laut.de-Kritik
Eine kurzweilige Wandertour durch die metallischen Genres.
Review von Yan VogelAls Avatar bezeichnet man eine künstliche Person in der virtuellen Welt, die oft mehr Wunschdenken, denn Realität darstellt. Seit Beginn ihrer Karriere Anfang der Nullerjahre haftet der schwedischen Formation Avatar der Makel an, eine mal mehr schlechte und mal mehr rechte Kopie bewährter Metal-Bands zu sein. Eine weitere Anekdote am Rande: Auch die 80er und 90er Metal-Ikone Savatage hieß zu Beginn ihrer Laufbahn Avatar.
Erst mit den letzten beiden Alben konnten sich die Schweden etablieren und legten insbesondere mit "Feathers And Flesh" ein eklektisches Metalbrett hin. Gestartet als Melodic Death Metal-Kapelle im Fahrwasser des Göteborg-Sounds (In Flames, Dark Tranquillity) hangelte sich das Quintett wie in einem Selbstbedienungsladen durch zig Metal-Subgenres und scheint nun ihr Heil in der bewusst schwammig gehaltenen Formel Härte vs. Melodie gefunden zu haben.
Dieser Genremix ist nun seit der letzten Platte die Maxime. Weil der ironisch gebrochene konzeptionelle Überbau von "Feathers And Flesh" so gut funktioniert hat, nehmen die Schweden diesmal das mythologisch aufgeladene 'Blut, Boden und Schwert'-Gedöns aufs Korn, das viele Metal-Bands (Amon Amarth, Sabaton) allzu ernsthaft zelebrieren. Die kichernden Joker von Edguy lassen grüßen.
Die Story von "Avatar Country" ist schnell erzählt. Der schlicht als 'King' titulierte Hauptprotagonist zwirbelt sich mal kurz an der Rotzbremse und schüttelt sich einige Killerriffs aus dem mit königlichen Insignien gespickten Mantel und bringt den Menschen von Avatar Country Wohlstand und Glückseligkeit. Die bislang veröffentlichten Videos zu "The King Wants You" und "A Statue Of The King" teasern den Travestie-Stil des Konzepts irgendwo zwischen Batmans Joker, Clockwork Orange und Fandango an. Die Tracks auf dem Album beleuchten unterschiedliche Stationen im Leben des 'King', dessen Name geschlagene dreizehn mal alleine in den Songtiteln auftaucht.
"Avatar Country" entpuppt sich insgesamt als kurzweilige Angelegenheit, aber auch als zweischneidiges Schwert. Das Intro und der Spoken Word-Track geraten als ein nettes Gimmick. Man kann sich beim erstmaligen Hören ein Lächeln nicht verkneifen, wenn der King bei einer Nonsense-Ankündigung frenetisch gefeiert wird. Spätestens beim dritten Durchlauf springt der Finger automatisch zur Skip-Taste beim Erklingen von "The King Speaks". Zudem beschließt das Album ein zweigeteiltes Instrumental, das zunächst billige Beats und Synthiegeklimper enthält, während sich die zweite Hälfte mit ein paar geschmackvollen Riffs achtbar aus der Affäre zieht.
Bleiben noch die restlichen sechs Tracks, in denen Sänger Johannes Eckerström seine beeindruckende Vocal-Performance zur Schau stellt. Im achtminütigen Herzstück "Legend Of The King" keift er zu Death'n'Roll kvelertakscher Prägung, bevor sich seine Stimme zu einem Heldentenor erhebt und einen Hymnus in bester Power Metal-Tradition intoniert.
Auch die Gitarrenarbeit weiß restlos zu überzeugen. Komplementäre Riffs, griffige Soli und vielfältige Arrangements machen das Wandern durch die metallischen Genres zu einem reinen Hörvergnügen. In "The Kings Welcomes You To Avatar Country" treffen AC/DC auf Kid Rock und kredenzen im C-Teil eine schwülstige Trailer Melodie im Eighties-Stil. Sakrileg? Eher Sakriköstlich. In den folgenden Tracks fliegen dem Hörer die fein ausgearbeiteten klassischen Riffs um die Lauscher. Einzig die 90er Groovekiste "King's Harvest" offenbart allzu deutlich ihre Roots bei Sepultura.
Wer auf Metal jenseits der Konventionen und mit einem Augenzwinkern versehen steht, kann schon mal sein Schlachtross satteln oder den Trojaner starten und den Musikladen bzw. Streaming-Dienst seines Vertrauens entern. Lediglich die magere Spielzeit von 37 Minuten lässt zu wünschen übrig, von der zudem noch die Instrumentals, das Intro und der Spoken Word-Track abgeht. Hier hätte die Veröffentlichung einer EP auch ausgereicht.
Noch keine Kommentare