laut.de-Kritik

Die kanadischen Strokes? Von wegen.

Review von

Tokyo Police Club haben bereits das vierte Album in den Startlöchern und sind doch noch immer eine junge Band – allem Anschein nach sogar jugendlicher denn je. So jedenfalls klingen die Kanadier auf ihrem neuesten Werk. "Forcefield" wirft mit eingängigen Popmelodien, seicht verspieltem Aufbau und Luftschlangen nur so um sich.

Die Band eröffnet mit dem fast neunminütigen "Argentina Pt. I, II & III", das sich nicht als großes Ganzes gibt, sondern als verschiedene Interpretationen eines Themas. Da hätte man eventuell mehr herausarbeiten können – wollte man aber eben nicht. Jugendlicher Leichtsinn? Oder Midlife-Crisis einer Band? Vor dem Albumrelease jedenfalls veröffentlichten Tokyo Police Club ein Video zu dem Song. Der Promozettel beschreibt dieses als innovativ, ich sehe im Großen und Ganzen einen Fernseher, auf dem die Lyrics entlang laufen. "I can see it, I can see it clear." Nein? Dann streu' Konfetti drauf.

TPC versuchen sich an einem Pop-Rock-Mix und schaffen tatsächlich ein paar Ohrwurm-Refrains. Beim neuen Material jedoch erneut von den "kanadischen Strokes" zu sprechen (einer Aussage, der ich so sicherlich noch nie zugestimmt habe) – damit lehnt man sich aber allzu weit aus dem Fenster. Die Songs kommen einigermaßen catchy daher, aber eben nicht besonders innovativ und ohne lange Halbwertszeit.

Gut gelungen sind beispielsweise "Gonna Be Ready" oder das roughere "Tunnel Vision". Dazu gesellen sich Songs wie "Toy Gun", die sowohl von Aufbau als auch Umsetzung ebenso zu Carly Rae Jepsen, Taylor Swift oder einem Hannah Montana-Verschnitt passen würden. Ähnlich verhält es sich mit der Singleauskopplung "Hot Tonight": "Drinking in the park, staring at the stars like a satellite dish. I had a good time and I'm ready to die." Kann man easy mitjubeln und sich noch mal wie mit 14 das erste Mal alleine im Urlaub fühlen. Alle mal bitte kurz so: Yeah! Ein bisschen kindliche Euphorie ist schließlich allemal besser als "Through The Wire", das belanglos vor sich hin plätschert. Und auch "Beaches" scheint fast ein Lückenfüller auf der 9-Track-starken/schwachen Platte zu sein.

Neben dem vierten Album in der Hand haben Tokyo Police Club außerdem eine große Fangemeinde im Internet. Die ist seit der Gründung der Band im Jahr 2005 nicht nur beständig gewachsen, sondern auch gealtert. Vielleicht sogar mehr als die Gruppe selbst.

Manch ein Liebhaber der frühen Stunde vergleicht TPC's neues Material nun mit den 97er MMMBop-Hansons, der (ehemalige?) Fan James mokiert sich gar auf der Facebook-Page: "Das neue Zeug klingt, als habe sich die Gruppe zu sehr von der großartigen kanadischen Musikszene entfernt und zu viel Zeit in L.A. verbracht. Ihnen ist nichts besseres eingefallen, als einen One Direction-Pop-Song names Hot Tonight zu schreiben. Wollt ihr euch noch mehr verkaufen als die Arctic Monkeys? Falls ja, seid ihr auf einem guten Weg."

Unter fast 200.000 Fans bei Facebook gibt es aber natürlich auch Leute, die das Ganze pragmatischer angehen. Wie Userin Natalie: "Ihr erinnert mich immer an meine Jugend. Dafür liebe ich euch!" Da haben Tokyo Police Club also doch jemanden gefunden, der genau so jung geblieben ist wie die Band selbst.

Trackliste

  1. 1. Argentina (Parts I, II, III)
  2. 2. Hot Tonight
  3. 3. Miserable
  4. 4. Gonna Be Ready
  5. 5. Beaches
  6. 6. Toy Guns
  7. 7. Tunnel Vision
  8. 8. Through The Wire
  9. 9. Feel The Effect

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