laut.de-Kritik
So viel Liebe, man möchte schreiend wegrennen.
Review von Toni HennigDas letzte Jahr war für die Schlager-Sängerin Vanessa Mai ein problematisches. Aufgrund der schmerzhaften Folgen einer Rückenverletzung musste sie ihre Hallentournee absagen. In Interviews redete sie offen über Erfolgsdruck. Auch das nun veröffentlichte Album "Für Immer" erschien nicht, wie geplant, im Oktober.
Nun scheint es ihr wieder besser zu gehen, was sich nicht überhören lässt. So beschreibt sie in einem Statement das Werk als "ein ehrliches, sehr authentisches Album", das "ein Dankeschön" an ihre Fans darstellen soll. Dafür habe sie laut Promo-Text "Ballast abgeworfen, Ketten gesprengt, Grenzen verworfen". Die Scheibe treffe, was sie "ausmacht" und was ihre "Fans lieben", lässt uns die Sängerin aus Backnang bei Stuttgart weiterhin wissen.
Tatsächlich bleibt Vanessa Mai ihrer eigenen Devise "Mein Herz schlägt Schlager" immer noch treu. Als "kettensprengend" lässt sich die Musik aber wirklich nicht bezeichnen. Vielmehr biedert sich die Sängerin an nicht gerade wenigen Stellen dem momentanen Mainstream-Zeitgeist an, wie man es von ihr kennt. Dass "Für Immer" das erste Werk seit längerer Zeit ist, das in Zusammenarbeit mit Ehemann und Manager Andreas Ferber entstand, hört man so gut wie gar nicht heraus. Die Platte klingt im Grunde wie jedes andere Album der Baden-Württembergerin, das bisher auf den Markt kam.
Oftmals läuft die Musik immer noch auf einen geraden Vierviertel-Bummsbeat aus den niedersten Katakomben der Après-Ski-Hölle hinaus. Wenn der einmal nicht im Vordergrund steht, machen es auch einfach Elektro-, Balearic-House- und Dancehall-Tunes, die sich alle gleich generisch und leblos anhören. Das lässt sich leider auch auf das oftmals effektbeladene dünne Stimmchen der geborenen Aspacherin übertragen. Das verfügt nämlich weder über Volumen noch über Ausdruck und Charisma. Ansonsten finden sich noch ein paar wenige Balladen mit viel unspektakulärem Piano-Einsatz, die jede x-beliebige deutschsprachige Vorabendserie untermalen könnten. So weit, so öde.
Dafür erheben die Texte dieses Machwerk zu einer schier unerträglichen Zerreißprobe. Statt in ständigem On-Off scheint sich Vanessa Mai mittlerweile in einem Zustand der Dauerverliebtheit zu befinden, und das möchte sie am liebsten jedem unter die Nase reiben. Einziger Lichtblick: "Spiegel, Spiegel". Das hat man ursprünglich für den Film "Nur mit dir zusammen" geschrieben, in dem Mai ihr Schauspieldebüt gibt. In dem Song blickt sie auf ihre schwierige Zeit und die damit verbundene innere Zerrissenheit zurück: "Spiegel, Spiegel an der Wand … sag mir, wer ich wirklich bin / Ich kann mich nicht mehr seh'n." So viel Selbstreflexion hätte man ihr dann doch gar nicht zugetraut.
Ansonsten möchte sie uns weismachen, im Leben laufe alles "magisch" und "perfekt", wobei sie vor keinem einzigen Liebesklischee Halt macht, sei es noch so banal und groschenromanartig. Selbst wenn man gerade bis über beide Ohren unsterblich verknallt wäre, sollte man vor diesem Werk geistiger Umnachtung ganz großen Abstand halten. Egal, wie sehr das Herz im "Bauch" bebt und die Hormone im Kreis tanzen.
Schon "Venedig (Love Is In The Air)" konfrontiert den Hörer mit dem wohl abgeschmacktesten Italien-Szenario, das man sich vorstellen kann, bestehend aus "Candlelights" und dem Rauschen des Meeres. Dabei genügt "ein Blick" eines dahergelaufenen Lovers, um die Sängerin in Feuer und Flamme zu versetzen. Natürlich lässt die gemeinsame Verschmelzung "tief im Ozean" der "Gefühle" nicht lange auf sich warten. "Ja, diese Nacht hält ewig", das dürfte für Vanessa Mai so sicher wie das Amen in der Kirche sein.
Auch im weiteren Verlauf hält alles "ein Leben lang, fernab von Raum und Zeit". Da reicht ein Begriff wie "tiefgründig" schon längst nicht mehr aus, um dem Wort "Liebe" auch nur ansatzweise gerecht zu werden. In "Hast Du Jemals" ist sie nämlich schon "deeper than the ocean". Wenig später setzt dann noch das Magenkrämpfe verursachende Gejaule Xavier Naidoos ein, der allerdings kaum treffender zusammenfassen könnte, wie man sich beim Hören dieser Platte fühlt: "Alles dreht sich, du weißt nicht, wie dir geschieht."
Man weiß es tatsächlich nicht. Wenn man so gut wie ununterbrochen irgendwelche geistigen Ergüsse über sich ergehen lassen muss, für die sich selbst Rosamunde Pilcher zu schade gewesen wäre, setzt der Verstand irgendwann zwangsläufig aus. Am Ende kommt man noch auf den Gedanken, tatsächlich zu glauben, dass die Liebe genau dem romantischen Ideal entspricht, das Vanessa Mai permanent besingt. Aber in "Ja Nein Vielleicht", einer Kooperation mit Stereoact, lautet es ja ohnehin: "Hab' keine Zweifel mehr, vergiss die Vernunft."
Hier stellt die Sängerin zudem ihrem völlig überforderten Objekt der Begierde, das sie gerade zufällig gesichtet hat, die Frage: "Willst du heut' hier bleiben?" "Wir vertrauen uns fast schon blind", trällert sie wenig später, ohne dass es überhaupt den Hauch einer Chance gehabt hätte, kurz einen vernünftigen Satz zusammenzubringen. Zum Schluss zweifelt sie zwar kurz: "Ich weiß nicht, ob's für immer reicht." Dem schleudert sie jedoch ein ungemein entschlossenes "doch" entgegen. Bei so viel Liebe möchte man am liebsten schreiend wegrennen.
In "Blue" steckt die Baden-Württembergerin den Kopf dagegen so lange in den Sand, bis irgendwann mal der perfekte Märchenprinz auf einem Ross angeritten kommt: "Wahnsinn, dass man Träume leben kann, hab' ich bis eben noch bezweifelt." Warum erfüllt sie sich die nicht einfach selbst? Irgendwie gibt die diffuse Logik der Sängerin ein unlösbares Rätsel auf.
Irgendwann wischt man sich kurz den Angstschweiß von der Stirn, da man denkt, die Gaga-Lyrik auf dieser Scheibe, die im Endeffekt zu einem ausgeprägten Dachschaden führt, endlich überstanden zu haben, aber: denkste. Man klatscht einfach noch "Mein Herz Schlägt Schlager 2.0" und ein paar Club-Remixe, unter anderem von Stereoact oder Schallkaiser, hintendran, die sich von den Originalversionen kaum unterscheiden, so dass sich die Zeilen der Sängerin noch hartnäckiger ins Gehirn einbrennen. Da rettet die Duett-Version von "Spiegel, Spiegel", die sie zusammen mit Schauspielkollege Axel Prahl singt, nicht mehr viel.
12 Kommentare mit 20 Antworten
3 Sekunden reichen. Sofort aufhören und beim Jobcenter eine Umschulung beantragen. Für die dämliche Fresse kann sie allerdings nix.
Naja, die Mucke ist natürlich zum abgewöhnen, aber anschauen kann man sie ja schon.
Geschmacksache, sagt der Bauer und leckt der Kuh am A****
Naja man gibt es ja ungern zu aber die Frau scheint ja ihre Fans und Erfolg zu haben. Da ihre Musik aber ansonsten nie gepsielt wird, kann es mir wie Helene oder der Wendler echt egal sein. Da höre ich täglich im radio schlimmere Sachen.
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Ungehört 5/5
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Ungeklickt 5/5
Naja, zwei Sterne kann man diesem gut produziertem Werk durchaus geben. Mehr ist in meinen Augen (und Ohren) aber beim besten Willen nicht drin. Christoph Cronauer und Matthias Zürkler haben wohl vor allem dafür gesorgt, dass weder die Texte, noch die Arrangements irgendwelche Besonderheiten aufweisen. Dadurch wirken die Lieder recht "plattgelutscht", selbst Vanessa Mais Stimme wurden die letzten Eskapaden noch elektronisch ausgetrieben. Dennoch ist das Album sicher kein Reinfall, weder für die Zielgruppe noch finanziell. Denn hier wird auf Nummer sicher gespielt, was man auch (aber nicht nur bei diesem Album) daran sehen kann, dass der Gesang dem geringen Stimmumfang der Sängerin entgegen kommt. Da gibt es andere Schlagersängerinnen, die würden Vanessa Mai in Grund und Boden singen. Aber das muss ja auch nicht sein, manchen langt auch das, was hier geboten wird. Mir eher nicht.