laut.de-Kritik
Der kreative Höhepunkt einer zu kurzen Band-Karriere.
Review von Alexander CordasDas muss man sich einmal vorstellen: Das gesamte Schaffen von The Police spielte sich in der lächerlichen Zeitspanne von gerade einmal sechs Jahren ab! Zwischen 1978 und 1983 entstanden dabei fünf Alben, die allesamt als Klassiker der Musikhistorie gelten. Lieder wie "Roxanne", "Message In A Bottle", "Don't Stand So Close To Me" und "Every Breath You Take" muss man nicht mehr besitzen, weil man sie tagtäglich um die Ohren geballert bekommt. Wenn nicht im Radio, dann doch spätestens auf irgendwelchen Partys, die sich dem Kreuzüber durch die Jahrzehnte verschrieben haben.
Auf ihren ersten drei Alben, also in der Zeit zwischen 1978 und 1980, huldigten Sting, Stewart Copeland und Andy Summers dem rohen Postpunk mit Reggae- und New Wave-Einflüssen. Diese Mischung ging so dermaßen durch die Decke, dass sich das Trio langsam Gedanken um eine künstlerische Weiterentwicklung machen musste. Als unumstrittenem Songwriting-Kopf der Band oblag es Sting, für frischen Wind zu sorgen, obwohl es den gar nicht benötigt hätte. Der Police-Dampfer befand sich in voller Fahrt und überall auf der Welt füllten die drei die größten Hallen. Im Stile ihrer drei ersten Alben hätten sie wohl bis in alle Ewigkeiten weitermachen können und wären trotzdem die gefeierten Stars gewesen.
Das war jedoch nicht im Sinne der Musiker, denn "Ghost In The Machine" krempelt ziemlich viel um, das vorher noch in Stein gemeißelt schien. Der rohe Sound aus Bass, Schlagzeug und Gitarre erfährt Unterstützung von Bläsern und Synthesizern. Hier liegt auch ein Streitpunkt innerhalb der Band begründet: Andy Summers war - gelinde gesagt - kein Freund des Synthesizers und wollte partout nicht einsehen, wieso er den Anteil seiner Klampfe für die Klänge aus der Dose herunterfahren sollte. Sting setzte seine Vorstellungen jedoch durch. So wundert es nicht, dass den Off-Beat bei "Spirits In The Material World" nicht, wie gewöhnlich, die Gitarre anstimmt, sondern Synths. Der Kompromiss sah vor, dass Summers in der Live-Version mehr Spielraum bekam. Dennoch: Der Grundstein für weitere Differenzen war gelegt.
Der Opener macht aber bereits deutlich, dass mit der Umverteilung der musikalischen Gewichtung keineswegs ein Qualitätsverlust einher ging. Copelands Tanz auf den Hi-Hats und sonstigen Klöppel-Instrumenten suchte schon damals seinesgleichen. Er zieht dem etwas seltsam anmutenden Rhythmus des Openers die Korsettstangen ein, die den Song in der Spur halten, während Sting mit dem Viersaiter vor sich hin dengelt, als ginge ihn der Rest nicht wirklich etwas an.
Hernach folgt mit "Every Little Thing She Does Is Magic" der untypischste Track des Albums, der mit seiner frohgemuten Stimmung und angedeuteten Steel-Drums innerhalb der Trackliste etwas deplatziert wirkt.
Der Entschluss, Synthies mit ins Boot zu holen, muss auch vor dem Hintergrund der 80er gesehen werden. Der Versuchung, den Gesamt-Sound zu erweitern, erlagen nicht nur The Police, wie man an manch einer Metal-Band ein paar Jahre später sehen konnte. Es lag in der Hand von Hugh Padgham (Peter Gabriel, Genesis, Yes, Elton John, ELP), aus den einzelnen Teilen etwas Homogenes zu zimmern. Dem Grammy-dekorierten Produzenten gelang das Kunststück, mit "Ghost In The Machine" ein unpeinliches Abbild der damaligen Zeit einzufangen, das auch heute noch als zeitloses Werk Bestand hat.
Gleiches gilt für das Cover-Artwork, das die Musiker als LED-Zeichen symbolisieren soll. Von links nach rechts: Andy Summers, Sting (mit Stachelfrisur) und Stewart Copeland mit unverkennbarem Seitenscheitel. Die Idee zum Cover wurde später mit hohen Platzierungen in zahlreichen Rankings bedacht.
Nimmt man die Instrumentalspuren des Albums und seziert sie einmal genüsslich, kommt man nicht umhin, dem Trio einen ausgesprochenen Sockenschuss zu attestieren. Für sich genommen klingt so vieles auf dem vierten Album von The Police dermaßen schräg und daneben, dass man sich einen Wolf wundert, wie diese Einzelteile ein derart stimmiges Ganzes ergeben. Speziell Stings Bläsersätze tröten scheinbar komplett an der Musik vorbei, bekommen aber immer wieder die Kurve in den Gesamtsound.
Textlich gibt sich "Ghost In The Machine" düsterer und mündet in "Darkness", das fast schon selbstmörderische Gedanken offenbart.
Die Ausnahmen der Regel: "Every Little ..." und der große Joke "Hungry For You". Letzteres textete Sting fast komplett auf Französisch, um dem dargebotenen eine unverfänglichere Note zu verpassen, dreht sich der Inhalt des Songs doch um die Verbreitung diverser Körpersäfte.
Dass The Police mit dem Album nicht auf Nummer sicher gehen wollten, zeigt auch die Auswahl der Vorab-Single. "Invisible Sun", einen Monat vorher ins Rennen geschickt, war die wohl ungewöhnlichste Auskopplung der Band überhaupt. Wabernde, drohende Synthies legen den Teppich, und Copeland hämmert stoisch auf die Tom. Diese Düsternis löst sich erst im Refrain auf, wenn sich wie aus dem Nichts eine famose Wall Of Sound gen Himmel empor zieht.
Mitten im Album tauchen mit "Rehumanize Yourself" und dem Reggae-Tune "One World" noch Reminiszenzen an vergangene Tage auf, die jedoch nicht mehr als ein letztes Aufflackern der Postpunk-Phase darstellen. Ansonsten ist hier das meiste lupenreiner Pop, wenn auch etwas schräg und quer dargeboten.
Das Album bereitet künstlerisch den Boden für den 1983 folgenden kommerziellen Höhepunkt mit "Synchronicity", auf dem sich ein Hit an den anderen reiht. Ohne den experimentellen Höhepunkt "Ghost In The Machine" wäre dieser aber ganz sicher anders ausgefallen. Wie auch immer: Das Vermächtnis von The Police legt auch mit "nur" fünf Alben ein beeindruckendes Zeugnis von musikalischem Können und songwriterischer Finesse ab.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
9 Kommentare mit 10 Antworten
Absolut verdienter Meilenstein. Invisible Sun ist einfach unglaublich gut, Demolition Man ebenfalls ein Klassiker. Das einzige Lied das etwas aus dem Rahmen fällt ist in der Tat Every Little Thing She Does Is Magic, aber das trübt meiner Meinung nach den überragenden Gesamteindruck dieses Albums überhaupt nicht.
Kult! Hat mich damals umgehauen und mit 15 meinen Horizont erweitert. Klar ist das Pop, aber qualitativ hochwertig und geschmackvoll.
Synchronicity ist noch eingängiger, da könnte man sich ewig streiten, was besser ist.
Verdienter Meilenstein!
Sehr schöne Rezension! Die Truppe war fantastisch, und ihre Karriere tatsächlich viel zu kurz - aber so einen Eindruck muss man erst mal hinterlassen, in dieser relativ kurzen Zeit!
The Police war für mich immer eine Single Band. Mir fällt kein Album ein das ohne Füllmaterial auskommt. Da aber die Band als ganzes ne Menge guter Songs abgeliefert hat, gibt es für den Meilenstein den Daumen hoch von mir.
Zusatz: Das Best-of ist ein Album ohne Füllmaterial.
Verdienter Meilenstein. Synchronicity drehte mir danach zu sehr Richtung Ethno-Pop und Weltmusik ab (von Andy Summers schauriger Komposition Mother ganz zu schweigen....), da ist das düstere Ghost in the Machine deutlich besser. Als Fan des rohen Frühwerks hätte von mir aus auch das Debüt Outlandos D'Amour als Meilensteinen gelten können - Ghost in the Machine steht dem jedoch gleichwertig gegenüber!
Schaurige Komposition trifft es wirklich gut.
“Synchronicity“ ist so ein wunderbares Album aber immer wenn dieses Lied ertönt, möchte ich die Stereoanlage mit dem nächstliegenden Gegenstand bewerfen
Absolute Legendenband! Habe sie 2007 live gesehen, eines der besten Konzerte meines Lebens.
Wundere mich auch ein bisschen über die “Ghost In The Machine“ als Meilenstein, hätte “Reggatta“ oder “Zenyatta“ gewählt. Eigentlich ist “Synchronicity“ mein Lieblingsalbum von Police aber die “schaurige Komposition Mother“ auf dem Album verhagelt das ein bisschen.
Auf jeden Fall schöne Rezension!