laut.de-Kritik
Gibt deutschem Schlockrock keine Chance.
Review von Artur SchulzHoppla! Da geht es in "Petra Pan" gleich zu Beginn ordentlich zur Sache. Druck, Tempo, freshe Keyboards, eine quicklebendig bratzende E-Gitarre - für Augenblicke meint man, Kettcar seien hinter ihren Deichen erneut fündig geworden. Aber Fehlalarm. Allerdings ein richtig guter: Wingenfelder legen einen höchst goutablen Deutschrock der gehobeneren Klasse vor.
Und das, obwohl sich hinter dem "Selbstauslöser" in erster Linie eine Platte für die gesetzteren Hörer verbirgt. Textlich rücken Wingenfelder die Lebensrückschau mittlerer Jahre in den Fokus. Spätens nach dem Überschreiten der Dreißiger-Grenze gewinnen eben "Weißt du noch damals"-Themen wie in der melancholisch rockenden "Klassenfahrt" zunehmend an Bedeutung.
Die Kritik an Esoterik-Hotlines und deren TV-Pendants hüllen die Zwei für "Astro James" in passgenaue sphärische Klänge. Mit "Ein Neuer Tag" werfen Wingenfelder ein echtes Song-Ass auf den Tisch. Der Mix aus packender Atmosphäre und tough groovenden Beats zieht beim Hören immer stärker in den Bann.
"Die Wand" entpuppt sich als makelloses Highlight. Textlich dient das Bezwingen einer Felswand als Metapher für all die Auf- und Abstiege am Schicksalsberg des Lebens. Dabei ist es von Vorteil, zwischendurch eine helfende Hand gereicht zu bekommen. Hier in Gestalt von Klees Suzie Kerstgens, die inmitten all des musikalisch gefühlvoll umherwehenden Gipfelwinds gleichermaßen traumverloren wie zielsicher für Erlösung auf dem endlich erklommenen Gipfel sorgt. Kitsch? Vielleicht. Aber wenn, dann richtig guter - besonders bei laut aufgedrehter Anlage.
Der Track über den Tod eines Freundes gerät nicht handelsüblich betroffen, sondern aufrichtig und mutmachend für die Zukunft: Denn der nachdenkliche Grabsteher in "Mensch Paul" bewegt ganz einfach. Dankenswert der Verzicht auf geigenumtropfte Sentimentalität. Dafür treffen vorwärtstreibende Beat-Dynamik und packende Melodielinien exakt ins Herz.
Zwischen den herausragenden Songs finden sich einige wenige Durchschnitts-Nummern, die die Güte des Gesamtwerks nur marginal beeinträchtigen. Die Wingenfelders gehen handwerklich immer solide ans Werk und lassen so deutschem Schlockrock keine Chance. Kais mit lebenserfahrener Patina überzogene Stimme sorgt immer für Credibility.
Der Geist von Fury streift herum, trifft sich zum freundschaftlichen Handshake mit Kettcar, während für Augenblicke im Hintergrund sogar Thees Uhlmann herüber winkt. Nicht schlecht für eine 'Altherrenplatte', die durchweg einfach Spaß macht.
Dieser "Selbstauslöser" sorgt für erinnernswerte musikalische Momentaufnahmen, die man sich gern ins persönliche Fotobuch klebt. Besonders, wenn sie echte Falten und Knitter im Gesicht der Porträtierten nicht verleugnen.
6 Kommentare
Steht der nicht in Dortmund im Tor?
Ich musste laut lachen
nein, der heißt doch wörrishofener
Was - zur Hölle - ist "authentische Credibility"...?! BRRRRR!
wäre so was wie "ein weißer schimmel"
fury war ein schwarzer rappe.
fury in the slaugherhouse hatten mitte der 90-er eine gute zeit. "mono" mit brainsong und radio orchid oder auch "hearing ..." mit dancing in the sunshine of the dark habe ich noch im ohr. mal sehen, wie's weitergeht.
Ein schönes Album, das sich vom Vorgänger entfernt, vieles wagt... und - gewinnt! - Einfach klasse, weiter so, Jungs!