laut.de-Kritik
Vega kämpft um die Champions League.
Review von Robin SchmidtWas haben Vega und der Fußballverein Eintracht Frankfurt gemeinsam? Außer der gegenseitigen Wertschätzung füreinander hat vor allem die kontinuierliche Weiterentwicklung in den letzten Jahren bei beiden Parteien zum Erfolg geführt. Die Eintracht war lange Jahre als Fahrstuhlmannschaft der Bundesliga verschrien, spielte oft gegen den Abstieg. Mittlerweile kämpft sie um den Einzug in die Champions League.
Und Vega? Der hat sich mit seinem Freunde von Niemand-Camp nie angebiedert an die Deutschrap-Szene, blieb jahrelang lieber broke und underrated und verteilte dabei insbesondere in der Frankfurter Rap-Szene gerne musikalische Bomben mit einer gehörigen Portion Pathos. Mit "Kaos" avancierte Vega 2015 dann zum Nummer-eins-Rapper in den Charts. Spätestens seit seinem letzten Album "Locke" hat er sich für modernere Produktionen und Reimstile geöffnet. Ein Weg, den er nun auf seiner neuen Platte "069" fortsetzt.
Im "Intro" kommt er krachend und wortgewaltig rein und greift die Rapszene unverblümt an: "Ihr redet von Respekt, mir fehlen deepe Bars / Jeder weiß, wovon ihr rappt, das habt ihr nie gehabt." Nicht frontal genug? "Bei Stress trag' ich die Zehn auf meinem Rücken wie ein Fußballgott / Und was dann fliegt, sind keine 99 Luftballons", schallert es über den in den Sitz drückenden Beat.
Mit einem ähnlich bouncenden Drive startet Vega mit Haftbefehl die Suche nach den dicken Scheinen. "Ich Will Es Bar" reiht sich in die Hommage an Frankfurt ein, denn in der Bankenmetropole kommt das Cash direkt auf den Tisch. Vega hat schließlich "ein Wichser im Finanzamt, der mich jagt". Dazwischen gibts typisch prollige Ansagen wie: "Deutschrap – wie fickt man sowas Kleines mit 'nem großen Schwanz?"
Nahezu den Rest des Albums trägt musikalisch der aktuelle State of the Art im Deutschrap, also: melodisch gesungene Hooks und Bridges, hier und da mit einer Prise Autotune versetzt, und moderne 808-Trap-Bässe. Trotz einiger unterschiedlich verwendeter Samples wirkt der Sound streckenweise aber eintönig. Dazu kommt, dass Vega bis auf das starke "Intro" sowie "Sobald Du Gehst", eine unkitschige Liebeshymne und dem als Outro fungierenden "200k" wenig Neues zu erzählen hat.
Natürlich erzeugen Zeilen wie "In einem Viertel, wo es keine Liebe gibt, tragen sie schwarz, deshalb ist Weißes so beliebt" ("Sobald Du Gehst") oder "Bau etwas auf, wovon meine Tochter ihr Essen kauft / Deren Tochter ihr Essen kauft, deren Tochter ihr Essen kauft" ("Panzerglas") Atmosphäre und gehen unter die Haut.
Der Großteil der Tracks beschäftigt sich aber nicht mit tiefgreifenden Storys, sondern erinnert in Wortwahl und Reimtechnik an gängige Gepflogenheiten der Modus-Mio-Playlist. Hörbar wird das beispielsweise in "Waage", wo Vega darüber rappt, wie er es von der Frankfurter Gosse bis auf die Fashionweek geschafft hat. Auch "Hyänen" mit Samra kann das Ruder nicht herumreißen. Im Gegenteil: Das Stück klingt so, als wäre Vega der Feature-Gast auf einem Samra-Song und nicht umgekehrt.
Dennoch hat er "heute Streams als hätte Kai da seine Finger im Spiel" ("Dope & 40s"). Der Erfolg scheint ihm recht zu geben. Und wie rappt der Mann schließlich am Ende in "200k"? "Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist". "069" ist nicht das Album, mit dem er schon in der Champions League spielt. Er kämpft aber zumindest um den Einzug.
4 Kommentare
Gut geschrieben.
irgendein kluger mensch hat mal ein FVN release entweder von bosca oder face sinngemäß kommentiert mit: "ich bin ein gewalttätiger fußball ultra und mein leben ist scheisse und voller probleme aber ich weiß nicht warum"
ansonsten hat der kleine dicke vega wohl abenommen sonst ändert sich nicht viel. seit jahren im prinzip das selbe album. ich würds nicht (mehr) kaufen aber einige lieder werden sicher (kurz) in der sportplaylist bleiben. die kleine normalgewichtige trantüte ist halt das, was ein bekannter hessischer universalgelehrter und philosoph "stabil" nennen würde. in einer szene voller ehrenmännern und shishabar prinzessinnen, die halt dann doch nicht selber boxen sondern lieber telefonieren, wenn es mal knistert
Album geht klar, ob’s bei der Eintracht für die Champions League reicht - hm. Aber wohltuend zu lesen als Adler, der mit dieser Fahrstuhlgeschichte und Abstiegskämpfen und Auswärtsspielen an tristen Herbsttagen in Reutlingen oder Schweinfurt seine Fussballsozialisation erlebt hat, allemal.
Nur den Casper part wert. Der ist Gold.