laut.de-Kritik
Selten schlauer und zugleich spiegelglatter Elektro-Pop.
Review von Kerstin KratochwillDieser unscheinbarer blasse Mann mit Nerd-Brille, der uns traurig dreinblickend und comichaft gezeichnet auf dem Album-Cover anblickt, ist in Wirklichkeit ein großer Popstar: Alexis Taylor revolutionierte mit Hot Chip die Disco und mit zartem Pianosound das Singer-Songwriter-Genre. Nun veröffentlicht er mit "Beautiful Thing" bereits sein viertes Studio-Album.
Es pluckert mit "Dreaming Another Life" langsam, fast schon gelangweilt los, bevor Taylor mit "Beautiful Thing" einen sich immer weiter vorwärtsfressenden Synthpop-House-Piano-Track nachschiebt. Schon der Anfang belegt, dass er nach wie vor beides drauf hat: Dancefloor sowie Konzertsaal bespielen und beseelen, wenn nötig zugleich. Der Musiker ist in der Lage, sich in ein anderes Leben zu träumen und dieses Leben dann mit traumähnlicher Musik zu füllen.
Auf "Beautiful Thing" stellt Taylor schwebende, fast zerbrechliche Kompositionen wie "Deep Cut" neben grollende melancholische Tracks wie "Roll On Blank Tapes", die allesamt vorsichtig die Schönheit in Musik und Mensch erforschen. Subtil und zugleich spiegelblank sind seine Annäherungen geworden, so dass man den Liedern zwar fasziniert folgt, aber dennoch eine gewisse Leere nach dem Anhören verspürt. Die Perfektion, mit der Taylor die Melodien skizziert und seziert, haben etwas Aseptisches und Anämisches.
Musik für smarte Menschen in smarten Wohnungen mit smarter Kleidung – natürlich in einer ironisch-intellektuell gebrochenen Haltung. Selbst wenn sich wie in "Suspicious Of Me" fiebrig zuckende Funkfetzen im Stile von Prince in die Musik schleichen, hat man stets den Eindruck, auf einem ordentlich und sauber gelenkten Trip zu sein, als hätte Taylor mit diesem Album einen musikalischen Kommentar zur dystopischen Serie "Black Mirror" geschrieben.
Die Reflexion ist hier im wahrsten Sinne eine Rückstrahlung: Jedes Lied wirft seinen Strahl zurück auf den Hörer und spiegelt den riskanten Riss in unseren allseits gegenwärtigen und glänzenden Displays. So schlau war elektronische Musik selten, so spiegelglatt aber auch nicht.
Noch keine Kommentare