laut.de-Kritik
Wenn gebrochene Herzen besungen werden, dann im Pyjama.
Review von Markus BrandstetterAls wäre kein Tag vergangen ... okay, ganz so ist es auch wieder nicht. Denn nachdem The Corrs in den späten Neunzigern mit sterilem Kaufhaus-Pop den Soundtrack für jedes Großeinkaufszentrum lieferten, versuchten sie vor gut zehn Jahren mit "Home" eine Rückkehr zu ihren irischen Wurzeln. Kommerziell klappte das allerdings nicht. Dann kam erst mal eine Auszeit.
Zehn Jahre später kommt die Familienkapelle mit jenem altbewährten Rezept zurück, das damals schon einwandfrei funktionierte: Musik für Tupperware-Partys und Duftbäder. Synthetisches Wohlfühlgedüdel mit zuckersüßem Gesang, wie gemacht für den Schaumkaffee beim Kaffee-Franchise ums Eck.
Rustikal Gälisches, sprich Irish Folk, hört man nur im Ansatz. Das Stück heißt "Gerry's Reel" und ist zwar tatsächlich ein Reel, kommt aber in seiner Klangästhetik ähnlich opulent daher wie Klassik-Pop (Sie wissen: Langhaarige Violinisten mit offenem Hemd, die zu 4/4-Beats eingängig klassisch fideln). Bei "Stay" gibts dann noch eine irisch anmutende Instrumentalhook, das wars dann aber im Prinzip mit den Roots.
Der Rest ist eine nicht enden wollende Beschallung einer Hollywood-Schmonzette, manchmal mit Klavier, meistens mit viel Konservensounds. Immer hochemotional, immer anschmiegsam, nie sperrig. Wenn Andrea Corr textlich über das Leid meditiert, dann fragt sie sich, warum der Himmel denn so grau und wo denn die Sonne hin ist.
Wenn gebrochene Herzen besungen werden, dann mit viel Schokoladeneis und im Pyjama - jugendfrei, steril und sauber. Wenig Tiefang liegt hier im Sinn der Sache: Man soll sich an nichts stoßen, über nichts stolpern. Im Corrs-Land ist alles gorgeous, achy breaky heart hin oder her.
Bei all dem Hochglanz legt es "White Light" gar nicht darauf an, modern zu klingen. Das klappt, alles auf "White Light" könnte auch auf jedem anderen Album ihrer Kaufhaus-Pop-Phase sein.
Der Opener "I Do What I Like" zum Beispiel, da rast das Herz von Andrea Corr, und sie kann es nicht "down slowen", singt sie, nachdem mit ein paar Doo-Doos die ganze Chose eröffnet ist. "Now I can see the blue skies, I can see paradise / I can feel the warm sun on my skin / Oh, paradise, paradise / Cause it's my life, I do what I like / Doo-doo-doo-doo-doo". Voll auf die Wohlfühl-Zwölf! So auch in "Bring On The Night": "I read the book you read / Tasted the words you said / Our story is darkening with time" – aber das ist keine Dunkelheit, vor der man sich fürchten muss: Dafür sind die unangenehmen Gefühle zu angenehm dargestellt.
Die Refrains funktionieren dabei natürlich ganz hervorragend. Gut, vielleicht ist kein Chorus so gemein catchy wie damals "Radio", aber wir spielen schon ungefähr in dieser Liga. Alles klingt so einlullend vertraut. "Unconditional" könnte sogar ein Taylor-Swift-Chorus von "1989" sein, aber nur nicht ganz so raffiniert.
Das beste Lied der Platte ist wohl "Ellis Island", eine Klavierballade ohne großen Firlefanz. "On the second Sunday / Annie be my guide / Liberty's a welcome / To an aching eye / We'll grow up together / Far away from home / Crossed the sea and ocean / To the land of hope / Kingstown to Liverpool / Crossing the Irish Sea / You gotta keep your wits on you", singt Andrea Corr. Die Schwestern setzen zum Harmoniegesang an. Gorgeous.
Überhaupt wird es gegen Ende etwas akustischer. Das steht der Band, wie wir seit dem MTV-Unplugged-Auftritt wissen. Nicht, dass es dadurch weniger harmlos werden würde. Mit "With Me Stay" geht sie zuckersüß zu Ende, diese Marzipantorte mit Zuckerglasur von einem Album. Man könnte es auch einfach L'Oreal-Pop nennen. So verdammt sauber und so dermaßen langweilig.
2 Kommentare mit 4 Antworten
Hab mitbekommen, wie das im Hessischen Radio besprochen wurde. Der Moderator hat (durch die Blume) zugegeben, dass er ursprünglich eigentlich nur die Sängerin hatte knallen wollen.
Das kann man ihm wirklich nicht verübeln
L'Oreal-Pop...ist das sowas wie der Anwalt'sche Orsay-Pop?
Wer wollte die nicht knallen? Am besten mit ihren beiden Schwestern...:-)
Es ist schon erstaunlich, wie sehr die laut.de-Rezensionen ins Kritische abdriften, nur wenn Interpreten im Mainstream einen Erfolg haben/hatten. Die Rezension zu diesem Album empfinde ich als einen Affront. Wie hier abwertend und zum Teil auch beleidigend geschrieben wird, das ist zum Teil schon weit weg von einer objektiven, musikalischen Betrachtung: "Musik für Tupperware-Partys" und "L'Oreal-Pop" mal als Beispiele herausgenommen. Was ist das bitte für eine musikalische Analyse? Auch gefällt mir nicht, wenn einzelne Lyrics herausgenommen werden und lächerlich dargestellt werden. Dies wäre auch bei fast jedem 5-Stern-Album möglich würde ich behaupten. Da lässt man aber davon ab.
Noch ganz allgemein:10 Jahre machten The Corrs davor Pause. Es sind meiner Meinung nach wenige Songs mit absoluter Hit-Qualität wie früher, aber dennoch ist das Album in sich komplett stimmig, beinhaltet The Corrs-typische irische Elemente, den Pop der frühen 2000er, aber auch Elemente, wie sie zu 2015 passen. Ich finde, es wäre für viele Rezensenten wichtig aufzupassen, dass Mainstream-Musik und Radio-Musik nicht immer als negativ abgestempelt wird. Das grenzt zuweilen an Respektlosigkeit.
Go on, goooohuuuu on,
Leave me breathless,
Come on!
"Die Rezension zu diesem Album empfinde ich als einen Affront."
Heul leise, Fanboi.