai" befindet sich eine ganz hörbare, wenn auch ziemlich austauschbare Ballade im Programm. Aber hier verschonen uns die beiden wenigstens mit ihren schrillen Gesängen im Hochfrequenzbereich, die nicht nur unendlich gequält heraus gequetscht klingen, sondern auf Dauer auch Trommelfell und Seele strapazieren.
T.A.T.U. präsentieren sich auf "Dangerous And Moving" musikalisch kaum verändert. Warum auch, wenns doch funktioniert! Künstlerische Meriten heimsen Julia und Lena damit allerdings nicht ein, auch wenn sie sich noch so sehr als Künstlerinnen und Intellektuelle verstehen. Da nützt es wenig, verärgert mit dem Fuß aufzustampfen.
94 Kommentare
Sehr schöne Rezension!
Habe gut gelacht.
wie gesagt. popschrott verarsche war noch nie oben
@dregenrocks (« Sehr schöne Rezension! »):
geht so.
ich finde beide alben sehr cool, mag den sound, den groove - nur wer sowieso nicht auf solcher art von musik steht, dem wird es wahrscheinlich nicht gefallen - und roxette hat sich auch nach jedem album gleich angehört, genauso ABBA und viele andere..... t.A.T.u. - sind für mich eine der besten Pop-Bands, die ich je gehört habe....
Schon seit Ewigkeiten kein Kaninchen mehr verspeist...
Ich hätte auch mal wieder so richtig Lust drauf!