laut.de-Kritik
Radiorock ohne Nebenwirkungen.
Review von Emil DröllHilfe! Eigentlich hatte ich mich schon auf den Radiorock-Verriss von Three Days Grace gefreut. Aber warum gefällt mir das auf einmal? Werde ich älter? Fängt mir jetzt Rotwein an zu schmecken? Haben mir die Thomas Anders-Listening-Sessions den Verstand geraubt? Und seit wann machen Turnstile eigentlich Hardcore?
Zumindest an der Radiorock-These möchte ich mich festhalten. Denn für mich waren und sind Three Days Grace nie mehr und nie weniger als das – nur dass sich mir nun scheinbar das inoffizielle Genre Radiorock neu offenbart. Zumindest finde ich das neue Album "Alienation" überraschend gut. Und ja, vielleicht liegt es auch an der Rückkehr von Adam Gontier. Elf Jahre nach seinem Abgang steht der alte Frontmann wieder mit im Boot, diesmal im Wechselspiel mit Matt Walst. Zwei Stimmen, die sich nicht gegenseitig im Weg stehen, sondern tatsächlich ein bisschen Schwung in den festgefahrenen 3DG-Sound bringen. Produziert hat mal wieder Howard Benson, und klar, die Produktion klingt wie immer groß, glatt und völlig ungefährlich – aber wahrscheinlich will die Zielgruppe ja genau das.
Man will Stadionfeuerzeugrock, Songs zum Mitgrölen, ein bisschen Drama für den Schulhof und Hymnen für den Heimweg im Auto. "Alienation" liefert genau das. "Dominate" eröffnet mit Sleep Token-Vibes, ein Einstieg, der zumindest wachrüttelt. Danach pendelt das Album brav zwischen Mitschunkel-Refrains und kurzen Ausreißern ins Härtere. "Apologies" rauscht durch, ohne großen Eindruck zu hinterlassen, "Mayday" dafür ein klarer Hit mit catchy Hook. Der Titeltrack versucht sich am Spagat zwischen radiotauglich und etwas härter, was immerhin länger trägt als gewohnt.
Dazwischen gibt's Totalausfälle wie "Never Ordinary", das genau gegenteilig klingt, wie es heißt, oder solide Mitläufer à la "Deathwish". Ein kleiner Höhepunkt ist "In Cold Blood": erst ein Schlag in die Fresse, dann Vollbremsung, dann doch noch einmal Gas – hier zeigen die Jungs kurz, dass sie eigentlich viel mehr könnten.
Alles in allem bleibt es aber beim sicheren Stadionprogramm. Nichts auf "Alienation" sprengt die eigenen Grenzen, doch zumindest klingt es frisch genug, dass man sich nicht sofort nach dem Skip-Button verzehrt. Im besten Fall ist es ein Album für den Feierabend, wenn man ein Bier aufmacht und nicht über Songwriting-Innovationen nachdenken will. Im schlimmsten Fall plätschert es einfach durch, ohne weh zu tun. Three Days Grace bleiben, was sie immer waren – Radiorock. Und diesmal eben in einer Form, die man sich gerne wieder anhört.
3 Kommentare
Nicht jeder Song zündet gleich, manches wirkt etwas wiederholt oder zu glatt produziert. Trotzdem: Respekt, Three Days Grace bleiben ihrem Sound treu und liefern gleichzeitig neue Facetten.
Weil du's bist, hör ich doch glatt mal rein. Das mit dem Wein musst du aber unbedingt mal ausprobieren
.
Den Sound haben Middle Class Rut für mich vor zig Jahren geschmackvoller kredenzt.
https://www.youtube.com/watch?v=UH2N8ljUu5…