laut.de-Kritik
Introvertierte Lieder in neuem Licht.
Review von Martin LeuteVor zwei Jahren lieferte Anais Mitchell mit ihrer Vertonung des Mythos von Orpheus die kunstvolle Folk-Oper "Hadestown" ab. Mit wunderbaren Kompositionen erstrahlte diese zwischen Folk, Gospel, Country und Blues in aller Schönheit und begeisterte mit Gastsängern wie Justin Vernon (Bon Iver), Ben Knox-Miller (The Low Anthem) und Ani DiFranco die Musikwelt.
Auf "Young Man In America" widmet sich die Singer/Songwriterin nun wieder einem im modernen Amerika ansässigen Protagonisten. Ruhelos muss er sich auf der Suche nach Erfolg und Liebe mit den Widrigkeiten und Freuden des Lebens und den eigenen Unzulänglichkeiten auseinandersetzen.
Mitchell übernimmt die Rollen der multi-perspektivisch erzählten Geschichte diesmal allesamt selbst, setzt aber immer wieder auf enorm markante, mehrstimmige Refrains und Backgroundgesänge der Mitmusiker. Ihr unaufdringliches Songwriting und ihr fragiler Gesang wirken stets etwas aus der Zeit gefallen. Zur sanften Spannung und dem dezenten psychedelischen Schleier tragen die vielschichtigen, aber stets flüssigen Arrangements bei, für die diverse Musiker aus der Rock- und Experimental-Jazz-Szene Brooklyns verantwortlich zeichnen.
Während der Opener mit schlichten E-Gitarren- und Trommel-Schlägen und gespenstischer Mehrstimmigkeit ein Szenario der Ungewissheit schafft, verdeutlicht der Titeltrack die Aufbruchstimmung des jungen Mannes mit der rhythmisch gespielten E-Gitarre, der Mandoline und einer jazzigen Bläsereinlage.
Solche instrumentalen Motive prägen das Werk und harmonieren immer prächtig mit dem lyrischen Vortrag. Eine zarte Klavierlinie unterstreicht die hoffnungsfrohe Melancholie in "Coming Down", sonniges Akkordeonspiel die Liebes-Aufgeregtheit in "Venus" oder die Suche nach der Selbstfindung in "Tailor". Die perlende Akustische beschreibt die Angebetete in "He Did" oder dem Beziehungsdialog in "Shepard" musikalisch. Feinsinnige Dramaturgien und wirkungsvolle Klangbilder finden sich in jedem der elf Songs, ein Feuerwerk entfachen sie jedoch nicht.
Mit diesem epischen Album hat Anais Mitchell nach ihrem reduzierten 2008er-Album "Hymns For The Exiled" zu einem instrumental facettenreichen, dynamischerer Stil gefunden, der ihre introvertierten Lieder in ein neues Licht rückt. Auch wenn dieses Werk nicht die enorme Ausdruckskraft und den mitreißenden Charme des Vorgängers "Hadestown" besitzt, weist Mitchell sich doch als gereifte und niveauvolle Geschichtenerzählerin aus, die mit ihrer Vorstellung von zeitgenössischem Folk die Genregrenzen nach allen Seiten hin sachte öffnet. Ihr ist durchaus eine Weiterentwicklung zu attestieren, Mauern reißt sie damit aber keine ein.
7 Kommentare
ï hier schenke ich euch
@sickboy (« ï hier schenke ich euch »):
Hä
Der sïckboy möchte nur anmerken, dass sïch Anaïs mit zwei Pünktchen über dem ï schreibt. Und - Recht hat er.
... bevor hier noch alle grübeln
ach sonderzeichen sind doch fürn arsch. zudem ist doch egal ob die jetzt anais, anaïs, anis, anus oder sonstwie heisst. wie hat mal ein guter freund von mir behauptet: "namen sind nur schall und rauch." imho kommt es nur auf das aussehen an, alles andere macht den braten auch nicht fett.
5 von 5 Sternen von mir für dieses fantastische Album. Jeder, der weniger als vier gibt, hat einen kleinen Penis und hört heimlich Roman Lob.
Hab vier gegeben, tolles album, hab aber immer noch ganz frisch Hadestown im Kopf, das war einfach großartig