laut.de-Kritik
Wie ein frisch verliebter Teenager.
Review von Rinko HeidrichDas Ende einer Liebe wirft viele Fragen auf und begleitet einen noch lange danach mit Selbstzweifeln. War die eigene Wahrnehmung auf die vergangenen Jahre komplett verzerrt? Ist man doch nur einer großen Illusion hinterher gejagt? Aydo Abay hat sich von seiner einstigen Liebe Blackmail schon 2008 entfreundet und verfolgt seitdem konsequent und ohne Rücksicht auf kommerziellen Misserfolg seine eigene künstlerische Vision. Eine feste Beziehung geht der Sänger dabei nie ein, ständig ändern sich die Projekte, die mal in düsterem Ambient mit "Crash:Conspiracy" münden oder mit "Ken" eine Form von Anti-Pop wagen.
Aus der Kurzzeit-Affäre "Abay" mit Juli-Gitarrist Jonas Pfetzing "Abay ist nun tatsächlich etwas Ernstes geworden. Wie ein frisch verliebter Teenager klingt der ehemalige Blackmail-Sänger auf "Love & Distortion". "Land of Silk & Honey" könnte hymnischer nicht beginnen, nimmt sich aber zum Ende des Songs selber das Tempo und möchte gar nicht die "Hände in die Luft-"-Rocknummer werden, die sie hätte werden können.
Wut und Teenage Angst zählten lange als wichtiger Bestandteil zum Schaffen von Aydo, geblieben ist davon auf dem neuen Album immerhin ein melancholischer Grundton. Die Welt bleibt eben ein dunkler Ort und ist es trotzdem wert, geliebt zu werden. Wo lassen sich also Hass und Konträrfaszination besser ausleben als im ZDF-Fernsehgarten, wo - und das ist kein Witz - Abay zwischen Schlager- und Popsängern vor einem irritierten Publikum aufgetreten sind. Der Auftritt habe - immer noch kein Witz - "Spaß" gemacht.
"Will we ever find back home?" aus "In Transit" könnte daher fast die bange Frage der Fans nach einem derartig schamlosen Flirt mit der Mainstream-Unterhaltung sein. Doch Fans können beruhigt sein: Der Hang zu großen Melodien war schon bei Blackmail vorhanden, "Friend Or Foe" schraubte das Level für deutsche Indie-Produktionen weit nach oben. Vereinnahmung durch die Musikindustrie war Aydo Abay schon immer ein Dorn im Auge.
"Love & Distortion" ist trotzdem kein atonales Abschreckungsmanöver, dafür umso größerer Indie-Pop. Wer so flirrend-betörenden Post-Rock in "Gumo" einflechtet oder einen berührenden Abschiedssong wie "Love" schreibt, trägt eh genug Liebe in sich, um Zynismus von Nörglern an sich abprallen zu lassen. "It's Gonna Be Fine In The End" aus "I'm A Believer" ist genau der Optimismus, den jeder Zweifelnde in schweren Zeiten braucht. In "Lemonade" darf sogar ein Saxophon ran. Dieses einst unter Musik-Hörern verhasste Instrument scheint langsam wohl endgültig kredibel zu werden.
Abay verfolgen konsequent den Pop-Weg, den vor zwei Jahren "Everything's Amazing And Nobody Is Happy" eingeleitet hat. So freundlich und für seine Verhältnisse wenig kratzbürstig ist bisher keines der Projekte des Wahl-Kölners gewesen. Auch Misanthropen wollen umarmt werden.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Gar Keiner? Gelunges Album, das manchmal sogar wirklich etwas den Vibe iwo zwischen "Friend or Foe" und "Aerial View" aufgreifen kann. Klingt auch allgemein ziemlich nach "den alten" Blackmail, aber halt (nock) keine Ebehäuser Instrumentals. Verstehe den Rezensten aber auch nicht so ganz. Wo ist das denn großartig anders, als das, was Aydo bisher gemacht hat?
Muss gestehen, dass mir "Abay" schon was sagte, aber ich die Rezi dann bis zu deinem Kommentar gar nicht gelesen habe...
Die beiden genannten von dir Blackmail-Alben sind genau die, die ich von der Band habe und da bin ich schon auch viel aufgrund meines damals besten Kumpels mitgegangen... Aydo Abay hat ja damals schon solo veröffentlicht und das war doch mehr so "Blackmail ohne Wumms", oder? Höre evtl. mal rein nach deinem Tip.
Ebelhäuser als Produzent bleibt indes über jeden Zweifel erhaben. Bei ihm sind befreundete Bands aus der Region, in der ich geboren wurde, genauso glücklich geworden wie ein Großteil des deutschen Underground-Indie. Hervorheben möchte ich an dieser Stelle nochmal Frau Potz (wo ich Produktion und z.T. Texte besser fand als die Mucke selbst) und Liebe Frau Gesangsverein (bei der die Mucke immerhin über die Hälfte der Tracks hält, was Produktion und großartige Texte versprechen).
*von dir genannten