laut.de-Kritik
Wenn Iggy Pop und Henry Rollins zur Stillen Nacht blasen.
Review von Philipp KauseSingende Schauspieler, Fußballer und Politiker wirken oft, als ob sie ihre Berühmtheit "missbrauchen". Das raue Raunen von William Shatner a.k.a. Captain Kirk fällt aber aus den vielen One Hit Wondern des Promi-Schaulaufens angenehm heraus. Shatner verlegte sich auf Sprechgesang - kein Rappen, aber Spoken Word. Seine sonore Vortragstechnik passt zu Weihnachten, denn sie umfasst Besinnlichkeit und etwas Väterliches, Beschützendes, ein Coming-Home-Gefühl.
Wie simpel gestrickt manche Weihnachtslieder im englischen Sprachraum sind, merken wir zum Glück nicht immer sofort. Einen originellen Umweg um das Geklingel herum findet Shatner mit seinen Gästen durch teils angeheiterte und absurd überspitzte Beiträge. Einige der Versionen streuen eine Prise Karikaturhaftes ein und durchbrechen die übliche Säuseligkeit.
Aber einen Text wie "a-ra-pa-pa-pam" in "Little Drummer Boy Feat. Joe Louis Walker" bekommt man schwer auf Satire gebogen, und das Experiment misslingt. Soundtrack-Stil mit Triangel, Trommeln und Geigen, eine gospelige Damen-Stimme und Probleme mit dem Taktgefühl prägen die seltsame Aufnahme. Auf "Feliz Navidad Feat. Dani Bender" nimmt man den Akteuren ihren quiekenden Novelty-Salsa-Rock einfach nicht ab.
Während das "Winter Wonderland" bei den Eurythmics einst noch etwas mit "Walking" zu tun hatte, wird es mit Todd Rundgren zur Rockabilly-Tanznummer. Das geht so halbwegs. Noch mehr Action hält die Glamrock-Version von "Run Rudolph Run Feat. Elliot Easton" bereit, die Elliot Easton (bekannt von The Cars) veredelt. Wesentlich besser!
Judy Collins ("Both Sides Now"), Spät-60er-Folk-Ikone, begleitet den Star Trek-Star gefühlvoll durch weiße Weihnachten ("White Christmas"). Die Gitarre in dem Song ist aber das eigentlich Starke, während mit Country-Star Brad Paisley in "Blue Christmas" das Fest dann blau wird. So richtig berührend oder lustig wirken beide Ansätze nicht. Der Country Christmas profitiert aber vom Kontrast zwischen dem dunklen Brummeln Shatners und dem twangenden, hellen Gesang Paisleys.
Am nachhaltigsten dürfte aus all den oft gespielten Traditionals noch "Stille Nacht" durchdringen. Der Song, im Englischen "Silent Night", zählt wohl zu den schönsten internationalen Weihnachtsliedern, man kann es schwer auf Pop-Gedudel ummünzen. Auch Simon & Garfunkel hatten es mal gecovert und mit Nachrichten-Schnipseln über den Vietnamkrieg unterlegt, aber das führt in eine andere Geschichte.
Dennoch führt es in die Zeit, als Shatner die Mondlandung im "Raumschiff Enterprise" spiegelte, wenn nicht gar vorwegnahm, und als Gastsänger Iggy Pop gerade mit den MC5 in Detroit das Establishment auszuhebeln begann. Wer so links war, dass er denen zuhörte, war auf jeden Fall auch gegen den Vietnameinsatz. Das Vermächtnis dieser Herren in einem Duett ausgerechnet auf "Stille Nacht" zusammenzuführen, hat schon etwas Skurriles.
Glücklicherweise kriegen sie die Kurve und liefern eine würdevolle Version ab. Doch allzu ideenreich wirkt auch sie auf Dauer nicht - wie es sich eben anhört, wenn man mit seinem Klavier spricht und das Klavier nur "pling pling" antwortet. Doch Iggys vibrierende Stimme über dieser Melodie - das nicht geil zu finden, ist schon schwer. Da prallen Welten aufeinander, und Iggy singt echt voller Seele.
Insgesamt jedoch erdrückt einen das Album mit der Saturiertheit der meisten, altgedienten Protagonisten. Sie machen "L'art pour l'art", Kunst um der Kunst willen, wohl nicht damit jemand zuhört und davon etwas hat. Wann auch sollte man etwas davon haben? So kommt das Album drei Tage vor dem Heiligen Abend in Deutschland äußerst knapp auf den Markt, eher als Gag denn als ambitionierter Wurf. Dazu muss man wissen, dass die Platte in Nordamerika schon zwei Monate zuvor unterwegs war. Dort ist es aber so, dass breite Massen Shatners Sprechstimme unsynchronisiert aus Kino und TV kennen und seine Songs daher viel vertrauter wirken dürften als bei uns.
Jethro Tulls Ian Anderson, den auf einem Bein tänzelnden Querflöten-Rocker, kennen wir hier in Europa dafür besser. Auch er macht mit und lenkt von den üblichen "Jingle Bells" mit "Silver Bells" ab, bis auf die Rock'n'Roll-Flöte leider eine Schlafnummer. Dafür schließt die "Jingle Bells (Punk Rock Version)" feat. Henry Rollins dann das Album deutlich lebhafter ab. Trotz all den tausenden Versionen von "Jingle Bells" dürfte niemandem das Lied zuvor so krass abgewandelt begegnet sein. Leider ist die Abmischung mies.
Sowohl die knarzende Produktion (teils mit Sinn für Dolby Surround Sound, teils richtig schlecht) als auch der sich wiederholende Trick, Gesang mit gesprochenem Wort zu ersetzen, nerven auf Dauer. Doch die Platte eröffnet die Möglichkeit, Christmas Songs anders wahrzunehmen als bisher. Und getreu dem Motto "One For You, One For Me" ("einen für dich, einen für mich") bleiben unterm Strich zwei Songs, die unverkrampft rüberkommen: selbiges "One for You, One for Me", traumhafter Bombast-Fantasy-Metal-Pop, geschult an Marillion, und das opernhafte "O Come, O Come Emmanuel Feat. Rick Wakeman" mit seiner psychedelischen Orgel. Jede Alternative zu Wham!s "Last Christmas" ist herzlich willkommen!
6 Kommentare mit 7 Antworten
Das Cover der CD ist das schlimmste, dass in diesem Jahr veröffentlicht wurde, noch trashiger als der Inhalt!
Jupp, ziemlich abschreckend. Aber das ist der Shitner ja auch, von daher passt es.
Ja, sehr geil.
Schon wegen der Punk-Rock-Version von "Jingle Bells" sollte es unter jedem Weihnachtsbaum liegen.
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Hattest ne Scheibe Tilidintoast zu viel, oder?
Auf laut.de wird heuer nach Rasse gesäubert, als wär' wieder Reichskristallnacht!
Genosse feyerabend spricht wahr
Shatner ist einfach ein geiler Typ! Der macht das Zeug, weil er schlicht Bock drauf hat. Und auch wenn das meisste Trash ist: Ein bisschen große Kunst ist eben auch dabei!
Mein persönliches Lieblingsalbum 2018. Shatner Claus hat mich endlich zur Weihnachtsstimmung gebracht.
Fröhliche Weihnachten euch allen!
Der Shatmeister hat wieder amtlich abgeliefert und die Neider sitzen gebannt mit offenen Tortenmündern vor ihren Monitoren. Hate ist anno 2018 komplett unangebracht.
5/5
Einer der größten Künstler seiner Zeit. Welche auch immer das sei.