laut.de-Kritik
Lasset die Fabel-Festspiele beginnen!
Review von Kai ButterweckAus der Manege an die frische Luft: Der Avatar-Zirkus macht Halt in einer Fantasiewelt, in der Eulen, Adler und Bienen das Sagen haben. What the hell? Ach, kommt schon ... Wer sich dieser Tage als Kenner der Theatralik-Metaller überrascht zeigt, der hat den Sinn des großen Avatar-Ganzen wahrscheinlich noch nicht so richtig verstanden.
Die Veröffentlichung eines Konzeptalbums ist bei einer Band mit derartigem künstlerischem Hintergrund eigentlich immer nur eine Frage der Zeit. Und anno 2016 ist für Ober-Clown Johannes Eckerström und seine Mannen der perfekte Zeitpunkt. "Wir wollten schon immer ein Konzeptalbum herausbringen. Diesmal hat endlich alles gepasst. Mit dem neuen Album rammen wir einen weiteren Band-Eckpfeiler in den Boden", berichtete uns der Frontmann vor kurzem im Interview. Und "Feathers And Flesh" steht seinen Vorgängern tatsächlich in nichts nach.
In der Fabel aus der bandeigenen Fantasiewelt geht es um eine Eule, die in den Krieg zieht, um die Sonne das Fürchten zu lehren. Auf ihrer Reise begegnen ihr natürlich zahlreiche andere Tiere, Bienen, Falken, ein Adler und, und, und. Es wird gesummt, gekreischt, geschnattert und geflattert. Was für ein Spektakel! Und musikalisch? Da lassen sich die Schweden natürlich auch nicht lumpen. Ist das Haus der ewigen Jagd erst einmal besetzt, geht es sogleich in die Vollen.
Pfeilschnelle Speed-Passagen wechseln sich ab mit Groovigem aus dem Uffta-Archiv: Der im Anschluss an das Intro "Regret" folgende Opener "House Of Eternal Hunt" hat bereits so ziemlich alles am Start, was die Band in den vergangenen Jahren so erfolgreich werden ließ. Die großen Würfe heben sich Avatar aber für später auf. "The Eagle Has Landed" hebt beispielsweise mit unüberhörbaren Grüßen in Richtung System Of A Down schon derbe ab.
Mit "For The Swarm" legt die Band aber noch eine Schippe drauf. Kurz und knackig schwärmt das Ensemble aus. Die Snare gibt dabei den Ton an. Immer schön auf die Zwölf. Und als Leader fungiert ein quakender Johannes Eckerström, der sich wieder einmal als Meister seines Fachs erweist. Und während sich die Band in filigrane Zupfwelten verabschiedet, mimt Eckerström die fleischgewordene Symbiose aus Geoff Tate und Chris Cornell ("Fiddler's Farewell").
Der Kerl kann aber noch viel mehr. Steht beispielsweise ein Berg im Weg, grunzt er ihn einfach zur Seite. Der Background sagt artig Dankeschön und folgt im Marschschritt. ("One More Hill"). Im Avatar-Universum ist mal wieder fast alles erlaubt. Und erst recht im Konzept-Modus. Hier können sich die durchgeknallten Nordlichter so richtig nach Lust und Laune austoben. Selbst poppige Chöre werden mit eingebunden. Ich sehe schon jetzt alle Hände gen Himmel gehen, wenn neue Hymnen wie "Night Never Ending" oder "Pray The Sun Away" sich ihren Weg durch die Festival-Crowds dieser Welt bahnen.
Avatar haben mit "Feathers And Flesh" alles richtig gemacht. Nicht nur, dass die Band die Konzept-Hürde spielend leicht nimmt. Zusätzlich krönt man sich auch ein weiteres Mal als derzeit unangefochtener Kollektivherrscher der Edelstahl-Crossover-Branche. In diesem Sinne: Flügel ausgebreitet und ab dafür. Lasset die Fabel-Festspiele beginnen!
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