laut.de-Kritik

Mit Pharrell auf der Milchstraßen-Vaporwave.

Review von

Unter "Hyperspace" versteht Beck einen Fluchtort, der dich den Alltag für einen kurzen Moment vergessen lässt. Die Idee zum Albumtitel lieferte ihm ein legendäres Arcade-Game aus den 80er Jahren, das über einen solchen Hyperspace-Button verfügt. Im Interview mit BBC's Zane Lowe erklärte der Musiker die Bedeutung dieses kleinen Knöpfchens für sein Album: "Jeder Song ist ein Moment im Leben, wo du dir so einen Knopf wünschst, um woanders zu sein." Religion, harte Drogen, gute Musik von Prince oder Hank Williams erzielten dieselbe Wirkung, so Beck.

Einen solchen Knopf brauchen auch die Protagonisten im Video zu "Uneventful Days". So einladend die cosy Pastellwelt auch scheint, ihre Bewohner wirken müde und mit den Nerven am Ende: "Caught up in these never-ending battle lines / Everything has changed, nothing here feels right." Weibliche Varianten aus "Devil's Haircut" und "Sexx Laws" liegen sich in den Haaren, in einem Büro, das an "Deadweight" erinnert, pellen sich Beck-Poster von der Wand und in einem abgeranzten Kombi sitzt ein einsamer Typ im "Odelay"-Shirt, der die Tränen nicht länger bei sich halten kann. Die Vergangenheit lastet schwer auf den Schultern der Bewohner dieser Welt, soviel ist klar.

Dabei verbreitet der Opener noch Aufbruchstimmung, die Kolonisation unbekannter Sphären in den Weiten des Weltalls verspricht "Hyperlife", nicht mehr und nicht weniger, der Traum eines Lebens im absoluten Rausch: "Faster, farther, longer, harder, I just want more and more / Beauty, light and crushing life, I just want to feel more and more." Träumerische Synthesizer entwerfen Soundscapes, in die man sich hineinwerfen und den Rest des Tages verbringen möchte.

In dieselbe Kerbe schlägt "Stratosphere", in der Beck mit der Akustikgitarre im Anschlag die Unendlichkeit der Galaxien bestaunt: "Turn me around / Collision course with the sun / Far above the ground / Halfway to oblivion." Mehr als einmal gewinnt man allerdings den Eindruck, dass vor allem die Sehnsucht nach einem embryonalen Urzustand Anstoß vieler Songs ist.

Die Einswerdung mit der Welt wird so zur Flucht vor der Welt und "Hyperspace" ist der Ort, wo sich Bewegung in Stillstand verwandelt und absolute Freiheit in sprachliche Eindimensionalität umkippt. Beck setzt sich dieser Ambivalenz aus und gibt in "Dark Places" die Aussicht auf Weiterentwicklung auf, um sich ganz dem Moment hinzugeben, was zuweilen trotzig-kindische Züge annimmt: "On and on and on and on / It's you and I and you and I."

Die Tracks auf "Hyperspace" präsentieren sich so eingängig wie selten, entscheidenden Anteil daran hat Pharrell Williams, der Becks Maximalismus-Prinzip einen Riegel vorschiebt. Das Album überrascht mit einer klaren Linie, das ohne wirkliche Brüche auskommt. Details liegen in den Ambient-Strukturen verborgen.

Nur "Saw Lightning" bricht aus diesem Schema aus und gibt uns den hibbeligen Beck aus "Odelay"-Zeiten zurück, der mit Slide-Gitarre und Harmonika den Mond bejault: "And then it came to me in a flash of light / By the sycamore tree in the dead of night". Die Erleuchtung scheint jedenfalls greifbar nahe, oder ist es doch nur der selbstgebrannte Fusel, der ihn zu derlei Zeilen inspiriert? Ein Schelm, wer da an Scientology denkt (von denen sich der Musiker gerade vor kurzem distanziert hat).

"She said you stay better, stay better right where you are / You might get knocked by a falling star": "Hyperspace" klingt zu schön um wahr zu sein. Glich "Colors" noch einem Kopfsprung in einen Topf knallbunter Farben, umgibt den Amerikaner jetzt das "Everlasting Nothing". "I woke up in a movie / Didn't know if it was my whole life." Wie schon im Video zu "Heart Is A Drum", in dem sich Beck mit seinem früheren Slacker-Ich und dem Sensenmann aus "Loser" aussöhnt, sieht sich der 49-Jährige auch fünf Jahre später wieder mit den Geistern der Vergangenheit konfrontiert.

Zum heimlichen Hit mausert sich "Die Waiting", das helle, romantische Stimmung verbreitet: "And to lay down in the sun with the moonlight in my eyes / If it takes a lifetime then you'll know I'll die trying." Aufgrund des undurchschaubaren Dickichts aus Stilen, Genres und Ästhetiken übersieht man gern, dass Beck nach wie vor zur ersten Liga der Lyricists gehört. Ein Song wie "Wow" vom Vorgängeralbum "Colors" arbeitete mit seinen Taschenkalender-Weisheiten fast schon subversiv gegen diesen Eindruck an. "Hyperspace" liefert zwar keine Hits der Marke "Drop It Like It's Hot", die sich Beck von der Zusammenarbeit mit Williams versprach, dafür aber melancholischen Singer-Songwriter-Folk, der die Milchstraßen-Vaporwave reitet.

Trackliste

  1. 1. Hyperlife
  2. 2. Uneventful Days
  3. 3. Saw Lightning
  4. 4. Die Waiting
  5. 5. Chemical
  6. 6. See Through
  7. 7. Hyperspace
  8. 8. Stratosphere
  9. 9. Dark Places
  10. 10. Star
  11. 11. Everlasting Nothing

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