laut.de-Kritik
Instrumentaler Maximalismus killt den entspannten Sommervibe.
Review von Yannik GölzWas könnte Anderson .Paak falsch machen? Mit zwei offiziellen Alben und einer Knxwledge-Kollabo im Rücken sollte für einen so routinierten Künstler auch das Mainstream-Debüt eigentlich ein Zuckerschlecken sein. Im Grunde hat er ja schon bewiesen, dass er alles kann: singen wie die Soul-Stars der Siebziger, rappen wie Kendrick Lamar, Beats machen wie das Liebeskind von 9th Wonder und den Neptunes. Dann hört man sich mit "Oxnard" seinen neuen Wurf an und fühlt ... irgendwie gar nicht so viel.
Man sucht den Fehler erst einmal bei sich. Hat man gerade irgendetwas gehört, das wirklich gestört hat? Nicht wirklich. Ein paar der Skits hätte man sich vielleicht sparen können, und hier und da erschien einem der Sex-Talk vielleicht eine Stufe zu inflationär, aber abgesehen davon klingt "Oxnard" definitiv so, wie es soll. Da steckt viel Funk in den Basslines. Immer wieder brechen schöne Knocks die Produktion auf. Die stetigen Soul- und Gospel-Vocals und cineastischen Jazz-Melodien klingen beeindruckend.
Vielleicht ist es dieses "beeindruckend klingen", das den Schuh drücken lässt. Wie vorhin schon bemerkt: Im Grunde hat .Paak schon alles bewiesen, das er zu beweisen hat. Diese Platte wirkt wie der Versuch, noch einen draufzusetzen, wo es eigentlich nicht mehr viel Raum für mehr gibt. Stattdessen klebt man an jeden Song und an jede musikalische Idee Schnörkel dran. Schnörkel, die beim ersten Hördurchgang irgendwie detailreich und ambitioniert klingen, aber selten einen wirklichen Mehrwert haben.
"Headlow" zum Beispiel eröffnet mit einem Gospel-Sample, das sich melodramatisch in einen Break steigert, zu dem dann eine durchaus vielversprechende Bassline einsetzt. Bevor die sich aber wirklich entfalten kann, begraben sie G-Funk-Perkussion, Synthesizer und noch mehr Vocal-Samples unter sich. Und immer, wenn man sich auf die individuelle Schönheit eines Instruments einlassen will, bemerkt man, dass Anderson .Paak da gerade drei Minuten ohne Twist, Wortwitz oder irgendeinen lyrischen Ansatz darüber rappt, gerade einen Blowjob im Auto zu bekommen. Inklusive unappetitlicher Geräusche am Schluss.
Eigentlich funktioniert "Oxnard" immer dann am besten, wenn es sich auf das Notwendige reduziert und .Paaks bewährter Intuition freie Fahrt lässt. "6 Summers" baut über weite Strecken allein auf eine wundervolle Bassline und etwas wahnwitzige Percussion auf, und siehe da: .Paaks Flow glänzt, dazu ein exzentrischer Refrain über ein mögliches uneheliches Kind von Donald Trump, das auf wilden Partys mit schwarzen Frauen rummacht. Fertig, passt. Ähnlich potent ist die Single "Tint", auf der er mit Kendrick Lamar im Hyperloop-Funk-Modus über abgedunkelte Fensterscheiben abflext.
Eine weitere Beobachtung: Ein besonders deepes Album bekommt man hier nicht geboten. Es klingt ein bisschen so, als habe man Kendricks "To Pimp A Butterfly" in komplett unpolitisch gemacht, aber weil Dr. Dre im Stuhl des exekutiven Produzenten das irgendwie kompensieren wollte, kleben jetzt überall diese seltsamen Schnörkel. Die sorgen dafür, dass Songs wie "Saviers Road" und "Smile/Petty" einfach etwas zu verkopft geraten, um zu klicken.
Besser läuft es, wenn .Paak sich mit den hochkarätigen Features arrangiert. Die Liste hier wird einem Major-Label-Debüt mehr als gerecht: Von Kendrick Lamar, J. Cole, Pusha T und BJ The Chicago Kid bis hin zu handfesten Legenden wie Snoop Dogg, Dr. Dre und Q-Tip. Gerade Pusha-Ts Ode an seinen Bruder ("Brother's Keeper") und Snoop Doggs G-Funk-Nostalgie ("Anywhere") laufen beizeiten sogar Gefahr, dem Hauptdarsteller die Show zu stehlen.
Schlussendlich bleibt man mit dem Gefühl zurück, nicht so recht zu wissen, was man mit dieser Platte anfangen soll. Sie klingt wie ein großartiges Album. Sie hat all die Referenzpunkte, von G-Funk über Jazz, Funk und R'n'B, die fantastischen Gäste vor und hinter dem Mikrofon, fantastische Flow- und Gesangspattern und viel ambitioniertes Songwriting. Aber bis auf vereinzelte Momente fühlt sie sich nicht wie eine großartiges Album an.
Immer wieder tun sich unerklärliche Längen auf, immer wieder unterwandert der instrumentale Maximalismus den entspannten Sommervibe. Natürlich sind alle Akteure auf "Oxnard" viel zu kompetent, um je unter den Durchschnitt zu fallen. Aber eine gewisse Enttäuschung lässt sich trotzdem nicht leugnen.
5 Kommentare mit einer Antwort
Ging mir ähnlich wie dem Rezensenten, hatte nach Malibu sehr hohe Erwartungen an das neue Album, die .Paak aber leider bei mir nicht erfüllen konnte.
Fand das Album eigentlich ziemlich gelungen. Habe es 3-4 Mal gehört und mich an den detailreichen Produktionen, sowie Paaks charakteristischem Vortrag.
Ist vielleicht auch eine frage des Hörens, wenn man sich richtig darauf fokussiert, wirkt es stellenweise schon überladen, aber so für entspannt im Hintergrund laufen lassen , ist es sehr gelungen.
Vielleicht hat sich Yannik auch nur zu sehr auf headlow fokussiert, denn auf die anderen Tracks funde ich die Kritikpunkte nicht wirklich zutreffend....
Dieser Kommentar wurde vor 6 Jahren durch den Autor entfernt.
Soundtechnisch gefällt's mir extrem gut! Inhaltlich hätten es auch ein paar Ficken/Bumsen/Blasen Lines weniger getan! Die Tracks mit Pusha, Snoop und Q-Tip sind stark!
Rezi geht klar. Manchmal zu überladen, so dass es anstrengend wird aber eher so ne 3.5