laut.de-Kritik
Solostücke und ABBA-Klassiker in reduziertem Gewand.
Review von Kai ButterweckFür Benny Andersson war Musik noch nie eine Wissenschaft. Melodie, Harmonie und Rhythmus: Diese drei musikalischen Parameter sind seit sechs Jahrzehnten Anderssons einzige Begleiter, wenn es um das Kreieren von Musik geht.
Das Schreiben und Lesen von Noten werde völlig überbewertet, findet der ABBA-Kopf. Anderssons Erfolgsrezept hat nur zwei Zutaten: Erfahrung und Gefühl. Und diesem Rezept vertraut der Schwede auch heute noch. Auf seinem neuen Soloalbum "Piano" geht es nur um die Essenz dessen, was ihn in den Siebzigern zu einem der größten Pop-Songwriter des 20. Jahrhunderts aufsteigen ließ.
Der Titel ist Programm. Kein Gesang, keine anderen Instrumente: Nur Klavier. Insgesamt 21 Mal trippeln Anderssons Finger wahlweise flott oder gemächlich über die Tasten eines Fazioli-Pianos. Knapp 80 Minuten spielt sich der gute Benny die Finger wund und lässt dabei keine Phase seines bisherigen Musikerlebens aus.
Neben ausgewählten Solostücken und sechs ABBA-Klassikern zieht Benny auch erstmals einem Song aus seinem "Chess"-Musical die Hosen aus. Alles reduziert sich aufs Wesentliche.
Seine Liebe zu Bach, der Hang zur schwedischen Volksmusik ("Midnattsdans", "Flickornas Rum") und das Gespür für poppige Harmonien ("Thank You For The Music", "Happy New Year") verschmelzen auf "Piano" zu einem großen Ganzen. Egal ob das theatralische "I Let The Music Speak", das sensibel schaukelnde "Chess" oder das Trost spendende Funeral-Drama "Tröstevisa": Benny Andersson stellt jeder Stimmung den passenden Kammer-Soundtrack zur Seite.
In Zeiten, in denen die Musikwelt von pumpenden Beats und klinischen Effekten nur so überschwemmt wird, steht ein schelmisch grinsender Sound-Rentner auf der anderen Uferseite und beweist, dass zeitlose Pop-Saat auch im stillen Kämmerlein Früchte trägt.
Jeder Song, egal aus welchem Genre, wachse aus einer Idee heraus, so Benny. Die Idee sei die Wurzel. Und genau diese Wurzel steht für Andersson im Herbst 2017 mehr denn je im Fokus. Das Bemühen, zum innersten Kern der Musik vorzudringen. Die reine, schlichte Melodie bildet das Fundament. Der Rest ist Erfahrung: "Wenn man seit sechzig Jahren Klavier spielt, wäre es schon komisch, wenn nichts dabei herauskäme", so Benny. Da ist was dran.
2 Kommentare mit 3 Antworten
Liebe laut.de Redaktion, auf eurer Band-Seite von ABBA ist ein Promobild der Arrival-Abba-Tribute-Band und nicht das von ABBA. Ist wohl noch keinem aufgefallen
Um Gottes Willen. Fantastisch.
Das ist echt übel. Rainer beschäftigt halt nur Vollprofis von seinem Axel-Springer-Cash.
Ah, jetzt hat's jemand bemerkt und geändert
Interessant, da muss ich mal reinhören. 80 Minuten Klavier könnte natürlich schnell langweilig werden. Andererseits ist der Mann wirklich ein Genie und gerade die Musik vom Musical Chess ist ein ewig unterschätzter Geheimtipp.