laut.de-Kritik
Das alte Feuer lodert noch.
Review von Thomas KlausAutsch! Man soll sich ja nicht vom ersten Eindruck blenden lassen, aber das Cover, mit dem Conrad Keely das siebte Album der texanischen Todesschwadronen optisch aufbereitet hat, stünde dem Titel "And You Will Know Us By The Trail Of Augenkrebs" weitaus besser zu Gesicht.
Richtete sich die Zerstörungswut Keelys und seines Sidekicks Jason Reece Anfang der Nullerjahre hauptsächlich gegen fremdes Hotelzimmerinventar und eigenes Equipment, erregt das Antlitz von "Tao Of The Dead" mit seiner infantilen "Die Seefahrer von Catan"-Ästhetik den Anschein, als ob die toxischen Zwillinge nun auch dem physischen Tonträger endgültig das Licht ausblasen wollten.
Musikalisch befinden sich ... And You Will Know Us By The Trail Of Dead – nicht nur was die Herangehensweise der Albumproduktion betrifft – jedoch (wieder) voll auf der Höhe. Wie die Beatsteaks oder zuletzt die Foo Fighters gaben Keely, Reece, Autry Fulbright, Aaron Ford und ein weiterer, schlicht "R" benannter Auswechselspieler dem modrig-miefigen Charme einer feuchten Kellerkaschemme den Vorzug vor einem herkömmlichen High-End Studio. Des Mannes Proberaum ist neuerdings seine Burg – auch wenn sich AYWKUBTTOD ihre Turnhalle in Austin (aus Kostengründen?) mit I Love You But I Have Chosen Darkness und Paul Barker (Ex-Ministry) teilen müssen.
Ähnlich Dave Grohl, den es nach 20 Jahren in die Arme seines "Nevermind"-Ziehvaters Butch Vig zurücktrieb, besinnen sich auch Keely und Reece mit "Tao Of The Dead" auf den eigenen Urknall – und den Produzenten ihres Debütalbums, Chris Smith - zurück. Frönten die Texaner ihrer einst berüchtigten Lust am Lärm auf dem Vorgänger Century Of Self allerhöchstens halbgar, leben sie ihren bipolaren Vollschatten auf diesem zweiteiligen Konzeptalbum umso zügelloser aus.
Wie die Wühlmäuse graben sich Trail Of Dead nach der obligatorischen Barock-Ouvertüre einmal quer durch den eigenen Backkatalog und zelebrieren mit "Cover The Days Like A Tidal Wave", "Weight Of The Sun", "Pure Radio Cosplay (Reprise)", und "Ebb Away" jenen herrlich überkandidelten Beethoven-Rock, mit dem sie uns seit "Madonna", dem Geniestreich Source Tags & Codes und dem letzten kreativen Lebenszeichen Worlds Apart so ans Herz gewachsen sind.
Einige ausgelutschte Rockismen und blutleere Uff-Da-Uff-Da Parts wie in der Single "Summer Of All Dead Souls" hätten sie sich zwar sparen können, aber auf den Gewinn eines weiteren Innovationspokals scheißen Keely und Reece mittlerweile ebenso konsequent wie auf die ernsthafte Beantwortung von Interviewfragen.
Dass das alte Feuer dennoch lodert, hört man insbesondere dem grandiosen Finale von "Tao Of The Dead" an. Mit "The Fairlight Pendant" erweitern sie ihr ohnehin schon wahnwitziges Œuvre aus Pop, Noise-, Punk-, Post-, Alternative-, Schwanz und Wasweißich-Rock um die Facette Kraut, indem sie sich mit diesem repetitiven Synapsen-Fick so ehrfürchtig vor NEU! verneigen, dass selbst ein Michael Rother hypnotisiert das Handtuch wirft.
Wen es danach noch auf den Beinen hält, den schicken TOD mit dem über 16-minütigen Progrock-Marathon "Tao Of The Dead Part Two: Strange News From Another Planet" endgültig auf den Mond oder die Bretter. Ursprünglich wollte Keely dieses krönende Epos, das die Band mit Produzent Chris Coady (Beach House, Blonde Redhead) vor den eigentlichen Albumsessions aufnahm, als separate EP veröffentlichen.
Im Gegensatz zum Artwork hat sich dieser Hirnfurz gottseidank in Luft aufgelöst.
10 Kommentare
wahnsinns Band kann ich gart nicht oft genug sagen...auf der neuen Scheibe scheppert es zwar nicht mehr so wie z.B. auf früheren Werken aber die ruhigen und vor allem experimentellen Töne treffen Sie weiterhin ja genauso perfekt. KAUFEN
Wie kann man nur behaupten, dass nach World's Apart nix mehr gekommen wäre? Auch die Nachfolger hätten gereicht um so ziemlich der ganzen Konkurrenz die Licher auszublasen.
Aber die Neue ist auch jeden Fall wieder hervorragend. 5/5.
Von wegen Augenkrebs und "dem physischen Tonträger endgültig das Licht ausblasen"... Herrliche Illustrationen und sogar einen halben Comicroman werden einem hier in einer tollen Aufmachung geboten (auf jeden Fall in der Limited Edition, welche ich besitze). Hier lohnt es sich endlich mal wieder in den Plattenladen zu gehen. Das Ding schreit förmlich danach, bestaunt zu werden, während man der wunderbaren Musik lauscht! Es ist also ein ganz klares Statement gegen den modernen Musikkonsum!
Das Cover ist wirklich sehr herrlich, fast so gut wie das der aktuellen Alphaville
www.laut.de/Alphaville/Catching-Rays-On-Giant-(Album)
himmel TOD seit der Source....an. Sind immer überragend gut und ein effektiver Gegenentwurf zum musikalischen Ramsch und Verblödung,,,
Hab mir das Album heute zugelegt und musss sagen, es macht Spaß! Immer schön, wenn man gute Bands erst entdeckt und schon ein ordentlicher Back-Katalog verfügbar ist.