laut.de-Kritik
Wunderbare Würdigung zu Barbaras 20. Todestag.
Review von Giuliano BenassiAls Monique Andrée Serf alias Barbara endlich den Durchbruch schaffte, war sie bereits Mitte 30. Einfach hatte sie es bis dahin nicht. Im Alter von zehn Jahren floh sie als Jüdin aus Paris, als die Deutschen 1940 die Hauptstadt und weite Teile Frankreichs besetzen. Ihr Vater misshandelte sie, in den 1950er Jahren hielt sie sich mit Auftritten im kleinen Rahmen über Wasser. Viele schwierige Erlebnisse, die ihre tiefe, melancholische Stimme, ihre Texte und ihre Interpretationen prägten.
Als sie 1997 mit 67 Jahren starb, gehörte der klassisch ausgebildete Pianist Alexandre Tharaud zu den Trauergästen. Am Grab sang er mit anderen Anwesenden Stücke Barbaras und nahm sich vor, ein Album mit ihren Chansons aufzunehmen. Dass er 20 Jahre dafür gebraucht hat, lässt sich einerseits mit seinem beeindruckend vollen Terminkalender erklären. Aber auch an der ebenfalls beeindruckenden Liste an Künstlern, die er für diese Hommage zusammen getrommelt hat.
Zwei Namen, die fehlen, sind die Marc Almonds, einer der wenigen außerhalb Frankreichs, der Barbaras Lieder gecovert hat, und Gerard Depardieus, der in den 1980er Jahren mit seiner damaligen Frau Élisabeth zu Barbaras engsten Freunden zählte. Letzteres ist durchaus verständlich, hat der Schauspieler vor wenigen Monaten seine eigene Hommage ("Depardieu Chante Barbara") herausgebracht.
Doch auch so mangelt es nicht an großen Namen. Allen voran Jane Birkin ("Là-bas"), die Schauspielerin Juliette Binoche ("Mes Hommes", "O Mes Théâtres "), Dominique A ("Cet Enfant-là"), Bénabar ("Y'aura Du Monde") und die immerjunge Vanessa Paradis ("Du Bout Des Lèvres"). Zwei der schönsten Interpretationen sind jedoch "Pierre" des erst 21-Jährigen Tim Dup und "Dis, Quand Reviendras-tu?", das Hindi Zahra auf Englisch singt ("Say, When Will You Return?").
Barbara war in den 1960er Jahren auch in Deutschland so populär, dass sie ein Album auf Deutsch veröffentlichte ("Barbara Singt Barbara"). Ihr bekanntestes Stück hierzulande ist sicherlich "Göttingen". Dass sie ihre Probleme hatte, überhaupt in Deutschland aufzutreten, ist nicht verwunderlich. Doch war sie vom Empfang in Niedersachsen so begeistert, dass sich ihre Einstellung änderte. In dieser Zusammenstellung ist das Stück, dass sie im Anschluss schrieb, in die Bonus-Abteilung verbannt, in einer gesprochenen Version des österreichischen Schauspielers Helmut Berger.
Es hätte einen besseren Platz verdient, aber wohin, mit all diesen großartigen Interpretationen? Tharaud glänzt dank seines Durchhaltevermögens, vor allem aber wegen seiner zurückhaltenden Begleitung am Klavier, gelegentlich auch Wurlitzer oder Celesta. Virtuos, gleichzeitig im Dienst des Stücks und nicht seines Egos. Eine seltene, glückliche Kombination, auch in den instrumentalen Stücken, gelegentlich begleitet von Michel Portal (Klarinette), Roland Romanelli (Akkordeon) oder Louis Rode (Cello).
Ihm ist eine wunderbare, gefühlvolle Zusammenstellung gelungen, bei der Barbara dennoch die letzten Worte verdient hat:
"Lasst jene Zeit nie wiederkehren / wenn Blut und Hass die Welt zerstören. / Denn es gibt Menschen, die ich liebe / in Göttingen, in Göttingen."
1 Kommentar
wow, birkin, paradis, depardieu und die wundervolle binoche. allein für diese hochkaräter lohnt es sich. warum hat er die adjani nicht noch dazu geholt?
aber den helmut für göttingen zu gewinnen, ist als coup definitiv untopbar.