laut.de-Kritik

Hinter der Fassade verstecken sich Melancholie und Unsicherheit.

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Mit "Currents" legt unsere Tante Impala einen massiven U-Turn hin. Die Fuzz-Gitarre, die aggressiven Riffs, der psychedelische Rock aus "Elephant" gehören der Vergangenheit an. Stattdessen stehen gertenschlanker Synth-Pop, Indietronica und vor allem Pop im Mittelpunkt des Geschehens. Gut, dass am Steuer schon immer ausschließlich Kevin Parker saß. Ein kleines Auto bietet einen weitaus kleineren Wendekreis als ein protziges Straßenschiff. Seine Aktionen bleiben auf diesem Weg unvorhersehbar.

Parker stößt wohl mehr einige seiner Anhänger gewaltig vor den Kopf. Aber für die bleibt die Vergangenheit mit "Innerspeaker" und "Lonerism" erhalten. "Currents" spricht zu jenen, die eine Veränderung nicht scheuen. Allein die Gegenwart lebt. Letztendlich bleiben von früher nur der prägende Bass, der flauschige Gesang und der Hang zum Psychedelischen übrig. Ansonsten zeigt sich der einst zu dreckige Sound heuer samtweich. Hinter der Fassade, kunterbunt wie eine Tüte Puffreis, verstecken sich in den Texten jedoch Melancholie, Kaltherzigkeit und Unsicherheit.

Der stotternde Flamingo-Pop "Let It Happen" durchlebt mehrere Transformationen. Motown-Gitarren, stampfende Beats und ausschweifende Miami Vice-Synthesizer bilden die Grundatmosphäre, bevor sich der schillernde Song mit ruckartigen Wendungen mehrfach neu erfindet und schließlich abrupt hängen bleibt. Hypnotische Streicher legen sich über eine zuckende Schleife, aus der sich letztlich Parkers Fistelstimme erhebt. "It's all around me, this noise / But not nearly as loud as the voice saying / Let it happen, let it happen / It's gonna feel so good."

"Let It Happen" legt die Messlatte für die weiteren Tracks in unerreichbare Höhen, die restlichen Songs geben sich aber nicht einfach geschlagen. "Eventually" pendelt zwischen Dreampop-Kitsch und hämmernden Schockwellen. Parker entledigt sich seiner abgestandenen Liebe. "It feels like murder to put your heart through this / I know I always said that I could never hurt you / Well this is the very, very last time I'm ever going to." Nicht irgendwann, sondern letztendlich genau jetzt bricht ein Herz entzwei.

Das harmonische "The Moment" komprimiert "Let It Happen" auf vier fingerschnippende Minuten. Ein ruckendes Schlagzeug, der sehnige Basslauf und ein entrückter Chor verbinden sich zu einnehmenden, aber niemals vorhersehbaren Pop. Im klinisch reinen Disco-Funk "The Less I Know The Better" schraubt sich Parkers Stimme endgültig in die Höhen eines Robin 'Juliet' Gibb.

Der Geschmack von Bourbon Vanille trifft in der lieblichen Ballade "Cause I'm A Man" auf Bitterkeit. "Lost in the moment for the second time / Each fucking doubt I make, unleash a cry / I'm just pathetic, that's the reason why." Obwohl Parker selbst peinlich berührt merkt, wie komplett neben der Spur er sich befindet, verfällt er in klischeehaftes Rollendenken. "Cause I'm a man, woman / Don't always think before I do / Cause I'm a man, woman / That's the only answer I've got for you."

Das abschließende Glanzstück "New Person, Same Old Mistakes" trägt eine ähnliche ungewisse Spannung wie der Opener "Let It Happen". Eine innere Unruhe, die das sitarlastige Lied mit meditativem, teilweise verstörenden Funk und einschneidenden Richtungswechseln umsetzt.

"They say people never change, but that's bullshit, they do", singt Parker in der zuckersüßen Schwermut von "Yes, I'm Changing" und weckt die Lust auf Engtanz und lecker knutschen. Die Beispiele, in denen Musiker sich zwischen zwei Platten dermaßen präzise auf den Punkt neu erfinden, lassen sich an einer Hand abzählen. Kevin Parker darf sich nach dem Update auf Tame Impala 2.0 zu ihnen zählen.

Trackliste

  1. 1. Let It Happen
  2. 2. Nangs
  3. 3. The Moment
  4. 4. Yes I'm Changing
  5. 5. Eventually
  6. 6. Gossip
  7. 7. The Less I know The Better
  8. 8. Past Life
  9. 9. Disciples
  10. 10. Cause I'm A Man
  11. 11. Reality In Motion
  12. 12. Love/Paranoia
  13. 13. New Person, Same Old Mistakes

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7 Kommentare mit 7 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Bin nach den ersten zwei Durchläufen schon recht begeistert. 'The Less I Know The Better' ist ein fuckin instant hit. Insgesamt scheint mir das das beste Album zu sein, das ich aus diesem Jahr bisher gehört habe. Muss ich mir auf jeden Fall analog zulegen. Wie es langfristig gegenüber 'Lonerism' abschneidet, wird sich zeigen, aber aktuell seh ich die so ungefähr auf Augenhöhe.

    • Vor 9 Jahren

      Da sind wir wohl mal wieder gleicher Meinung. Grosses Album. 'Let It Happen' ist nun zwar schon lange bekannt, aber immer noch mein Liebling. (Vergleichbar mit 'Living Zoo' von der neuen Built To Spill.) Was in diesen gut 7 Minuten passiert ist einfach verdammt grossartig.

    • Vor 9 Jahren

      'Let It Happen' ist der Chef der Platte, keine Frage. An dessen Genialität konnte ich mich nur mittlerweile einigermaßen gewöhnen.

      Höre mir gerade 'Living Zoo' an. Built To Spill kannte ich bisher nur vom Namen. Glaubst du die gefallen mir?

    • Vor 9 Jahren

      Der Rest der Platte muss sich nicht hinter "Let It Happen" verstecken. Stimme und Instrumente passen auf allen Tracks. Läuft bei mir aktuell im repeat modus. Hätte Platte der Woche verdient.

    • Vor 9 Jahren

      Denke schon. Unbedingt mal reinhören, 'Perfect From Now On' am besten. Und die Neue ist auch wieder toll geworden, wurde hier aber unerklärlicherweise (noch) nicht rezensiert.

  • Vor 9 Jahren

    Meine Neuentdeckung, neben Death Cab for Cutie und Everything,Everything, diesese Jahre auf dieser Soundebene, Und der erste Eindruck ist durchwegs positiv. Muss mir aber unbedingt noch die Vorgänger anhören. 4/5 ist durchaus angebracht und verdient.

    • Vor 9 Jahren

      Nach dem ersten Reinhören der Vorgänger, bin ich begeistert. Sehr facettenreich und viel Abwechslung. Die ersten zwei noch etwas rauher und Garage-Rock mässiger. Das Gesamtwerk lohnt sich anzuhören. 4/5 für alle drei. schönen Sonntag Sunny

  • Vor 9 Jahren

    Kannte die Vorgänger zwar nicht, aber die Platte gefällt mir. "Let it Happen" ist ein absoluter Überhit. Die 9.3 von Pitchfork sind aber m. E. etwas übertrieben.