laut.de-Kritik
Wo steckt Captain Planet, wenn man ihn braucht?
Review von Sven KabelitzWas tot ist, kann niemals sterben. Am 5. August 2013 schloss der Keyboarder und Sänger George Duke für immer seine Augen. Neben seinen zahlreichen Soloalben zählte er in dessen erfolgreichster Phase zu Frank Zappas Stammpersonal. Auf Alben wie "One Size Fits All", "Over-Nite Sensation" und "Apostrophe (')" gehörten seine Stimme und sein Tastenspiel zu den wichtigsten Elementen. In Thundercats Musik lebt seine Seele weiter.
Bereits auf seinem Debüt "The Golden Age Of Apocalypse" coverte der Bassist Dukes "For Love (I Come Your Friend)". Thundercat aka Stephen Bruner, der in der Vergangenheit mit Kendrick Lamar, Erykah Badu, Flying Lotus, Kamasi Washington und den Suicidal Tendencies arbeitete, bezieht sich in seinen Kompositionen, seinen Arrangements und vor allem seiner Stimmfarbe immer wieder deutlich auf sein Vorbild. Mit seinem Bassspiel wirkt "Drunk", als haben Duke und Stanley Clarke sich noch einmal zusammen getan, um 2017 ein zeitgenössisches Werk zu veröffentlichen.
Dabei verliert sich das Album nicht in der Erinnerung an die Vergangenheit. Zwar bezieht sich Bruner auf die Geschichte von Fusion-Jazz und Soul, führt diese aber mit Eletronica- und Hip Hop-Elementen in die Gegenwart. Nur, um im nächsten Moment mit einer Portion Yacht Rock wieder zwei Schritte zurück zu gehen. Am Ende steht eine frische Soundästhetik, die die Gäste Kendrick Lamar, Pharrell, Wiz Khalifa, Kamasi Washington, Michael McDonald und Kenny Loggins veredeln. Stop! McDonald und "Footloose" Loggins?
Das pastellfarbene "Show You The Way" führt zurück ins Jahr 1983. Auf einer Fete auf der "Riptide" kriegen die in der Sonne schmorenden Besucher in ihren Liegestühlen Cocktails mit Schirmchen gereicht. Gemeinsam mit Mr. Danger Zone und dem Doobie Brother bekommt Thundercat zur Begrüßung einen kleinen Applaus aus der Dose spendiert. Mit dem wunderbar wabernden Elektro-Funk "Friend Zone" widmet Bruner all den Jorah Mormonts unserer Welt einen Song. "I'm your biggest fan / But I guess that's not just good enough / You stuck me in the friend zone."
Die meist nicht einmal die Drei-Minuten-Grenze erreichenden Songs auf "Drunk" stecken voller versponnenem Humor, nerdischem Witz und Anspielungen auf die Pop-Kultur. Mal schreibt Thundercat Zeilen wie "So many feels, Bro/LOL", mal fragt er sich, wo Captain Planet bleibt. Im nächsten Moment spielt er lieber "Diablo" oder "Mortal Combat" (mit einem Freund in Vietnam?). Das geschmeidige "A Fan's Mail (Tron Song Suite II)" bietet massiven Cat Content. Bruner miaut sich durch den Track, singt "Everybody wants to be a cat". Da darf der vertrackte "Captain Stupido" auch mal vorpubertär schnarchen und pupsen.
Deswegen vorkommt "Drunk" noch lange nicht zu einer Karnevalsveranstaltung. "I'm drowning away all of the pain / Till I'm totally numb", kontert er den Spaß im Titelstück aus. Das an seine Arbeit mit Flying Lotus erinnernde Instrumental "Uh Uh" steht ganz im Zeichen von Thundercats virtuos gespieltem Bass. Das komplexe "Inferno" durchlebt mit entrücktem Klavierspiel, schleppenden Streichern, Prince-Percussions, düsterem Lachen und sich gegenseitig ausspielendem Bass und Schlagzeug seine eigenen neun Höllenkreise.
Wo die Brainfeeder-Labelkollegen Flying Lotus und Kamasi Washinton den Wahnsinn und die Verkopftheit ihres Labels verkörpern, steht Thundercat auf "Drunk" für die Sonnenseite. Trotz aller Wirrnis bleibt der Longplayer immer anschmiegsam und hörbar. Ein ebenso komplexes, verspieltes wie charmantes Sommeralbum, das nur so vor Ideen strotzt.
4 Kommentare
Einmal durch bis jetzt.
Sehr schöne Ideen und Grooves. Auch wenn nicht alle Tracks zünden, alles in allem trifft es perfekt meinen derzeitigen Geschmack.
Im April dann live, bin schon gespannt.
Ich finde es etwas zu stressig.
Ist nicht meins, nervt. Erkenne aber den Einsatz an, darum 2/5.
Flying Lotus ist mir einfach zu versponnen und Kamasi Washington bei näherer Betrachtung kein berauschender Saxophonist mit etwas zu vielen Ideen im Kopf. Da ist mir Thundercat noch am Liebsten. Das, was er am Bass da so fabriziert, sucht zumindestens momentan seinesgleichen. Insgesamt recht spacey und verträumt von der Atmosphäre. Finde ich von ihm bisher am Überzeugendsten.