laut.de-Kritik

Leichte Kost für Urlaub im Kopf.

Review von

Mit "Clowns & Angels" treten die 17 Hippies den Beweis an, dass es ausreicht, Musik zu lieben, um ein schönes Album aufzunehmen. Innovation, spielerische Virtuosität, gesanglicher Ausdruck, Song-Ideen reißen hier zwar nicht vom Hocker. Man merkt aber die Neugier, die Leidenschaft, den Willen zu entertainen und dabei den bunten Planeten abzubilden. Wie sehr das Tentett Rhythmen verinnerlicht hat, unterschiedlichste Musiksorten bis hin zum rustikalen brasilianischen Forró aufsaugt und mit Adressatenbezug wiedergibt, hat etwas Spritziges. Die Hippies mit ihrem einmaligen Instrumente-Mix und erfrischenden Klangbild machen es einem leicht, dass man gerne dran bleibt und das ganze Album laufen lässt.

Da fesselt sogar die x'te Kraftwerk-"Model"-Coverversion. "'Das Model' haben wir in Paris für eine Radioshow eingeprobt, als die uns baten, ein bekanntes deutsches Stück mit ihrem Studiopianisten zusammen live zu spielen. Wir hatten mehrere Stücke vorgeschlagen, dies war das einzige was sie kannten. Also haben wir es gespielt", erläutert Christopher Blenkinsop im Blog Deutsche Mugge. Er ist Ko-Sänger, Ukulele-Spieler und hat noch etliche weitere Funktionen. Das Altertümliche, das mit seiner Bouzouki und dem Akkordeon als hervorstechendstem Werkzeug der Platte zum Ausdruck kommt, erweckt den Eindruck fahrender Schausteller.

Hinzu kommt das Mondäne, Kultur(en)interessierte, Weltoffene, oder, wie Markus Söder nun wieder sagen würde, "Grüne". Die 17 Hippies sind eine deutsche Band, aus Berlin, eindeutig 'globalistisch', das Album ließe sich wahlweise dem taz-Abo oder dem Fair-Trade-Tee im Eine Welt-Laden beilegen. Insoweit fordert es grundsätzliche Offenheit beim Publikum ein. Wirklich kundige Hörer:innen authentischer Musik anderer Kulturräume dürften hingegen Expertentum und Spezialisierung vermissen und "Clowns & Angels" zu beliebig, wankelmütig, exotistisch, indifferent finden. Andererseits deckt sich dieses Streunende mit den interkontinentalen Biographien einiger Mitglieder. Der Switch zwischen Französisch samt Straßencafé-Chanson-Stimmung ("Gisèle", "Je Démissionne") und Deutsch, Instrumentals ("Escudilla Waltz", "Forró Brasil", "Tempelhof Haydays") und hessischer Mundart versprüht jedenfalls den Charme der Abwechslung und Kontraste.

Auch hinsichtlich der Stimmen variiert die Band, männlich/weiblich, zwischen Hörbuch-Erzählraunen, Beiläufigkeit und mit Kiki Sauer als 'Konkurrenz' zu Françoise Cactus. Der fast fortlaufend durchklingende Postkarten-Gruß aus der slawischen Welt lässt mitunter an Gankino Circus denken. Schon spezifischer sind ein Touch Western in der Rhythmusgitarre von "Clowns + Angels" und das selbstbewusst eingesetzte Hessisch in "Medde Noi", das mit dem entscheidenden Pfiff Kölsch bei BAP auf jeden Fall gleich zieht. Der mellow Jazz-Flair, den Hörner, Klarinette und Marimba zaubern, kommt breit zur Geltung, und der Akkordeon-basierte Forró aus Pernambuco und Ceará an Lateinamerikas Atlantikküste wird gut getroffen.

Zum crazy Plattencover findet sich hingegen keine klangliche Entsprechung. Eine fliegende Eichel als Heißluftballon eines Zeppelins trägt einen überdimensionalen Rabenvogel mit Auspuff, das gefiederte Tier transportiert Mini-Menschen als Fluggäste. Frank Schliebener hat das gezeichnet, ein Bekannter der Band. Doch so abgefahren das Bild ausschaut, es ist schwierig, an die physische Pressung heran zu kommen, und einen passenden oder gleichwertigen Earcatcher zum Eyecatcher hält das Album nicht bereit. Die 17 Hippies liefern trotzdem gute Unterhaltung, bei der man sich treiben lassen und in Gedanken an Urlaubsorten flanieren kann, während man ab und zu instrumental belegte Atempausen gewährt bekommt.

Trackliste

  1. 1. Clowns + Angels
  2. 2. Das Modul
  3. 3. Fahnen Und Parolen
  4. 4. Tempelhof Haydays
  5. 5. Je Démissionne
  6. 6. Tanz Mit Mir
  7. 7. Medde Noi
  8. 8. Not Me, Not I
  9. 9. Forró Brasil
  10. 10. Gisèle
  11. 11. Escudilla Waltz

Videos

Youtube Video 17 HIPPIES // Fahnen und Parolen

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