laut.de-Kritik
Mit Fantasiesprache in die Ziellosigkeit.
Review von Philipp KauseDas Gute an der Platte ist der Titelsong. Mit "Gallipoli" erzeugen Beirut ihrem Namen gemäß wieder ein Klangbild aus einer fernen Weltgegend, vermischt mit eingängigem Pop. Bandchef Zach Condon zeigt hier großes Interesse an einer herkömmlichen Songstruktur, was sich später ändert. Seltsam, zumal der Song nach eigenen Worten einfach aus ihm heraus geflossen ist.
Dagegen wirken andere Songs gerade nicht wie aus einem Guss. Instrumentale Passagen nehmen einen breiten Raum ein, ohne dass ein konkretes Ziel erkennbar würde. Anstatt der vermutlich von Condon gewünschten Entspannung verursacht diese Hinhaltetaktik eher ein unangenehmes Kribbeln.
Wie gewohnt hört man in Beirut-Songs Ukulele, Synthesizer und verschiedene Tape-Maschinen und auch mal schiefe Harmonien: Jedes Ächzen und Stöhnen der Instrumente, verstimmte Noten und Amp-Knistern wollte Zach festhalten. Die Fehler stammen aus Übersteuerungen und aus Defekten der zumeist gebraucht gekauften Instrumente. Auch seine Texte verbreiten Unverbindlichkeit und Unschärfe, flüchten in Lautmalerei und verfasern sich meistens nach kurzer Zeit ("Varieties Of Exile", "Gauze Für Zah"). Eine Fantasiesprache, die in manchen Momenten an verschlafenem Lallen erinnert. Man hätte gerne einiges mitbekommen, etwa von den Reisen des New Yorkers nach Berlin und Paris oder von den Aufnahmen in Apulien, dem Stiefelabsatz-Knick Italiens.
Gleichzeitig passt Condons Stimmklang auf betörende Weise zu diesen verwaschenen und von Orgeltönen geprägten Sounds. In "I Giardini" passiert plötzlich etwas, es geht um Gärten, der Song weckt Reiselust und zaubert Sonne in die Winterkälte. Dass die Bodensee-Blumeninsel "On Mainau Island" als weitere botanische Projektionsfläche von Sehnsüchten nur ein von Ideen befreites kurzes Instrumental gewidmet bekommt, verrät das fiese Spiel, das Beirut viel zu oft betreiben: Die Songtitel sind scheinbar willkürlich gewählt. Ein paar hingetupfte Akkorde mit etwas Verstärker-Noise müssen genügen, findet Condon. Was für ein Quatsch.
Das sechsminütige "Gauze Für Zah" hätte schon nach einem Drittel der Zeit enden können, wabert aber stattdessen als Wiederholungsschleife à la Julia Holter weiter. Das instrumentale "Corfu" dagegen ist luftig-tänzelnder Surf-Soul mit pastellfarbenem Keyboard-Weichzeichner. Dass der Song an Birdies "Triple Echo" erinnert, der Platte einer Background-Sängerin von St. Etienne, ändert daran nichts.
Die Platte entwickelt keine Stringenz: Das Farfisa-Orgelstück "Landslide" verpufft leider wie auch "Family Curse" oder "Light In The Atoll" im Stream-of-Consciousness-Vibe. Handwerklich sind die Songs gewohnt ausgezeichnet arrangiert, verblassen aber in ihrer Ziellosigkeit. Letztlich bleiben nur "Varieties Of Exile", "I Giardini", "Corfu" und "Gallipoli" in guter Erinnerung.
2 Kommentare
Hm, kann ich nicht ganz nachvollziehen, finde es zumindest eindeutig stärker als den Vorgänger und auch insgesamt recht gelungen. Allerdings erst 3 Durchgänge.
Finde die Bewertung und Rezension ok und nachvollziehbar.
Für mich ist die Vorgängerplatte eindeutig besser und Gallipoli dagegen ein merkwürdiger Schritt zurück in Richtung Anfänge. In meinen Augen ein eher schwaches Album.