laut.de-Kritik
Feature-Bombardement eines drittklassigen MCs.
Review von Alexander EngelenSchlappe 750.000 US-Dollar soll Alchemist für den Beat bekommen haben, den er für das letzte große Hip Hop-Album schusterte - Lil Waynes "Tha Carter III". 750.000 Kröten für ein ziemlich dreckiges Brett von Synthie-Wahnsinn. Im Jahr 2009 der Rap-Zeitrechnung ist da nicht mehr viel Luft nach oben. Oder gibt es doch noch eine Steigerung?
Alchemist selbst würde vermutlich verneinen. Nicht weil er keine Ambitionen hätte, weiter die Karriereleiter nach oben zu steigen ("Blueprint III" vielleicht!?), sondern eher, weil für ihn Attribute wie oben und unten anderen Definitionsgrundlagen unterliegen. Alchemist ist ein Kind der Oberschicht, aufgewachsen in einer Villa in Beverly Hills. Seine Sporen verdiente er jedoch als Produzent für Rapper vom anderen Ende der amerikanischen Gesellschaft, fertigte Instrumentals für die Ghetto-Tales von Mobb Deep.
Ein ähnlich ambivalentes Verhältnis pflegt Alchemist außerdem hinsichtlich der Kategorien Mainstream und Underground, die er sich abwechselnd und ohne den Hauch von Schwierigkeiten zwischen seiner DJ-Tätigkeit für Eminem und seiner Produktionsarbeit für Cormega oder Big Noyd überstreift.
Diese Dialektik schlägt sich - wie bereits auf seinem Produktionsdebüt "1st Infantry" - auch auf knapp 60 Minuten "Chemical Warfare" nieder. Die Künstler, die hier in scheinbar wahlloser Ordnung aufeinanderfolgen, sind aus dem Baukasten der Rap-Kategorisierungen zusammengewürfelt: Underground, Gangsta, Conscious, Backpack, Mainstream - da bleibt kein hanebüchener Anglizismus aus dem Wörterbuch des gemeinen Hip Hop-Kritikers ungenannt.
Eines aber ist im Hause Alchemist trotz der breiten Palette seiner Kollaborationspartner gleich geblieben: Aus der MPC des Wahl-New Yorkers kommen nach wie vor die mächtigsten Beat-Bretter, die die Rap-Schreinerei im Geschäftsjahr nullneun im Angebot hat. Die quantifizierten Drums und grimmigen Synthie-Lines des Kaliforniers drücken wie nichts Gutes in Magengegend und Gehörgänge. Für Kool G Rap, Three 6 Mafia, Juvenile, KRS-One, Dogg Pound und natürlich Langzeit-Kollege Prodigy lanciert ALC Trademark-Peitschen, die Soundsysteme und Genick-Muskulatur gleichermaßen an die Grenzen der Belastbarkeit bringen. (Wem das nicht genug ist, der lässt sich bitte noch einmal die Liste der gerade genannten Kollaborateure auf der Zunge zergehen!)
Zusätzlich hat Alchemist drei Singles in petto, die sich gut und gerne in sämtlichen Play- und Bestjahreslisten behaupten können: Erstens ein musikalisches Laser-Gruselkabinett auf Glockenspiel mit Jadakiss, Pusha T und Snoop Dogg in der Traum-Hook ("Lose Your Life"). Zweitens ein Leftfield Hip Hop-Gipfeltreffen mit Talib Kweli, Blu, Evidence und Kid Cudi auf E-Gitarren-Loop in Endlosschleife ("Therapy"). Und drittens ein wahres True School-Lehrstück in Sample/BummTschack-Ästhetik mit einem endlich wieder überzeugenden Twista und Gänsehaut-Refrain vom verlorenen Sohn des Neo-Soul Maxwell ("Smile"). Drei Tracks, die sogar ein Flo Rida-Album zur respektablen Rap-Veranstaltung und Alchemist zur unbestreitbaren Größe im Spiel machen.
Was hat sich also seit dem fünf Jahre zurückliegenden "1st Infantry" geändert? Zwei Dinge: Erstens sind die Gäste noch namhafter geworden - Eminem, M.O.P., Fabolous und Jadakiss machen sich ohne Zweifel gut im Marketinplan. Zweitens hat Alchemist das Mikrofon für sich selbst entdeckt - und genau hier liegt der Hund begraben. Alchemist ist ein herausragender Produzent, aber auch wenn er einst als Rapper bei The Whooliganz angefangen hat, ist er nur ein drittklassiger MC. Bei seinen etlichen Rapauftritten auf "Chemical Warfare" hinkt er, nicht nur in Sachen Qualität, sondern de facto seinen Beats hinterher.
Die neugefundene Zuneigung zum Mikrofon hatte im Zusammenspiel mit Oh No (als Duo Gangrene) oder Evidence (als Duo Stepbrothers) zugegebenermaßen ihre betörenden Momente, auf den großen Singles des Albums jedoch schmälert Alchemists Part deren Größe. Manchmal gilt eben auch für das Künstlerdasein die wichtigste und einfachste Regel: Weniger ist eben doch mehr.
10 Kommentare
Zitat (« "...für das letzte große Hip Hop-Album schusterte - Lil Waynes "Tha Carter III". " »):
ab da hatte ich schon keine Lust mehr weiterzulesen.
Ich will die Scheibe als Instrumental-CD, "Lose your Life" is ne Bombe, grade als Clipse Fan endlich mal was mit Leuten ausserhalb des Star Trak-Umfelds.
Ich bin raus...
Rappende Producer, das ging schon bei Kanye in die Hose, was soll das bloß?
@PhoenixXx (« @lautuser (« Rappende Producer, das ging schon bei Kanye in die Hose, was soll das bloß? »):
welcher kanye denn? von west kannst du nicht sprechen, bei dem ging es nämlich nicht in die hose. »):
Ja, ne - genau den meinte ich, kann seinen Rap überhaupt nicht ab, eine übertriebene Zur-Schaustellung von zu wenig Skillz, er sollte es ebenfalls beim producen belassen (die neue Jay Z Single ist der Shit, wenn ich das für Kanyes Ehrenrettung hier einfügen darf..).
DOA ist nicht von Kanye, sondern von NO ID produziert worden
hör grad THERAPY!
das is ja mal über genial- talib geht auch gut drauf ab.
swiss beats kann übrigens genauso schlecht rappen wie achemist um das mal gesagt zu haben!