laut.de-Kritik
Vom Schildknappen zum Elektropop-Vorreiter in zehn Liedern.
Review von Ulf KubankeAnd One gibt es mittlerweile ein Vierteljahrhundert. Steve Naghavi musste in dieser Zeit oft Widrigkeiten und Rückschläge hinnehmen. Mal lieferte das ewige Steh-Auf-Männchen große Kunst ("Der Erste Schritt"), dann wieder große Peinlichkeiten ab ("Pimmelmann" und co). Derlei Wechselbäder sind endlich Geschichte. Mit "Magnet" serviert der persische Partylöwe sein mit großem Abstand bestes Album.
Genau genommen sind es insgesamt sogar mehrere neue Platten, die der sympathische Überzeugungstäter offeriert. Diverse Editionen und Sets lassen das geneigte Fanherz höher schlagen. Kern des Ganzen ist der auch als Einzel-CD erhältliche "Magnet". Und diese Scheibe hat es endlich mal so souverän in sich, wie man sich And One immer schon wünschte: Vom Depeche Mode-Schildknappen zum Elektropop-Vorreiter in zehn Liedern!
Produktion und Arrangements mausern sich zum warmen, sehr homogenen Gesamtbild, in dem jeder Sound, jedes Wort und jedes Instrument perfekt aufeinander eingestimmt sind. Der Gesang hat zumindest im Studio ehemalige handwerkliche Schwächen eliminiert und gibt der ebenso maskulinen wie sensiblen Stimme Naghavis endlich das lang ersehnte Charisma ohne Wermutstropfen. Seine Tracks packen die ollen 80er beim gegelten Schopfe und transformieren sie behutsam ins Jahr 2014.
Zur Silberhochzeit hat man erstmals so richtig die Chance, And Ones musikalisches Talent in Gänze wahr zu nehmen. Von überbordendem Feel-Good-Pop (etwa das sehr britisch klingende "Everybody Lies At Night") bis zum melancholischen Romantiker ("Keiner Fühlt's Wie Wir") ist alles am Start, was das Pop-Herz begehrt. Endlich klingt alles catchy ohne Kitsch oder Abzüge in der B-Note.
Schon die ersten sieben Minuten haben es magnetisch in sich. Der Opener "Love Needs A Saving Hand" ist eines der besten Stücke, die And One präsentierte. Zunächst gönnt sich der Track einen verhaltenen Start mit Naghavi als nachtblauem Crooner auf Bogarts Spuren. Alles mündet in die eleganteste Hymne, die er je schrieb. Nicht nur hier spielen die Gitarren gern das entscheidende Zünglein an der Waage. Das leicht angegilmourte Pink Floyd Feeling anno "Run Like Hell" verleiht dem schicken Track den rechten Wumms, ohne sich in den Vordergrund zu spielen. Unbedingter Anspieltipp!
Auch Naghavis Texte schwimmen sich endlich frei von all der früher so präsenten Fremdscham. Egal ob auf deutsch oder englisch: Die Zeilen klingen pointierter und sprachlich poetischer als früher. Vor allem die Liebe zieht sich als thematischer Anker wie ein roter Faden durch die atmosphärischen Klänge. Der gebürtige Teheraner gibt eine Art Elektro-Rumi und lässt den schwarzer Szenekasper im Schrank; hoffentlich für immer.
Als Höhepunkt der gelungenen Vorstellung erweisen sich einmal mehr die sensiblen Momente. Ich kann jedem nur den erhaben schwermütigen Schamanenpop von "Keiner Fühlt's Wie Wir" und "Unter Meiner Uniform" empfehlen. Hier zeigen And One genau das, was man bei Genrekollegen wie Heppner und Co. meist nur noch als lahme Selbstkopie erahnen kann.
So bleibt der Hörer an diesem "Magnet" kleben, der in Sonnenschein wie Mondlicht gleichermaßen gut funktioniert. Wer And One bislang nicht kannte, sollte getrost mit diesem Album starten. Einen passenderen Einstieg für Naghavi-Novizen gibt es nicht. And Ones zweiter Frühling kommt wie ein Phönix aus der Asche. Weiter so!
2 Kommentare
Dieser Kommentar wurde vor 7 Jahren durch den Autor entfernt.
Zeit Ohne Zeit ist so gut, schade dass du darauf nicht en detail eingegangen bist