laut.de-Kritik
Rauschhaft überladene Fußgängerzonen-Weltmusik.
Review von Ulf KubankeGestartet als Breisgau-Balkan-Klezmer-Mix entsagen Äl Jawala mittlerweile jeder stilistischen Eingrenzung. "Lovers" packt den Worldmusic-Hammer aus und holt sich gefühlt alle erdenklichen Kontinente und Stilrichtungen an Bord. Die Platte rast von Kontinent zu Kontinent und groovt sich dennoch um Kopf und Kragen.
Warum sich selbst limitieren? Warum keine hohen Ziele anstreben? Ein bisschen Ehrgeiz und kreativer Tatendrang hat noch keiner Band geschadet. Diese Entwicklung deutete sich seit längerem an. Schließlich hat Gottvater Shantel bereits eindrucksvoll bewiesen, dass kein Winkel zu entlegen scheint, um nicht eingebaut zu werden.
Der Fehler Äl Jawalas liegt daher nicht im Ansinnen, sondern in der Umsetzung. "Lovers" strotzt nur so vor Klangfarbengeilheit. Arab-Folk mischen sie mit Dancehall plus Reggae, knallen ein australisches Didgeridoo drauf, ebenso Ska, versetzen den Sud zwischendurch mit zentralamerikanischen Rhythmen, streuen szenetypischen Balkanstoff drüber und garnieren alles noch mit dem Fluid gängigen Shtetl-Klezmers. Puh!
Kann man natürlich machen. Wer will schon Genre-Apartheid? Schädlich ist jedoch das zwanghafte, in seiner Häufung ziellos wirkende Zusammenklatschen. Jegliche Raffinesse ertrinkt hier in rauschhafter Überladung. Übrig bleibt handelsübliche Fußgängerzonen-Weltmusik von der Stange. Handwerklich zeigen sich alle Beteiligten als absolute Meister ihrer Zunft. Ein Händchen für Tanzbarkeit ist ebenso vorhanden. Stücke wie "Cigan Stardust" atmen jedoch - wenngleich virtuos - nur Standards, den internationale Vorreiter wie Fanfare Ciocarlia deutlich mitreißender anbieten.
Als besonderes Manko kultiviert "Lovers" die Idee, sämtliche Lieder mit Steffi Schimmers Gesang zu bepflastern. Warum nur? Gerade im Einsatz ihrer hervorragenden Saxofone lag immer eine Hauptstärke der Band. Nun degradieren Äl Jawala das Leadinstrument zugunsten der Stimme zum Beiwerk. Schimmers androgynes bis maskulines Timbre klingt zwar für sich genommen interessant.
Im Verlauf fällt trotzdem auf, wie sehr ihr gleichförmiger Gesang gegenüber der zur Schau gestellten instrumentalen Variabilität auf verlorenem Posten steht. So sexy etwa ein Song wie "Mama Mea" beginnt, so schnell setzen stereotype Weltmusik-Stuhlkreis-Gesänge ein. Wie klasse man Orient, Okzident sowie Vocals vereinen kann, lässt sich daher viel besser am aktuellen Dirtmusic-Meisterwerk "Bu Bir Ruya" studieren.
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