laut.de-Kritik
Die Walze im Nordmeer.
Review von Manuel BergerJohan Hegg ist nicht mehr bloß Oberwikinger bei Amon Amarth. Nein, Johan Hegg durfte inzwischen auch schon im Kino Wikinger spielen. Was fehlt noch? Ein Album über Wikinger natürlich. Doch das ist nicht alles: Das Filmerlebnis hat offenbar Eindruck hinterlassen. Auch wenn das Wikingerkonzept schon immer stand — jetzt kommt es erstmals als "richtiges" Konzeptalbum daher. Trotzdem bleibt im Grunde alles beim Alten.
Kurz umrissen: Ein Jomswikinger (Söldnertruppe) verliert seine Holde an einen Kollegen, killt aus Versehen jemanden, muss fliehen. Er schwört Rache, will das Mädchen zurückgewinnen. Die erste Zeile des Albums lautet "The first man I killed..." — man kann sich also denken, dass im Zentrum nicht nur die Lovestory steht. Ein paar Schädelspalter werden schon drin sein.
Gegrowltes Spoken Word wie in jener ersten Zeile hört man übrigens auch nicht alle Tage. Chief Hegg kann schon was. Das Schönste an Amon Amarth bleibt natürlich auch auf "Jomsviking" erhalten: Wenn man will, versteht man die Texte. Artikulation ist doch was Tolles. Vor allem im Death Metal.
Und unter Heggs Erzählereinstand grummelt Ted Lundström auf seinem Bass. Der erste Höhepunkt ließ wirklich nicht lange auf sich warten. Früh ist damit klar: Amon Amarth sind nach wie vor eine Macht. Sie wissen um ihre Stärken und spielen diese aus. Olavi Mikkonen und Johan Söderberg werfen mit Melodien nur so um sich und Riffs wie in "One Against All" sprechen einfach für sich.
Bisweilen kommen dann auch beide Aspekte zusammen und bilden zum Beispiel "One Thousand Burning Arrows". Dem Track kann man höchstens ankreiden, dass er sich ein wenig zu sehr auf dem coolen Grundthema ausruht. Dafür tut die zurückgenommene Aggression gut. Die Ruhe lockert das Ganze doch merklich auf.
Aber auf die Gefahr hin, dass gleich ein bärtiger Axtschwinger aus dem Computer gesprungen kommt: Es ist leider nicht alles auf "Jomsviking" so mächtig wie's bisher klingt. Denn auch wenn alles vorhanden ist, wofür wir Amon Amarth lieben — teilweise tropfte das Blut einfach schon frischer.
Die Hook "We will drink to glory tonight" von "Raise Your Horns" ist leider Programm, hier schunkelt's schon arg. Und die Chorus-Melodie — sowohl auf Gitarre als auch beim Gesang — könnte flacher kaum sein. In "At Dawn's First Light" ist die Lead-Gitarre zwar wieder auf der Höhe, Hegg dagegen am Tiefpunkt seiner Inspiration. Und solche Riffs hört man schlicht zu oft. Noch schlimmer wird's dahingehend bei "Vengeance Is My Name". Sowas war bereits in den 80ern "traditionell". Dazu noch "Slashing! Slashing! This is my sword, we are the same" grölen macht's nicht besser.
Immerhin darf ich die Floskel "krönender Abschluss" vollkommen legitim verwenden. "Back On Northern Shore" ist nämlich vor allem eines: episch. Im Mid-Tempo walzt sich das Stück durchs Nordmeer, die Gischt spritzt nur so, steuer- und backbord fliegen Feinde durch die Gegend: "He wants war / He vowed to return and to make them bow" Oh ja, so gehört sich das.
Wie schlägt sich eigentlich Doro? Die gastiert schließlich auf "A Dream That Cannot Be". Nun, sagen wir so: nötig gewesen wär's nicht unbedingt. Eigentlich fasst der Song das Album ganz gut zusammen: Manche Teile knallen, manche können einfach weg. Da erwähne ich lieber noch die Game Of Thrones-Ästethik à la "The Way Of Vikings". System Of A Downs "Aerials" (gab's da nicht mal ein Cover?) versteckt sich hier auch noch. Allerdings ziehen mal wieder die Vocals nach unten.
Wie das harte Leben seiner Titelhelden verläuft "Jomsviking" also leider nicht durchgängig rosig. Hie und da entdeckt man eben doch mal ein modriges Brett im Bug. Aber so lange wir nicht kentern, ist ja alles gut.
7 Kommentare mit 5 Antworten
Japp, das ist echt mal keine Begeisterungsstürme wert. Schade, dass die Band in ihren Riffs weiter so Kurs auf den traditionellen Metal nimmt. Wenn die Vocals nicht wären, könnte man das beim besten Willen niccht in die Rubrik Death Metal packen.
Für den Auftritt von Doro gibt's 2 Punkte Abzug. Die Alte ist einfach nur peinlich und passt überhaupt nicht zur Musik. Ansonsten solide und es gibt das volle Brett, wenn auch die Hymnen fehlen. Der Gesang haut wie immer alles raus. Aber alles entwickelt sich in Richtung Massengeschmack. So wie damals Paradise Lost, die haben auch mal als Death Metal Band angefangen.
Wenn Amon Amarth so viel ausprobieren würden wie Paradise Lost, würde die Zustimmung der Fans deutlich geringer ausfallen.
Kein Stück schlechter als "Deceiver of the Gods", eher im Gegenteil. Doro ist aber wirklich unerträglich.
Nah, Deceiver war irgendwie straighter, härter, schneller.
Sauf-und Gröl-"Metal" voller Klischees, Kitsch und Pathos.
Da fehlt gar nicht so viel zu Wolfgang Petry. Halt mit growls und E-Gitarren unterlegt, aber ansonsten von der Stimmung her recht ähnlich. Simple Mitsingstrukturen, die man auch im stark alkoholisiertem Zustand noch auf die Reihe kriegt.
Doro passt da vom Peinlichkeitsniveau her eigentlich sehr gut rein. Ab 2 Promille dürfte das dem durchschnittlichen Schlager... äh sorry, "Metal"-Fan eh egal sein.
So what... Amon Amarth's 217. Album klingt also fast genau so wie die 154 Alben davor? Echt? Das überrascht jemanden noch?!?
Und? Es ist nicht mal das Schlechteste ihrer Alben. Oder das Beste. So, wie Suppe manchmal weder gut noch schlecht, sondern einfach nur heiß ist. So ist das hier halt die/eine neue Amon Amarth.
Solides Album, mit zwei, drei persönlichen Favoriten. "One Thousand Burning Arrows" muss meiner Meinung nach als einer der ganz grossen Amon Amarth-Songs stehen. "Raise Your Horns" macht gute Laune, ideal für Live-Shows und "The Way of Vikings" ist bei weitem nicht so furchtbar, wie hier angeprangert. Hier hat mich vor allem der Gesang in den Strophen überzeugt. Der Rest geht leider wirklich etwas unter...