laut.de-Kritik
Das Können ist noch da, Stimme und Magie sind leider weg.
Review von Jürgen LugerthDie Londoner Extrem-Metaller Akercocke um den in vielen verstörenden Zungen 'sprechenden' Frontdämon Jason Mendonca sorgten von Ende der Neunziger bis etwa in die Hälfte der Zweitausender für heftige Erschütterungen im superhart rockenden Universum. So eine vielfarbig schillernde, teils sehr beunruhigende und dann wieder von purem Wohlklang erfüllte Soundmixtur aus Death-, Black- und Prog-Metal, ergänzt durch Elemente aus Rock, Alternative oder sogar Weltmusik hatte man zuvor noch nie gehört.
Herausragend im Platten-Repertoire der angeblich praktizierenden Satanisten ist unstrittig das Monument "Words That Go Unspoken, Deeds That Go Undone" von 2005, das in seiner technischen Perfektion genau so überzeugt wie im Beschwören der verschiedensten, immer extrem tief gehenden Stimmungen und Atmosphären von teuflischer Raserei bis hin zu stiller Kontemplation. Ein Stück wie das überlange Meisterwerk "Shelter From The Sand" kann es lässig mit Produkten aus dem Hause Steven Wilson oder Mikael Åkerfeldt von den wahnwitzigen Opeth aufnehmen. Ein Top Ten Hit in den ewigen Charts des Hufträgers selbst.
Nach einer Funkstille von etwa zehn Jahren sind die Hexenmeister also wieder da. Die Spannung in der Gemeinde ist groß. Knüpfen Akercocke an die früheren Glanztaten an oder kommen sie mit einem ganz neuen Konzept um die Ecke? Die Antwort ist 'Ja' und 'Ja'. Ich versuche das, aus einer (wie immer) völlig subjektiven Warte aus zu erklären.
Wenn man in das erste Stück "Disappear" einsteigt, gibt es zunächst einen wohltuenden Schock des Wiedererkennens. Alles ist da. Die virtuosen präzisen Gitarrenriffs und -solis, das heftige und zugleich sehr differenziert treibende Schlagzeug, die dämonischen Growls, die plötzlich in wehmütigen Clean-Gesang umkippen und überhaupt der Wechsel der Emotionen, der Akercocke schon immer ausmachte. Sofort ist klar, dass diese Band grundsätzlich nichts von ihrem Können verloren hat.
Und so geht das auch mit "Unbound By Sin" weiter und mit den nächsten Stücken dieser Platte. Dennoch schleicht sich aber beim Hören nach und nach das Gefühl ein, dass irgendetwas fehlt. Das knallt schon gut, das Scheibchen, aber richtig Überraschendes kommt nicht zutage. Immer wieder riecht etwas nach Routine auf hohem Niveau. Und die Stimme von Jason Mendonca schwächelt ab und zu, scheut die extremen Herausforderungen.
Ich bin nicht sicher, ob man all das einer so einzigartigen Band vorhalten kann. Trotzdem klingt so einiges wie schon einmal gehört. Diese mörderische Intensität früherer Tage kommt fast über die gesamte Länge der Platte nicht mehr auf. Gut, "A Final Glance Back Before Departing" beispielsweise gibt sich sich schon große Mühe und beeindruckt über weite Strecken.
Aber insgesamt machen Akercocke jetzt einfach eher nur noch gute Musik. Der wahnwitzige Tanz um beide Pole des Irrsinns scheint vorbei zu sein. Zurück bleibt ein hochwertiges Stück Musik, leider ein wenig wie eine Erinnerung an magische Tage, als Wunden aufbrachen, Blut floss und und sich die Kinder der verlorenen Zeit um Altäre der gottlosen Unberechenbarkeit versammelten, um einen gloriosen Untergang zu feiern.
Ein Schritt weg vom ehemals vorgegebenen Weg bedeutet sicher noch nicht Orientierungslosigkeit. Dennoch kann man sich mit "A Particularly Cold September" gut aus diesem Album verabschieden. Und hoffen, dass auf einer kommenden Tour von Akercocke, so sie denn stattfindet, viel vom alten, unerbittlichen Stoff gespielt wird. Vorausgesetzt, dass Mendoncas Stimme das live noch mitmacht.
Noch keine Kommentare