laut.de-Kritik

Einschalten, zurücklehnen, entspannen.

Review von

"Like a lion in the morning sun / you can live like a champion." Bereits in den ersten Zeilen des Openers "Start It Up" macht Ziggy Marley deutlich, worum es ihm auf seinen mittlerweile siebten Soloalbum geht: Geschichten erzählen, Hoffnung verbreiten, Mut machen, eine Botschaft vermitteln.

Kein einfaches Unterfangen, so hat der älteste eheliche Sohn Bob Marleys schon sechs Langspieler hinter sich, von den acht Alben mit der Gruppe Ziggy Marley and The Melody Makers gemeinsam mit seinem Bruder Stephen und seinen beiden Schwestern Sharon und Cedella ganz abgesehen. Aber so abgedroschen manche Phrase klingen mag: Der siebenmalige Grammy-Gewinner legt mit "Ziggy Marley" ein Album vor, das zwar alle Mal überzeugt, jedoch auch Schwächen aufweist.

Auch wenn der 1968 geborene David Nesta Marley bislang nie so richtig einen Fuß in den internationalen Pop-Zirkus bekam, gilt er Kritikern doch als einer der beliebtesten Marley-Sprösslinge. Sein musikalisches Schaffen wurde mit Preisen überhäuft, zuletzt erhielt er 2014 für "Fly Rasta" einen Grammy in der Kategorie "Best Reggae Album". Dennoch hat Ziggy die Popularität seines Bruders Stephen oder auch die von Bobs unehelichem Sohn Damian Marley bislang nicht erreicht. Mit "Amen", "Love Is A Rebel" oder "Heaven Can't Take It" legt der mittlerweile 47-Jährige jedoch einige gute Argumente dafür vor, das zu ändern.

Den Anfang von "Love Is A Rebel" könnte man zwar glatt als Jingle einer neuen Venus-Rasierer-Werbung durchgehen lassen, ansonsten erscheint das Uptempo-Stück aber wirklich gelungen: ein Reggae-Song, der auch dank Ziggys Gedankenströmen über die Beständigkeit von Liebe den Höhepunkt der LP markiert. Genauso ist das von kräftigen Bläsern getragene "Amen" ein eindeutiger Anspieltipp, das zusammen mit dem von Bruder Stephen komplettierten "Heaven Can't Take It" über die zusammengenommenen knapp sieben Minuten Spielzeit durchweg Gänsehaut-Atmosphäre produziert: "They killin' for money / they killin' for power / they killin' for religion / they killin' for colour / some say they killin' for peace / but the wars won't cease/ when everyone is wrong / no matter what kind of bomb." Keine Worthülsen an dieser Stelle, sondern leider traurige Realität.

Traurige Realität birgt allerdings auch der Umstand, dass es nach diesen drei Tracks keine weiteren Highlights auf "Ziggy Marley" zu verzeichnen gibt. Ja, den Opener "Start It Up", "Ceceil", "Better Together", "We Are The People" oder das nach David Nestas eigener Comicbuch-Reihe betitelte "Marijuanamen" kann man getrost als 'solide' bezeichnen. Die Emotionalität und Aussagekraft der oben genannten Stücke aber erreicht keiner dieser Songs.

Die Videoauskopplung "Weekend's Long" samt karibischer Steel Pan sowie der Closer "I'm Not Made Of Stone" und "We Are More" gehen bestenfalls als Beiwerk durch. "Butterflies" hätte sich das Produzenten-Team um Ziggy Marley selbst bedenkenlos schenken können. Der Langspieler verliert bei jedem weiteren Hördurchgang an Kontur und Schärfe, die Liedgrenzen verschwimmen an einigen Stellen zunehmend zu undefinierbarem Einerlei. Da hilft auch der Versuch eines variablen Instrumenteneinsatzes nicht, auch nicht die Anleihen in Funk und Blues.

Ziggy, der sich schon immer mutiger über Genrebeschränkungen hinweg traute als seine (Halb-)Brüder, hüllt Reggae auf seinem siebten Soloalbum nicht mehr umfänglich in ein erfrischend anderes Klanggewand, was den Marley-Spross bislang vom Rest der Familie, vielleicht sogar vom Rest der Szene, abhob. Stellenweise bleiben davon zwar Ansätze zu erkennen, letztendlich lässt "Ziggy Marley" jedoch nur ein Fazit zu: Gut zu hören ist das Album allemal. Einschalten, zurücklehnen, entspannen. Zwölf Songs, 46 Minuten Spielzeit. Aber im Gedächtnis hängt hinterher (fast) nichts.

Trackliste

  1. 1. Start It Up
  2. 2. Weekend's Long
  3. 3. Ceceil
  4. 4. Amen
  5. 5. Heaven Can't Take It
  6. 6. Better Together
  7. 7. Butterflies
  8. 8. We Are More
  9. 9. Love Is A Rebel
  10. 10. Marijuanamen
  11. 11. We Are The People
  12. 12. I'm Not Made Of Stone

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