laut.de-Kritik
Symphonic-Metal ohne Mätzchen und mit Luft nach oben.
Review von Franz MauererNachdem man sich vom fürchterlichen Cover (der Schrifzug dazu, alter Schwede) erholt hat, kurzer Standortcheck: Bandchef Heubaum hat mal wieder Besetzung-wechsel-dich gespielt und Xandria en passant faktisch neu gegründet. Das nennenswerteste Neumitglied ist sicherlich Ambre Vourvahis, die bei der Bielefelder Band nun den Gesang übernehmen darf. Die musikalische Erwartungshaltung ist dabei seit "Neverworld's End" klar: Symphonic-Metal ohne Mätzchen.
Der Opener "Two Worlds" holt zumindest in den ersten Minuten aber nur wenige Metalkatzen hinter dem Ofen hervor, zu oberflächlich und schematisch wird das Symphonic-Einmaleins abgehakt. Was sich allerdings schon abzeichnet und in "Reborn" bestätigt: Mit der Franko-Griechin Vourvahis ist Heubaum ein Glücksgriff gelungen. Die Dame vermag zwar das nicht arg routinierte Songwriting zu übertünchen, ihre stimmlichen Fähigkeiten fallen aber mindestens beeindruckend aus.
Gerade das - wie schon der Opener - deutlich zu lang geratene "Reborn" oder "Illusion Is Their Name" profitieren sehr davon, dass sich die neue Frontfrau nicht zu schade dafür ist, ihr Organ auch songdienlich einzusetzen und beileibe nicht nur opernhaft zu schmettern. Bei manchen Passagen wird man sehen müssen, wie Xandria das live umsetzen, denn "The Wonders Still Awaiting" neigt durchaus zur Überproduktion. Es hallt und singsangt mehr als im Castlevania-Schloss, und Ally Storch von Subway To Sally injiziert an vielen Stellen Cello und Geige ins Soundgefüge. Wichtiger noch scheint allerdings, dass es Vourvahis beispielsweise bei "Scars" gelingt, die bandtypische fette Schicht Pathos emotional überraschend authentisch rüberzubringen. Eine exzellente Wahl.
Musikalisch gibt es zwar einiges Gewohntes zu hören, und so entstehen unnötige Filler wie der ziellose Titeltrack, das schlicht fade "My Curse Is My Redemption", das seine Dynamik zu oft verlierende "Mirror Of Time" oder gar das unerträglich kitschige "Your Stories I'll Remember". Bis auf Letzteres hört sich aber nichts davon wie eine Genrepersiflage an - was, wie der Fan weiß, gar nicht mal so einfach ist.
Jedem Track wohnt mindestens eine zündende Idee inne, die gleichwohl nicht immer deutlich zum Vorschein kommt. Insgesamt zeigen "Ghosts", "Paradise" (mit sehr schönem Gitarrensolo zum Schluss) und "You Will Never Be Our God", in dem Vourvahis die schwierige Aufgabe an der Seite von Ralf Scheepers von Primal Fear zu bestehen, gut bewältigt, einen durchgehend qualitativen Anstieg im Songwriting der deutschen Symphonic-Metal-Instanz.
Und da haben wir über den Schlusspart des Albums noch gar nicht gesprochen, der teils bärenstark ausfällt. Das neue Bandgefüge dreht noch mal richtig auf: "Scars", "The Maiden And The Child" und "Astèria" gehören mit Sicherheit zum Besten im Oeuvre der Truppe. Das stimmungsvolle "Scars" ist absurderweise der kürzeste Song des Albums, aber lässt sich endlich mal Zeit für einen konsistenten Aufbau, statt handwerklich saubere Passage an Passage zu reihen. Der rote Faden hilft ungemein.
"The Maiden And The Child" ist der zweitkürzeste Song des Albums und gönnt sich ein passendes Keyboard-Intro, bevor das Lied als Sinnbild für die neu gefundene Härte und den Abwechslungsreichtum im Sound gelten darf. "Astèria" reißt mit seinen neun Minuten zwar endgültig jeden Zeitrahmen, aber insbesondere die Sängerin wirkt, nicht nur wegen der griechischen Passagen, als hätte sie richtig Bock und Spaß. Abwechslungsreich und in jedem Part konsequent, so wie es der Closer demonstriert, darf es für diese Band gerne weitergehen.
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