laut.de-Kritik

Oberflächliche E-Musik für Ü30-Musikdandys.

Review von

Selten hat eine französische Band mit ihrem Erstling wohl so eingeschlagen und die Musikwelt so beeinflusst wie die jungen Air mit "Moon Safari". Hier war sie, die perfekte Symbiose aus soften Electronica, Singer-Songwriter-Strukturen und zeitgemäßem Dandy-Style. Und noch heute lege ich die Scheibe zum Genießen des Sonnenuntergangs bei einem Glaserl Roten aus Bordeaux auf meinen guten alten 1210er und freue mich des Lebens.

Die Erde hat sich seitdem ein paar tausendmal um ihre Achse gedreht und auch Air sind nicht stehen geblieben, sondern servieren uns mit der "Pocket Symphony" ihr mittlerweile viertes Album (Soundtracks und Remix-Alben nicht inbegriffen). Eines muss man ihnen lassen: Auch wenn keine der folgenden Scheiben die zeitlose Klasse des Erstlings erreichte, so haben sie sich auf jeder weiteren LP doch immer wieder auf wunderbare Weise neu erfunden und eine weitere Facette ihres musikalischen Tuns ausleben können.

"Pocket Symphony" lässt sich nun zwar stimmig in die Riege der Air-Alben einordnen, unterscheidet sich aber dennoch in Schattierungen von den Vorgängern. Auch wenn der Schritt von "Talkie Walkie" zu "Pocket Symphony" geringer ausfällt. Der Albumtitel wird dem gesamten Feeling des Albums ganz gut gerecht. Kein großer Bombast, eher die kleine Geste stehen hier im Mittelpunkt. Viel Piano, gezupfte Akkustikgitarren, Streicher und superfluffy Spacesounds, sogar japanische Harfen und eben gehauchte Gesänge bilden die musikalische Basis der Taschensinfoniker von Air.

Als Opener holen sie mit "Space Maker" gleich ganz dick aus und lassen einen wirklich formidablen Track vom Stapel, der Großes erwarten lässt. Auch der dritte Titel der Platte, das vom supercoolen Britdandy Jarvis Cocker exzellent eingenölte "One Hell Of A Party", geht als eines der besten Air-Stücke ever durch. Doch das war es dann erstmal. Zwar kann man keinem der folgenden Stücke einen grundlegenden Mangel an produktionstechnischer Qualität oder ähnliches anlasten, doch was zunächst noch ganz gut gefällt, wird spätestens ab "Photograph" doch ein wenig, tja, langweilig.

Auch wenn der Track nur als Beispiel für viele andere steht und durchaus einen gewissen Charme besitzt, so ist die softplätschernde Selbstähnlichkeit der meisten Tracks doch ermüdend. Hier plätschert das Piano, da zupft die Klampfe, dort gurrt die kleine Französin - irgendwie waren die bisherigen Alben doch etwas vielschichtiger, vielleicht auch einfach etwas weniger bemüht und dadurch verspielter. Wie der Name des Albums schon erahnen lässt, hatten sich die Herren Dunckel und Godin einiges vorgenommen, entsprechend "ernst" ist der Unteron, der in vielem mitschwingt und es paradoxerweise gerade deshalb irgendwie belanglos klingen lässt. E-Musik für symphatisch-oberflächliche Ü30-Musikdandys? Ein bisschen wohl schon. Somewhere Between Waking And Sleeping.

Sicher ist, dass man über "Pocket Symphony" sehr unterschiedlicher Meinung sein darf. Zu gefällig und wohlklingend sind die Sounds und Melodien, als dass sich nicht mit Sicherheit eine ganze Menge Ohren fänden, die genau diesen Sound, diese Softness und die Wiederholung am Ende eines langen Tages wünschen. Und das ist auch okay - Air sind und bleiben eine gute Zweimann-Combo mit viel Ambition und objektiv hohem Produktionsniveau.

Trackliste

  1. 1. Space Maker
  2. 2. Once Upon A Time
  3. 3. One Hell Of A Party
  4. 4. Napalm Love
  5. 5. Mayfair Song
  6. 6. Left Bank
  7. 7. Photograph
  8. 8. Mer Du Japon
  9. 9. Lost Message
  10. 10. Somewhere Between Waking And Sleeping
  11. 11. Redhead Girl
  12. 12. Night Sight

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10 Kommentare

  • Vor 17 Jahren

    wunderbares Album - nicht für jeden Momentm im Leben, aber für oft genug. 4/5 hätte ich gegeben, aber 3/5 kann ich auch irgendwie verstehen...

  • Vor 15 Jahren

    Das sechste Album von Air ist für mich eine Premiere. Nach Premiers Symptomes, Moon Safari, Virgin Suicides und dem zeitlosen 10.000 Hz Legend schwächelt der Air-Sound hier erstmals.

    Die Schwäche liegt nicht in der Qualität der Harmonien oder Arrangements - die Air-Jungs verstehen einfach ihr Handwerk. Es ist vielmehr der Grundton und die Inspiration des gesamten Albums. Titel wie "Space Maker", "Oncec upon a time" oder "Red Head Girl" machen dieses Album dennoch kauf-lohnend.
    Doch bleibt der fade Beigeschmack dass Air mit diesem Album zum ersten Mal KEINEN Schritt vorwärts gehen und sich eher auf altbewährtes verlassen wollten.

    Ich hoffe dass es wenigstens der Mainstream dankt und wir dann wieder ein grandioses Folgealbum erwarten können. "Love 2" steht ja ab Oktober in den Startlöchern.

  • Vor 15 Jahren

    Nachtrag zu den Alben:
    Das ebenfalls großartige Talky Walky gehört natürlich auch in die Großtatenliste der Air-Discografie.